Hühner vom Winde verweht? Bruterfolg sinkt mit Windpark auf null

Der plötzliche Tod von unausgebrüteten Hühnern auf einem Bauernhof im Süden von Schweden hat die Frage aufgeworfen, ob ein nahe gelegener Windpark die Ursache ist. Fachleute gehen dem noch kaum erforschten und umstrittenen Thema auf den Grund.
Hühner vom Winde verweht: Bruterfolg sinkt mit Windpark auf null
Infraschall steht im Verdacht, die biologischen Prozesse bei Tieren und anderen Organismen zu beeinflussen.Foto: franswillemblok/iStock
Von 2. August 2024

Auf einem Bauernhof nahe dem Ort Ljungbyholm im südschwedischen Landkreis Kalmar geschah vor wenigen Jahren etwas Ungewöhnliches. Aus den Eiern, die die Hühner im Hühnerstall legten, konnten dort plötzlich keine Küken mehr schlüpfen.

„Ich habe den Zusammenhang nicht von Anfang an erkannt“, sagte die Frau des Hauses. Da es sich hierbei um ein umstrittenes Thema handelt, wünschte sie, anonym zu bleiben.

Sie hat den Hof zusammen mit ihrem Mann vor über 20 Jahren übernommen. Seit 18 Jahren betreiben sie dort Landwirtschaft nach den Prinzipien der Permakultur. Bis 2021 hatten sie keine Probleme mit ihren Tieren.

Ebenfalls vor drei Jahren entstand ein Windpark in unmittelbarer Nähe ihres Zuhauses. Der Windpark besteht aus zwölf Windkraftanlagen vom Hersteller Nordex mit einer Gesamthöhe von 200 Metern und einer Nennleistung von jeweils 4 Megawatt (MW). Im März 2021 produzierten die Anlagen erstmals Energie. Der Park ist im Besitz von Heather Wind AB und wird von OX2 betrieben.

Windpark senkt Bruterfolg von 95 Prozent auf null Prozent

Die Landwirtin teilte mit, dass das erste Schlüpfen der Brut nach der Inbetriebnahme des Windparks ein kompletter Fehlschlag war. „Erst als ein Nachbar Probleme mit seinen Pferden bemerkte, fingen wir an, es mit dem Windpark in Verbindung zu bringen“, erzählte sie. Seitdem haben wir auf dem Hof keine einzige erfolgreiche Brut mehr gehabt.

Allerdings kann die Mutter nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass dies mit dem Windpark zusammenhängt. Dennoch glaubt sie, dass es angesichts des zeitlichen Zusammenhanges gut zusammenpasst.

Weiter sagte sie: „Ansonsten haben wir nichts verändert. Wir hatten vorher zu 95 Prozent erfolgreiche Bruten.“

Hühnersterben durch Vibration?

Henning Theorell ist Arzt mit den Schwerpunkten Innere Medizin und allergische Erkrankungen. Er hat sich für die Auswirkungen der Windkraft und verschiedene Arten von Frequenzeinflüssen interessiert. Er hat die Zahlen aus dem Betrieb in Småland unter die Lupe genommen und die wissenschaftliche Literatur über die Auswirkungen von Schwingungen der Windkraftanlagen auf Tiere studiert.

Windkraftanlagen erzeugen nicht nur Luftschall. „Viele Menschen übersehen die Bodenvibrationen“, erklärte er. „Geotechnische Studien haben gezeigt, dass Windparks mit 2-Megawatt-Turbinen Bodenvibrationen verursachen können“, sagte er. Im vorliegenden Fall ist die Nennleistung der Anlagen doppelt so hoch.

Schweden: Verhindert ein Windpark die Geburt von Küken?

Wenn sich Rotorblätter drehen, erzeugen sie neben Strom auch hörbaren und nicht hörbaren Schall (Infraschall). Foto: mgfoto/iStock

Mit Blick auf die geologischen Bodenverhältnisse in der Gegend vermutete Theorell, dass die Bodenvibrationen der Windkraftanlagen für das Hühnersterben verantwortlich sind.

Nach Angaben des Schwedischen Geologischen Dienstes befindet sich der Windpark im Gebiet einer Moräne – eine von früheren Gletschern mitgeführte Schuttmasse –, die zwischen drei und 18 Meter tief ist. „Ich vermute, dass dort, wo der Boden flach ist, die Vibrationen stärker sind und das Legen der Eier beeinträchtigen“, sagte Theorell.

Er glaubt aber nicht, dass die Luftvibrationen der Rotorblätter allein eine Auswirkung haben können. Denn dieselben Vibrationen hätten die Hühner auch beeinträchtigt, wenn sie etwas weiter vom Hühnerstall entfernt gewesen wären. Als die Hühner der Familie weiter vom Windpark entfernt waren, hätten sie jedoch erfolgreich Eier gelegt. Der Bruterfolg stieg wieder auf bis zu 95 Prozent.

Bellut-Staeck: Vibration durchdringt das Gewebe

Auch die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Notfallmedizinerin und Wissenschaftsautorin Dr. med. Ursula Bellut-Staeck sieht die Ursache für die Hühnersterblichkeit in dem Windpark. Sie hat sich intensiv mit Endothelzellen, also den Innenwandzellen der Kapillargefäße, beschäftigt. An diesen Zellen werden nach Aussage der Ärztin lebenswichtige Funktionen durch Kräfteübertragungen gesteuert.

