Dänische Studie: Ozempic verdoppelt Risiko für plötzlichen Sehverlust
Es hilft gegen Typ-2-Diabetes und Adipositas: das Medikament Ozempic. Doch laut einer dänischen Studie, die im „International Journal of Retina and Vitreous“ erschien, verdoppelt die Abnehmspritze mit dem Antidiabetikum Semaglutid das Risiko für einen Schlaganfall im Auge.
Insbesondere erhöht das Mittel das Risiko für die Entwicklung einer nichtarteriitischen ischämischen Optikusneuropathie (NAION). Das ist eine schwere Augenerkrankung, die entsteht, wenn der Sehnerv nicht ausreichend durchblutet wird. Die Folge ist ein plötzlicher und schmerzloser Verlust des Sehvermögens auf einem Auge oder beiden Augen. NAION gilt als die häufigste Ursache für plötzlichen Sehverlust bei Menschen über 50 Jahren.
Schmerzloser und plötzlicher Sehverlust
Im Rahmen der neuen Studie wollten die Forscher wissen, ob ein Zusammenhang zwischen Ozempic und einem erhöhten NAION-Risiko besteht. Dafür untersuchten sie die Daten von 424.152 dänischen Patienten mit Typ-2-Diabetes.
„Wir stellten fest, dass Ozempic das Risiko, an NAION zu erkranken, mehr als verdoppelt“, meinte Jakob Grauslund, Professor für Augenheilkunde an der Abteilung für klinische Forschung der Syddansk Universitet (SDU), in einer Erklärung. „Es handelt sich um eine Erkrankung, die zu einem schweren und dauerhaften Verlust des Sehvermögens führen kann“.
Laut statistischen Auswertungen erkrankten 2,28 von 10.000 mit dem Wirkstoff Semaglutid behandelten Patienten in einem Jahr an NAION. In der Vergleichsgruppe waren es 0,93 von 10.000 Personen.
Einführung von Ozempic und der Anstieg der NAION-Fälle
Seit der Einführung von Ozempic in Dänemark im Jahr 2018 sei ein deutlicher Anstieg der NAION-Fälle zu verzeichnen, so Grauslund weiter.
„Während wir früher zwischen 60 und 70 Fälle von NAION pro Jahr sahen, sind es jetzt bis zu 150“, sagte er. Ferner wies er darauf hin, dass die meisten Krankenhauseinweisungen für NAION bei Patienten mit Typ-2-Diabetes stattfinden.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Anton Pottegård, Professor für Pharmazie in der Abteilung für öffentliche Gesundheit der SDU. Er und sein Team untersuchten neue Ozempic-Nutzer unter Typ-2-Diabetespatienten in Dänemark und Norwegen. Ihnen nach verdoppelt sich das Risiko, eine NAION zu entwickeln, mit der Einnahme von Ozempic. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Forscherteam im Dezember 2024 in einer Vorabdruckstudie, die noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde.
Demnach haben Diabetespatienten, die Ozempic verwenden, laut den beiden dänischen Studien ein erhöhtes NAION-Risiko, als Diabetespatienten, die das Mittel nicht nutzen. Laut einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2024 schätze das Risiko sogar noch höher ein.
Regulierungsbehörden bewerten Studien
In einer E-Mail erklärte Pottegård gegenüber Epoch Times, dass diese Studien wahrscheinlich „eine ganze Reihe“ neuer behördlicher und wissenschaftlicher Maßnahmen auslösen werden.
„Die Aufsichtsbehörden haben nun einen Prozess zur Bewertung der Studien eingeleitet, um zu entscheiden, ob NAION offiziell als Nebenwirkung von Ozempic anerkannt werden sollte“, schrieb er. „Wir wissen (noch) nicht, ob es sich um einen Klasseneffekt handelt, das heißt, ob er auch die Anwendung von Tirzepatid und den anderen neuen Medikamenten betrifft, oder ob er spezifisch für Semaglutid ist.“
Pottegård zufolge werden die Ergebnisse der neuen Studie „zweifellos Gegenstand neuer Untersuchungen sein“. Falls die Regulierungsbehörden das Risiko anerkennen, könnten sie Überwachungsprogramme für die anderen Medikamente dieser Klasse einrichten.
