Viele Absichtserklärungen, wenig Konkretes: Bilanz der Innenministerkonferenz

Straftäter und Gefährder schnell nach Afghanistan oder Syrien abschieben, Maßnahmen gegen illegale Migration forcieren und Frauen besser vor Gewalt schützen – das sind drei der wichtigsten Absichtserklärungen der Innenministerkonferenz (IMK) von Potsdam. Eine Drittstaatenlösung für Asylbewerber ist noch nicht in Sicht.
Angriffe auf Politiker seien auch ein Angriff auf den Staat, sagt Brandenburgs Innenminister und Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK), Michael Stübgen.
Angriffe auf Politiker seien auch ein Angriff auf den Staat, sagt Brandenburgs Innenminister und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen.Foto: Soeren Stache/dpa
Von 21. Juni 2024

Der mit Spannung erwartete Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium für eine leichtere Ausweisung von Schwerkriminellen, Hetzern und Gefährdern lässt weiter auf sich warten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) konnte ihn auch auf der IMK-Abschlusspressekonferenz am Mittag des 21. Juni 2024 nicht vorlegen. Der Entwurf solle aber „in Kürze“ fertig sein, sagte Faeser. Man müsse dafür den aktuellen Regeln zum Aufenthaltsrecht bestimmte Änderungen hinzufügen und auch das Asylrecht anpassen.

Einer Grundgesetzänderung bedürfe es aus ihrer Sicht aber nicht. Speziell für Afghanistan sei auch keine veränderte Sicherheitseinschätzung vom Auswärtigen Amt nötig. Sie stehe in einem „sehr guten Austausch“ mit Ministerin Annalena Baerbock (Grüne) und sei „zuversichtlich, dass wir das hinbekommen“. Im Hintergrund werde weiter verhandelt.

„Für mich stehen deutsche Sicherheitsinteressen ganz klar an erster Stelle“, bekräftigte Faeser erneut. Man habe bereits vier Anhörungen zu dem Thema gehabt, auch von Experten aus dem Ausland. Nun werde man sich zunächst alles genau „angucken und auswerten“. Danach wolle man entscheiden, „wie wir weiter damit vorgehen“, sagte die Chefin des Bundesinnenministeriums (BMI). Einen Zeithorizont nannte sie nicht.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) ergänzte, dass die IMK den Beschluss gefasst habe, das Strafrecht für den Bereich Islamismus anpassen zu wollen. Es gehe dabei um jene, die aggressiv gegen die Grundordnung hetzten oder das Kalifat oder die Scharia einforderten. Einen Prüfauftrag zur Ergänzung einschlägiger Paragrafen im Strafgesetzbuch werde man auf den Weg bringen. Das werde womöglich auch Auswirkungen auf Versammlungen haben.

Europäisches Asylsystem als Schlüssel gegen illegale Migration

Zur Bekämpfung illegaler Migration sei nach wie vor das gemeinsame europäische Asylsystem der Schlüssel, gab sich BMI-Leiterin Faeser überzeugt. Man sei dabei, dieses „möglichst schnell“ vollständig in nationales Recht umzusetzen, erklärte Faeser. Das EU-Asylsystem betreffe insbesondere die Registrierungspflicht, die Durchsetzung von Asylverfahren an den Außengrenzen und die Einhaltung der Dublin-Verträge.

Auch Innensenator Grote hofft auf einen „Paradigmenwechsel“ durch das europäische Asylsystem. Die Innenminister der Länder stünden in der Pflicht, „gemeinsam sehr zügig an der Umsetzung zu arbeiten“. Schon deutlich vor der Herbst-IMK müssten zunächst die Länder einbezogen werden, damit später alles „Hand in Hand“ mit dem Bund „schnellstmöglich“ umgesetzt werden könne.

