Am Pfingstwochenende 2021 wollten viele Menschen erneut in Berlin gegen die Maßnahmen der Regierung demonstrieren. Doch die großen maßnahmenkritischen Demonstrationen wurden verboten. Nach Polizeiangaben wurde eine maßnahmenkritische Demo zunächst zugelassen, die jedoch aufgrund von Nichteinhaltung der Corona-Schutzverordnung wieder aufgelöst werden musste. Andere Demonstrationen, beispielsweise ein Umzug gegen steigende Mieten in Berlin, mit über 2.500 Teilnehmern, waren zugelassen.
Trotz der Verbote reisten viele Menschen an und gingen bei schönem Wetter in der Hauptstadt spazieren. Einige versuchten über die Stadt verteilt, spontane Demonstrationen abzuhalten. Die Polizei schritt vielerorts frühzeitig ein. Nicht angemeldete Demonstrationen wurden aufgelöst, Gruppenbildungen von mehr als zwei Haushalten kontrolliert, Platzverweise wurden erteilt und Anzeigen erstattet.
Spaziergänger geraten in polizeiliche Maßnahmen
Von einer Polizeimaßnahme waren auch Anwälte der „Anwälte für Aufklärung e. V.“ betroffen, darunter der Berliner Rechtsanwalt Dr. Alexander Christ und Rechtsanwalt Ralf Ludwig. In einer Nebenstraße der Kurfürstenstraße gingen sie spazieren, als ein Einsatzwagen der Polizei stoppte. Die Anwälte auf beiden Straßenseiten wurden aufgefordert, sich auf einem Bürgersteig zu sammeln. Die Maßnahme zur Erfassung der Personalien begründete die Polizei auch hier mit Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung durch die Spaziergänger.
„Die [Polizisten] fahren hier rum, patrouillieren durch die Straßen, gucken, wen sie erkennen, wer vielleicht zusammen gehören könnte. Das ist die Realität 2021 in Deutschland“, so Christ. Er bemängelt, dass die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und des staatlichen Handelns nicht mehr gegeben sei. Nach Ansicht des Juristen wüssten die Polizisten genau, dass solche Maßnahmen ins Leere laufen, jedenfalls hätten die Anwälte sie entsprechend belehrt. „Aber sie haben offensichtlich die Anweisung bekommen, sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze fallen zu lassen“, sagte Christ gegenüber Liberty News Berlin.
Das Debatten-Defizit
Epoch Times trifft Dr. Christ kurz nach der Polizeimaßnahme und begleitet ihn ein Stück weit bei seinem Spaziergang durch Berlin. Währenddessen diskutiert Rechtsanwalt Ralf Ludwig hitzig mit einem Passanten, der fordert, dass alle Maßnahmen-Kritiker mit einer „Wanne“ (Anmerkung der Redaktion: umgangssprachlich für Einsatzwagen der Polizei) aus Berlin rausgefahren werden sollten.
Auf die Anmerkung vom Epoch Times-Reporter, dass die Debatte stark emotionalisiert sei, antwortet Dr. Christ: „Absolut, ganz emotional. Inzwischen klar von beiden Seiten emotional. Doch es ist ein Dialog der hier stattfindet, wir sind schon einen Schritt weiter. Auch wenn die Wortwahl teilweise heftig ist, findet trotzdem ein Dialog statt.“
Juristisch hält Dr. Christ das Demonstrations-Verbot an Pfingsten für nicht haltbar. Der Bescheid der Polizei stützt sich auf die Begründung, dass Ralf Ludwig Massen von Querdenkern dazu aufgerufen hätte, nach Berlin kommen.
Laut Dr. Christ sind die Polizeibeamten davon ausgegangen, dass Querdenken-Demos in der Hauptstadt geplant waren. Seines Wissens sei jedoch keine einzige Querdenker-Demo an Pfingsten in Berlin geplant gewesen. Die Rechtsanwälte Ralf Ludwig und Friedemann Däblitz wurden lediglich mit der anwaltlichen Vertretung beauftragt, gegen das Verbot vorzugehen.
