Drosten in Sorge: Vogelgrippevirus in USA könnte nächste Pandemie auslösen
Nach Aussage des Chef-Virologen der Berliner Charité, Prof. Christian Drosten, kommt angesichts der Ausbreitung von H5N1 in den USA das Vogelgrippevirus als möglicher Auslöser für eine kommende Pandemie in Betracht, auch wenn bislang nur sehr vereinzelt Fälle am Menschen aufgetreten sind. Europaweit gab es noch keine Meldungen zu einer Übertragung auf Menschen und selbst bei Geflügel und Wildvögeln waren es im Mai lediglich drei Fälle in ganz Europa. Welche genauen Umstände zum Start des Infektionsgeschehens in den USA führten, ist nach wie vor offen.
Der Erreger sei in letzter Zeit in Milchviehbeständen in den USA aufgetreten und dort „sogar schon in Milchprodukten im Handel aufgetaucht“, sagte Drosten dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstagsausgaben). „So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt.“
Die Ausbreitung der Vogelgrippe unter Säugetieren könne auch „glimpflich ablaufen; das Virus braucht mehrere Schritte zur Anpassung, und vielleicht ist es vorher schon unter Kontrolle“, sagte Drosten weiter. „Aber es kann auch schon der Anlauf zu einer nächsten Pandemie sein, den wir hier live mitverfolgen.“
Für eine genauere Einschätzung fehle auch eine bessere Dateneinsicht, erläuterte der Virologe. „Wir wissen noch nicht, wie häufig sich Menschen infizieren, die mit diesen infizierten Kühen zu tun haben.“
Wünschenswert sei, dass in den USA jetzt entschlossen vorgegangen werde: „Mit Quarantäne. Dass man also versucht, die infizierten Bestände zu isolieren; schaut, wo Menschen Kontakt hatten, ob sie Antikörper im Blut haben. Über bestimmte Hygienemaßnahmen nachdenkt. Und auch darüber, Kühe zu impfen.“
Keine Vogelgrippe bei Milchkühen außerhalb der USA
In Deutschland führt das auf der Insel Riems ansässige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) derzeit eine Infektionsstudie durch, inwieweit Kühe vom Vogelgrippevirus betroffen sein können. Hierfür untersuchte das Institut bereits rund 1.400 Serumproben von Kühen aus Deutschland auf Antikörper. Auch 350 Tankmilchproben aus verschiedenen Regionen wurden mittels PCR-Test auf Virusgenom untersucht. Das Ergebnis sei jeweils negativ gewesen.
Als erstes Zwischenergebnis wurde festgehalten, dass sich bei den Untersuchungen nicht nur das US-Isolat des Virus, sondern auch ein aktuelles H5N1-Virus aus einem Wildvogel aus Deutschland im Euter der Kuh sehr gut vermehren, heißt es vom Institut. Nach der direkten Infektion des Euters über die Zitzen zeigten die Milchkühe in beiden Fällen eindeutige Krankheitssymptome wie starken Milchrückgang, Veränderung der Milchkonsistenz und Fieber.
Sowohl das Risiko eines Eintrags des US-amerikanischen HPAI H5N1-Stammes in deutsche Rinderbestände und Milchkuhbetriebe als auch das Risiko einer Infektion von Rindern mit dem in Europa vorkommenden HPAI H5-Virus schätzt das Institut jedoch als „sehr gering“ ein.
Hackfleisch und Milch erhitzen
Rohmilch und Rohmilcherzeugnisse stellen laut FLI „vermutlich die größere Infektionsgefahr“ dar, da das H5N1-Virus in hohen Konzentrationen in der Milch ausgeschieden werde. Basierend auf laufenden Untersuchungen könne davon ausgegangen werden, dass eine Pasteurisierung zur Inaktivierung der Viren führt, auch wenn sich noch Genomteile in der Milch nachweisen lassen.
Bei infizierter Milch wurden demnach die Viren bei Temperaturen von 72 °C innerhalb von 15 Sekunden „stark reduziert, aber nicht immer vollständig eliminiert“. Bei Temperaturen von 4 °C hingegen würde das Virus in der Milch für mehrere Wochen infektiös bleiben. Auch bei Hackfleisch habe sich gezeigt, dass das Vogelgrippevirus beim Erhitzen auf 63 bis 71 °C inaktiviert wurde.
Antikörper deuten auf Immunität hin
Nachweise von H5-Antikörpern in erwachsenen Wildvögeln deuten nach Aussage des Instituts auf eine Immunität nach einer überstandenen Infektion hin. „Obwohl repräsentative serologische Untersuchungen in Wildvögeln fehlen, könnte die aktuelle (ruhige) Gesamtsituation auf eine weitergreifende Populationsimmunität hindeuten, die sich für betroffene Wildvögel günstig auswirkt“, heißt es weiter vom FLI. Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Viren weiter verbreiten.