„Tieffrequenter Schall und Vibration, die viskoelastisches Gewebe ohne Mühe durchdringen, beeinflussen die Endothelzellen des Gefäßnetzes aller Organismen“, sagte Bellut-Staeck auf Anfrage der Epoch Times. Der Infraschall von mehreren Anlagen würde sich dabei summieren.

Schweden: Verhindert ein Windpark die Geburt von Küken?

Dr. med. Ursula Bellut-Staeck. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Weiter sagte die Wissenschaftsautorin: „Endothelzellen lassen nach neueren Erkenntnissen bevorzugt tiefe Frequenzen passieren. Das führt nach unserer wissenschaftlichen Hypothese zu Fehlinformationen.“ Infolgedessen komme es zu einem massiven Anstieg von oxidativem Stress, der zusammen mit dem mechanischen Stress zu einer zunehmenden Schädigung des Endothels führt.

Die Folgen sind fatal. „Zwangsläufig kommt es zur Beschädigung des gesamten Organs Endothelium (die Gesamtheit aller Endothelzellen). Dieses Organ stellt die absolute Voraussetzung für den ungestörten Ablauf der sensiblen Embryonalentwicklung dar“, warnte Bellut-Staeck. Die Folgen seien Störungen der Entwicklung, Fehlgeburten, Tot- und Missgeburten. Ebenso werde die Fruchtbarkeit oder Fortpflanzungsfähigkeit von Organismen herabgesetzt.

In Deutschland geht das Umweltbundesamt nach aktuellem Wissensstand weiterhin davon aus, dass bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen wurde, wie der von Windkraftanlagen ausgehende Infraschall auf Endothelzellen wirkt.

Weitere Untersuchungen am Windpark im Herbst

Genauere Untersuchungen zu den Bodenvibrationen als mögliche Ursache des Hühnersterbens sollen im Herbst stattfinden. Prof. Ken Mattsson vom Fachbereich für Informationstechnologie und Computerwissenschaften der Universität Uppsala will diese Forschung unterstützen.

„Wir wollen vor Ort detaillierte Messungen mit mehreren Messpunkten durchführen, um zu sehen, wie stark die Bodenvibrationen sind“, schilderte Mattsson. „Es gibt Forschungsberichte über Bodenschwingungen in der Nähe von Windkraftanlagen. Und wir wissen, dass auch die Art des Bodens und das Fundament des Gebäudes das Ergebnis beeinflussen. Es sind einfach komplizierte Berechnungen und es muss vor Ort gemessen werden.“

Der Wissenschaftler erklärte, dass bei Umweltverträglichkeitsprüfungen von Windparks keine Analysen von Bodenschwingungen durchgeführt werden. Er entwickelt jetzt ein sensibles Berechnungsinstrument, um zukünftige Bodenschwingungen rund um Baustellen und nicht nur um Windkraftanlagen vorherzusagen. „Wir wissen, dass Windkraft Bodenerschütterungen erzeugt. Die Frage ist, ob die Hühner davon betroffen sein können.“

Der Stand der Wissenschaft

„Die Forschung hat gezeigt, dass Erschütterungen während des fünften bis achten Tages der Ei-Entwicklung die Sauerstoffaufnahme in der Allantois-Membran hemmen können“, schilderte Theorell. „Vibrationen stören den Blutfluss in den Kapillaren, was zu Schäden führt, die Sauerstoffmangel und die Freisetzung von schädlichen freien Radikalen zur Folge haben.“

Laborexperimente in den Vereinigten Staaten in den 1990er-Jahren haben gezeigt, dass vertikale Vibrationen auf Hühnereiern bei Frequenzen von 20 bis 30 Hertz die Sterblichkeit und Missbildungen erhöhen. Dieselben Frequenzen und eine bestimmte Art der Amplitudenbeschleunigung erhöhten die Sterblichkeit bei Perlhühnereiern um bis zu 48 Prozent. Eine Studie aus dem Jahr 2008 zeigte eine erhöhte Sterblichkeitsrate und Missbildungen bei Eiern nach der Inbetriebnahme eines Windparks in Wisconsin (USA), was auf einen Zusammenhang zwischen Luftschall und/oder Bodenvibrationen von nahe gelegenen Windkraftanlagen hindeutet.

Im Jahr 2021 erhielten die Forscher Patapoutian und Julius den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung neuer Rezeptorgruppen in diesem Bereich.

Der kritische Frequenzbereich für Embryonen scheint laut Theorell bei 10 bis 40 Hertz zu liegen. Das wurde bei Pferdefohlen mit defekten Hufen in Portugal gemessen. In Ljungbyholm ist der Windpark stärker und könnte stärkere Bodenvibrationen erzeugen. „Wir werden sehen, was die Analysen im Herbst zeigen“, sagt Theorell.

Er ist der Meinung, dass in diesem Bereich noch viel mehr Forschung nötig ist, denn neue, noch größere Windkraftanlagen mit bis zu zehn Megawatt Leistung haben bereits eine Baugenehmigung erhalten.

(Mit Material von epochtimes.se)



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