Drittstaatenlösung für Faeser zweitrangig

Die Idee, Asylverfahren in Drittstaaten abwickeln zu lassen, erklärte Faeser als einen weiteren „Baustein“ der Migrationspolitik. Dabei werde von Deutschland aus der Blick eher in Richtung Albanien gehen als in Richtung Ruanda, sagte Faeser – ohne sich auf Details festlegen zu wollen.

Der bayerische Innenstaatsminister Joachim Hermann (CSU) kündigte an, demnächst persönlich nach Albanien zu reisen, um sich ein Bild über die Lage vor Ort zu machen. Aus seiner Sicht solle das Bundesprogramm für Afghanistan möglichst schnell eingestellt werden.

Es sei auch Aufgabe des Auswärtigen Amtes, eine Neubewertung für die Sicherheitslage in Syrien vorzunehmen, zumal manche Flüchtlinge zum Familienbesuch nach Syrien reisten. Dass die Grünen in der Bundesregierung „das Problem“ seien, sei in der IMK schon länger die vorherrschende Überzeugung, so Hermann.

Schutz vor häuslicher Gewalt

„Alle vier Minuten wird in Deutschland eine Frau Opfer von Gewalt durch ihren Partner oder Expartner“, stellte die BMI-Chefin fest – und dabei handele es sich nur um die bekannten Fälle. Deshalb werde sie sich nun für „mehr Ermittlungen, mehr Hilfe, mehr Wege heraus aus der Gewalt“ einsetzen.

In der IMK sei man sich einig, dass Deutschland verpflichtende „Anti-Gewalt-Trainings“ mit „empfindlichen Sanktionen bei Verweigerung“ benötige. Als Vorbild könne Österreich dienen. Tätern müsse zudem verboten werden, die Wohnung einer betroffenen Frau zu betreten. Auch eine bundesweite, einheitliche Regelung für elektronische Fußfesseln solle es geben. Für Frauen sollen dagegen „forciert“ mehr Anlaufstellen eingerichtet werden. „Ich bin bereits im Austausch mit Justizminister Buschmann“, betonte Faeser.

Sie selbst setze sich seit Langem auch für ein strengeres Waffenrecht ein. Ein Gesetzentwurf dazu liege bereits seit anderthalb Jahren vor. Dieser habe aber noch keine „Kabinettsreife“ erlangt. Grote pflichtete bei, dass es einer Verschärfung bedürfe: Künftige Waffenverbote sollten nicht nur den öffentlichen Raum berücksichtigen, sondern auch Bahnhöfe und Züge.

Bayerns Innenminister Hermann kündigte eine Entscheidung für Messerverbotszonen noch für 2024 an. Einig sei man sich in der IMK auch, dass der Bund seine Ausgaben für Bevölkerungsschutz auf mindestens zehn Milliarden erhöhen müsse.

Mehr Druck auf Internetstraftäter

Wie IMK-Gastgeber Michael Stübgen (CDU), Brandenburgs Innenminister, berichtete, hätten sich alle seine Kollegen darauf verständigt, dass Cybermobbing zum Straftatbestand erklärt werden müsse. Er selbst werde eine entsprechende Prüfbitte an die Justizministerkonferenz stellen.

Die Innenminister hätten sich zudem darauf geeinigt, die Vorratsdatenspeicherung zu ermöglichen. Nach EU-Recht seien solche Regelungen zur Speicherung von IP-Adressen grundsätzlich zulässig. „Das sind wir den Opfern von sexuellem Missbrauch, Hass und Gewalt schuldig“, mahnte Stübgen.

Bürgergeld für Ukrainer soll bleiben

In der Frage, unter welchen Umständen wehrpflichtige Ukrainer in Deutschland ein Recht auf Bürgergeld oder lediglich auf Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz haben sollten, habe man auf der IMK keinen Konsens gefunden, erklärte Hamburgs Innensenator Grote. Ein abermaliger Rechtskreiswechsel würde die Kommunen schwer belasten.