„Und es besteht sicherlich Forschungsbedarf, nicht nur um herauszufinden, warum dies geschieht (wir wissen nichts über den Mechanismus), sondern auch, bei welchen Patienten ein solches Risiko besteht“, schrieb er.
Studienautoren gegen pauschalen Behandlungsstopp mit Ozempic
Trotz dieser Ergebnisse raten die Studienautoren der beiden Studien davor ab, die Behandlung mit Ozempic sofort abzubrechen.
„Dies ist eine ernste, aber sehr seltene Nebenwirkung. Oft erfahren wir davon erst, wenn ein neues Medikament schon einige Jahre auf dem Markt ist“, stellte Pottegård in der Erklärung klar. „Es sollte betont werden, dass sie weder schwerwiegender noch häufiger ist als die seltenen Nebenwirkungen vieler anderer Medikamente, die wir weiterhin verwenden.“
Darüber hinaus sei es wichtig, Typ-2-Diabetes zu behandeln und dabei die mit Ozempic verbundenen Risiken zu berücksichtigen. Das schrieb Kurt Højlund, Diabetes-Professor am Steno Diabetes Center Odense der SDU, in der Erklärung.
Es sei äußerst wichtig, Typ-2-Diabetes zu behandeln, sagte er. Allerdings müsse man abwägen, ob das „geringfügig erhöhte Risiko eines schweren Sehverlusts“ bei Ozempic bedeute, dass man lieber eines der anderen neuen Medikamente verwenden sollte, die vor Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen, so der Professor.
Allerdings stellte er klar, dass die Behandlung mit Ozempic abgebrochen werden sollte, sobald NAION in einem Auge auftritt. „Die überwiegende Mehrheit der Patienten kann eine Behandlung mit Ozempic bedenkenlos in Anspruch nehmen, da das absolute Risiko so gering ist. Doch einige Patienten ziehen nach Rücksprache mit ihrem Arzt möglicherweise eine alternative Behandlung vor“, fügte er hinzu.
Novo Nordisk: „Nutzen-Risiko-Bewertung von Semaglutid bleibt unverändert“
Genauso sieht es auch das Pharmaunternehmen Novo Nordisk, der Hersteller des Medikaments. Ihm nach sei NAION eine sehr seltene Augenerkrankung. Laut der Zulassung sei sie allerdings keine unerwünschte Arzneimittelwirkung für die vermarkteten Formulierungen von Semaglutid (Ozempic, Rybelsus und Wegovy), erklärte die Firma in einer E-Mail an Epoch Times.
„Nach einer gründlichen Auswertung der Studien von SDU und der internen Sicherheitsbewertung von Novo Nordisk ist Novo Nordisk der Meinung, dass die Nutzen-Risiko-Bewertung von Semaglutid unverändert bleibt“, schrieb ein Sprecher des Unternehmens.
Demnach zeigten beide Studien zwar eine Verdoppelung des relativen Risikos. Jedoch seien das absolute Risiko und die absolute Zahl der Betroffenen sehr gering. Außerdem hätten die Studien keinen kausalen Zusammenhang zwischen Semaglutid und NAION nachweisen können, so der Sprecher.
Ferner habe Novo Nordisk seinerseits alle randomisierten, klinischen Kontrollstudien mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten (blutzuckersenkende Medikamente, zu denen auch Semaglutid gehört) analysiert. Dazu gehörte auch eine augenärztliche Blindstudie zur Bestätigung der NAION-Diagnose. „Bei dieser Analyse wurden nur sehr wenige von Augenärzten bestätigte NAION-Fälle identifiziert, und es gab kein Ungleichgewicht zuungunsten der GLP-1-Rezeptor-Agonisten von Novo Nordisk“, heißt es in der Erklärung.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Ozempic Users Face Double Risk of Rare Vision Loss, Nordic Studies Find“. (redaktionelle Bearbeitung as)
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