20 Millionen Dächer kartiert: Wo lohnen sich Solaranlagen im Gebäudebestand?

Ein Solaratlas soll Deutschlands Energiewende unterstützen und Entscheidungsträgern wichtige Informationen liefern. Obwohl die interaktive Karte für praktisch jedes Gebäude in Deutschland Daten liefert, sind die Informationen nicht für den Einzelnen gedacht und viele Fragen bleiben offen.
Der Solaratlas des DLR soll zeigen, wo sich in Deutschland Solaranlagen besonders lohnen.
Der Solaratlas des DLR soll zeigen, wo sich in Deutschland Solaranlagen besonders lohnen.Foto: hansenn/iStock
Von 4. Juli 2024

Welche Gebäudedächer eignen sich für Solaranlagen? Wo sind Solaranlagen installiert? Welche Leistung ist mit Solaranlagen an bestimmten Standorten möglich? Antworten auf diese Fragen liefert der „Solaratlas“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Die Anfang Juni auf der Luftfahrtmesse ILA 2024 in Berlin vorgestellte interaktive Karte biete „genaue Informationen zum aktuellen Bestand und zum Ausbaupotenzial“. Der Atlas unterstütze Entscheidungsträger dabei, „effektive Strategien und Instrumente zum Ausbau von Solaranlagen auf Dächern zu entwickeln und umzusetzen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. Weiter sagte sie laut einer Pressemitteilung:

„Die satellitengestützten Informationen, die das DLR bereitstellt, unterstützen die Energiewende. Damit werden sie zum Treiber für innovative Produkte und Geschäftsmodelle. Der Solaratlas des DLR verdeutlicht, wie Erdbeobachtung erfolgreich für den Klimaschutz und einen nachhaltigen Ausbau der Energiegewinnung eingesetzt wird.“

Der Teufel steckt jedoch im Detail, wie eine genauere Betrachtung offenbart. Probleme scheinen einerseits der deutschen Gesetzeslage und anderseits den Daten geschuldet zu sein.

Solaratlas als Entscheidungsgrundlage für Klimaschutz

Nach eigenen Angaben haben die Forscher für ihren Solaratlas aktuelle Luftbilder, Geländedaten und die Liste aller bestehenden Solaranlagen ausgewertet. Mit Methoden des maschinellen Lernens konnten sie so „für den gesamten Bestand von rund 20 Millionen Gebäuden Solarenergie-Potenziale ermitteln“.

Das heißt, es gibt deutschlandweit scheinbar kein Gebäude, das nicht erfasst wurde, egal ob Berlin, Dresden, Hamburg, München oder anderswo. Zudem beschränkt sich die Karte nicht auf Gebäude im städtischen Umfeld.

Solaratlas von Stuttgart.

Der Solaratlas zeigt Deutschland auf verschiedenen Verwaltungsebenen bis zu Gebäuden, hier im Stadtgebiet Stuttgart. Gelbe Gebäude eignen sich aufgrund ihrer Lage oder Größe besonders für die solare Energiegewinnung. Foto: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Um die aktuelle Situation in Deutschland darzustellen, werteten die Wissenschaftler aus dem Earth Observation Center (EOC) des DLR unter anderem digitale, verzerrungsfreie Luftbilder mit einer Auflösung von 20 Zentimetern aus. Dies kombinierten sie mit hochaufgelösten Oberflächenmodelle mit einer Auflösung von einem Meter, bereitgestellt vom Bundesamt für Kartografie und Geodäsie.

„Um das aktuelle Ausbaupotenzial für Solarenergie zu beschreiben, berechnen wir die mögliche elektrische Leistung anhand der Sonnenstunden, der Strahlungsintensität, der Ausrichtung der Dachflächen sowie der Verschattung durch benachbarte Gebäude oder Vegetation“, erklärt Projektleiterin Dr. Annekatrin Metz-Marconcini.