Einig sei man sich aber, dass der Empfang von Arbeitslosengeld auch dazu verpflichte, sich für entsprechende Angebote bereitzuhalten. Man werde und könne von deutscher Seite zwar nicht die Wehrpflicht für Ukrainer durchsetzen, andererseits sei man aber auch nicht verpflichtet, Ersatzpapiere auszustellen. Schließlich besitze die Ukraine selbst ja noch eine funktionierende Verwaltung.

Landkreistag verlangt Aus für „subsidiären Schutz“

Der Landkreistag forderte unterdessen die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, den sogenannten „subsidiären Schutz“ „auf europäischer Ebene nach Möglichkeit“ abzuschaffen. Dieser häufig auch als „internationaler Schutz“ bezeichnete Status wird Personen gewährt, denen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wie etwa Folter oder die Todesstrafe droht. Reinhard Sager (CDU), der Präsident des Landkreistages, sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“:

Die Anstrengungen müssen deutlich intensiviert werden, Personen ohne Aufenthaltsrecht, erst recht natürlich Straftäter, abzuschieben – auch nach Syrien oder Afghanistan.“

Gerade Syrer genössen in Deutschland häufig den „subsidiären Schutz“, so Sager. Damit seien sie keine anerkannten Flüchtlinge. „Es würde die Rückführung dieser Personen erheblich erleichtern, wenn sie lediglich Geduldete wären.“ Sager zeigte sich auch offen dafür, Asylverfahren in sicheren Drittstaaten durchführen zu lassen, wenn diese „menschenwürdig“ abliefen. Auch hier sei der Bund gefragt, „tragfähige vertragliche Absprachen“ zu treffen.

Jene Sachverständige, die die Bundesregierung bisher zu diesem Themenfeld angehört hatte, hatten stets die rechtlichen Hürden in den Vordergrund gestellt, die etwa auf der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Europäischen Menschenrechtskonvention fußten. Sie befürchteten zudem noch höhere Kosten und bezweifelten einen Abschreckungseffekt.

Der Landtag von Brandenburg in Potsdam mit Blick auf das Fortunator und die St.-Nikolaus-Kirche im Hintergrund. Foto: iStock

Unter dem Motto „Bleiberecht statt Abschiebung“ waren am Donnerstagnachmittag, dem UN-Weltflüchtlingstag, Migranten mit Unterstützung von Flüchtlingsaktivisten vom Potsdamer Landtag zum Tagungshotel am Park Sanssouci gezogen. Wie die „Tagesschau“ berichtet, habe eine Aktivistin von rund 300 Demonstranten gesprochen. Sie hätten gegen „Ausgrenzung“ und eine „Politik der Abschottung“ protestiert.

MPK: Drittstaatenlösung nicht in Sicht

Am selben Tag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) während der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) versprochen, bis Dezember für Klarheit zu sorgen, ob und gegebenenfalls wie und wo man Asylverfahren auch außerhalb der EU oder in Transitstaaten etablieren könnte. Schon jetzt sei aber klar, dass Lösungen wie im Fall von Italien/Albanien oder Großbritannien/Ruanda nicht infrage kämen. Kurz zuvor hatten sich 300 Organisationen in einem offenen Brief gegen eine Auslagerung von Asylverfahren ausgesprochen.

Gleichwohl hatte der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) kurz vor der MPK eine „klare Aussage“ der Bundesregierung zur Möglichkeit von Asylverfahren in Transit- oder Drittstaaten verlangt: Die Belastungsgrenze bei Ländern und Kommunen sei längst überschritten. Er forderte den Bund im Namen der Länder zudem auf, mehr für Rückführungsabkommen zu tun. Rhein hatte turnusgemäß den MPK-Vorsitz übernommen.

Einigkeit erzielten die 16 Länderregierungschef nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bereits in der Frage nach einer einheitlichen Bezahlkarte für Asylbewerber. Demnach soll die Karte noch im Sommer kommen und nur noch 50 Euro Bargeld pro Monat zulassen. Zudem soll eine ständige Bund-Länder-Kommission gegen Antiziganismus eingerichtet werden.



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