Unser Reporter fragte den Juristen, ob es sich dennoch um die gleichen Leute handeln würde, auch wenn die Demos nicht unter dem Namen Querdenken angemeldet waren. „Nein, in keinster Weise. Es waren verschiedene Bürgergruppierungen aus verschiedenen Teilen Deutschlands, die mit Querdenken nichts zu tun haben. Und dann waren es lokale Veranstalter aus Berlin, die auch mit Querdenken nichts zu tun haben, die eher aus dem Linken Spektrum kommen“, erklärte Dr. Christ. Vielmehr handele es sich bei den Anmeldern um Personen, die bereits seit 20 bis 30 Jahren Demos organisieren und so etwas „noch nie erlebt“ haben.
Pauschale Diffamierungen
Seitdem Christ auf die Straße geht, um gegen die Grundrechtseinschränkungen zu demonstrieren, zählt er zu denjenigen, die der pauschalen Diffamierung von „Rechten, Verschwörungstheoretikern, Covidioten“ und anderem zum Opfer fallen. Dass die Gesellschaft weniger miteinander diskutiert, sieht er als Gefahr für die Demokratie.
Als das Epoch Times-Team Dr. Alexander Christ in Berlin interviewt, fährt ein Radfahrer an einer Gruppe von Menschen ohne Maske vorbei und ruft: „Haut ab ihr fucking Corona-Leugner!“
Der Jurist stellt klar: „Das ist eine unzulässige Verkürzung." Weder er, noch die große Masse würden leugnen, dass es das Corona-Virus gibt. „Das sind alles nur Etiketten. Die Leute beschäftigen sich gar nicht mehr mit Details und das ist natürlich eine fatale Entwicklung“, führt Christ aus.
Der Jurist bemängelt, dass die Maßnahmen unverhältnismäßig seien, da nur ein ganz geringer Bruchteil der Bevölkerung von einer schweren Erkrankung betroffen sei. Dafür jedoch den gesamten Rest der Bevölkerung unter eine „grundrechtsfreie Situation“ zu stellen, betrachtet der Jurist als grob unverhältnismäßig.
Da die Regierung oder staatliche Stellen momentan keine Brücken gegen die Spaltung bauen, sieht der Rechtsanwalt die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung. Alle mündigen Bürger müssen ihm zufolge nun irgendwie in einen Diskurs kommen. Man müsse in der Breite der Bevölkerung in einen Austausch kommen, ohne sich von vorgefertigten Meinungen einnehmen zu lassen.
Philosophisch betrachtet findet Christ, dass wir uns in einer Phase der Vereinzelung befinden. So kämpfe jeder Einzelne nur noch für sein Überleben. In Krisenzeiten würde jedoch nur Gemeinsamkeit Zusammenhalt geben, während die Menschen jetzt auseinander gehen und Distanz halten sollen. Das sei genau das Gegenteil von dem, was die Menschen historisch gelernt hätten.
„Das miteinander reden, das miteinander streiten, unterschiedlicher Meinung sein, das Austragen und dann irgendwie zu einer Lösung zu kommen, das ist das Einzige, was eine Gesellschaft weiterbringt“, so Christ.
Sein Austritt aus der SPD
Letztes Jahr war er noch langjähriges Mitglied in der SPD. Er dachte, die Sozialdemokratie würde dafür einstehen, dass alle Gruppierungen in der Gesellschaft die Möglichkeit bekommen, sich zu äußern.
Doch im vergangenen Jahr habe er gesehen, dass die SPD „alles dafür getan hat, die Meinungsfreiheit zu bekämpfen“, sagte Dr. Alexander Christ beim Pfingstspaziergang. Als seine diesbezüglichen E-Mails an über 40 Mitglieder des SPD-Vorstandes gänzlich unbeantwortet blieben, entschied er sich nach über zwei Jahrzehnten die Partei zu verlassen.
Neben Rechtswissenschaften studierte Dr. Alexander Christ Politikwissenschaften, Philosophie und neuere deutsche Literaturwissenschaft. Er ist Familienvater von vier Kindern und seit 1995 Rechtsanwalt mit Kanzlei in Berlin.
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