Welche genauen Umstände zum Start des Infektionsgeschehens in den USA führten, sei nach wie vor nicht bekannt.
Möwe, Ente, Schwalbe
Bislang wurden in den USA Infektionen in insgesamt 83 Betrieben in elf Bundesstaaten gemeldet, wie aus einer Veröffentlichung des FLI hervorgeht. Hinzu kamen fünf positiv getestete Katzen in New Mexiko und Michigan, die ebenfalls aus den betroffenen Milchviehbeständen stammten. Außerdem wurde das Virus bei elf Mäusen in New Mexico gefunden.
Irak meldete Ende Mai einen Fall bei einer Möwe, während in China Hunderte tote Fischmöwen und andere Wildvögel am Qinghai-See in der Provinz Qinghai gefunden wurden. Bei ihnen wurde HPAIV H5 nachgewiesen.
Aus Südamerika wurde lediglich in Brasilien ein Fall bei einer amerikanischen Brandseeschwalbe gemeldet, während in Nordamerika in den USA im Mai 14 Ausbrüche bei Geflügel mit 5,8 Millionen Tierverlusten sowie einige Fälle bei Wildvögeln gemeldet wurden.
Bei Abwasseruntersuchungen in neun texanischen Städten zwischen März und Ende April wurde H5N1 nachgewiesen.
Nur selten Fälle am Menschen
Im Mai seien zudem zwei Fälle an Menschen nachgewiesen worden. Sie hätten jeweils Kontakt mit infizierten Rindern aus Michigan gehabt, aber nicht miteinander in Verbindung gestanden. Wie die erste infizierte Person aus Texas entwickelten auch sie eine Bindehautentzündung und in einem Fall auch Husten ohne Fieber.
In den USA werden Verdachtsfälle, die Kontakt zu infizierten oder vermutlich infizierten Rindern hatten, über einen Zeitraum von zehn Tagen auf Symptome überwacht, wobei telefonische Abfragen erfolgen. Insgesamt wurden bisher 44 von 390 Personen getestet – mit Ausnahme der drei klinisch erkrankten und positiv getesteten Personen waren alle negativ.
Im Mai wurde ein Fall von H5N1 bei einem Jungen gemeldet, der sich in Indien angesteckt haben soll. Das Kind war nach WHO-Angaben Ende Januar mit Fieber, Atembeschwerden und Bauchschmerzen zum Kinderarzt gebracht worden. Es wurde auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt und nach vier Wochen entlassen. Ein paar Tage später kam es in ein anderes Krankenhaus, wo es intubiert werden musste. Mit einem Abstrich wurde Influenza A (H9N2) nachgewiesen. Das Kind sei am 1. Mai mit einer Sauerstoffzufuhr aus der Klinik entlassen worden. Es soll Kontakt zu Hühnern gehabt haben.
Auch China und Mexiko meldeten jeweils eine Infektion am Menschen.
Impfung in Finnland
Wie die finnische Gesundheitsbehörde am 25. Juni mitteilte, können sich ab der nächsten Woche Bürger ab 18 Jahren gegen Vogelgrippe impfen lassen, vor allem Arbeiter, die mit Tieren in Kontakt kommen, sowie Tierärzte. Dabei wurde in Finnland noch kein Fall am Menschen nachgewiesen.
Die Bedingungen in Finnland seien anders als in anderen Ländern, „weil wir Pelztierfarmen haben, in denen die Tiere mit Wildtieren in Kontakt kommen können“, sagte Hanna Nohynek, Leiterin der finnischen Abteilung für Infektionskontrolle und Impfstoffe.
Der Impfstoff für Finnland wurde von einer Gruppe europäischer Länder bestellt. Es handelt sich um 665.000 Impfdosen. Die EU-Beschaffungsbehörde hat im Namen von 15 Staaten einen entsprechenden Vertrag mit dem britischen Pharmaunternehmen CSL Seqirus unterzeichnet. Die ersten Impfdosen gegen das H5N1-Virus gehen nach Finnland.
„Im Gegensatz zu den USA gibt es weder in Deutschland noch in anderen Ländern weltweit Hinweise auf ähnliche Infektionsgeschehen mit HPAIV H5N1“, heißt es hingegen vom FLI. Zudem seien seit Mitte Februar die Meldungen über Ausbrüche bei Hausgeflügel und Fälle bei Wildvögeln weltweit stark zurückgegangen. In Deutschland wurde für den Monat Mai kein einziger Fall gemeldet, in ganz Europa waren es lediglich zwei Fälle bei Hausgeflügel sowie ein Wildvogelfall.
(Mit Material der Agenturen)
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