„Darüber hinaus hat das DLR ein Verfahren entwickelt, das künstliche Intelligenz nutzt. Damit können wir weltweit Dächer mit verbauten Solarpaneelen aus hochaufgelösten Fernerkundungsdaten identifizieren. In Deutschland haben wir das Marktstammdatenregister einbezogen. Die Datenbank enthält tagesaktuell alle angemeldeten Solaranlagen.“

Solaranlagen und Potenziale erkannt …

Dennoch „dient [der Solaratlas] nicht der Energiepotenzialanalyse für Einzelgebäude [Hervorhebung im Original]“, warnt das DLR beim Öffnen der Karte. Ein möglicher Grund für die Nichteignung für Einzelgebäude liegt in den verwendeten Daten begründet.

Demnach nutzten die DLR-Forscher keine Gebäudedaten, „sondern digitale Oberflächenmodelle des Geländes, wie sie mithilfe von Flugzeugen und Satelliten erzeugt werden.“ Dadurch könne das Verfahren auf Länder ausgeweitet werden, die nicht über Gebäuderegister verfügen. Diese Höhenmodelle berücksichtigten zwar automatisch Verschattungen durch Bäume und das umgebende Gelände, sind jedoch nicht so genau wie Gebäudeinformationen.

„Im Gegensatz zu bestehenden Solarkatastern der Bundesländer, Landkreise oder Gemeinden, die sich im Informationsgehalt oft unterscheiden, nicht sehr detailliert sind oder auf bestimmte Gebiete beschränken“, bilde der DLR-Solaratlas das ganze Land aktuell und systematisch ab. Dadurch biete er „politischen Entscheidungsträgern und Planern eine Grundlage, um zum Beispiel den Ausbau von Solaranlagen gezielt zu fördern.“

Diese Adressaten tauchen wiederum in den Hinweisen auf, die erscheinen, wenn man den Solaratlas öffnen möchte. „Der DLR-Solaratlas richtet sich an Verwaltungen und Politik, um bundesweit ungenutztes Potenzial in der Solarenergiegewinnung aufzuzeigen und zu quantifizieren. Der Solaratlas ergänzt bestehende Kataster auf Länder-, Kreis- oder Gemeindeebene.“

… aber nicht veröffentlicht

Wer als Privatmann oder -frau das Potenzial seines Gebäudes erfahren möchte, findet somit keine befriedigende Antwort. Eine Nachfrage beim DLR scheint ebenso wenig Erfolg versprechend, denn „auf Einzelgebäudeebene können die angezeigten Werte von den tatsächlich berechneten abweichen, da die Darstellung auf [Kartendienst] OpenStreetMap […] beruht, während die Berechnungen auf amtlichen Vermessungsdaten […] basieren.“

Eine stichprobenartige Überprüfung durch die Epoch Times offenbarte weitere Probleme: Obwohl das DLR „weltweit Dächer mit verbauten Solarpaneelen aus hochaufgelösten Fernerkundungsdaten identifizieren“ kann, tauchen diese nicht im Solaratlas auf, weder Photovoltaikanlagen auf Dächern noch frei stehende Anlagen noch andere Nutzungsformen der Sonnenenergie wie solare Wärme.

Dazu erklärt das DLR: „Aus Datenschutzgründen ist eine Kartierung des Solarausbaus für einzelne Gebäude auf einer öffentlich verfügbaren Webseite in Deutschland nicht möglich.“ Lizenzrechtliche Gründe verhinderten zudem die Darstellung der vom DLR genutzten Gebäudeumrisse. Daher zeige man den Solarausbau auf Gemeinde-, Landkreis- oder Bundeslandebene.

Inwiefern unterschiedliche Ausrichtungen von PV-Anlagen – Süd oder Ost/West – sowie Installationen mit abweichendem Neigungswinkel berücksichtigt werden, geht aus den bereitgestellten Materialien nicht hervor. Dies gilt ebenso für Balkonkraftwerke und Solaranlagen an Wandflächen.

Eine diesbezügliche Anfrage der Epoch Times blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.



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