Volksentscheid in Berlin – wohlwollend finanziert aus den USA

Sollen die Gesetze zu Klimaschutz und Energiewende verschärft werden? Die Berliner sollen in einem Volksentscheid darüber bestimmen. Pikant daran: Über ein Drittel der Gelder, die den Volksentscheid finanzieren, stammt aus den USA.
Titelbild
Die Friedrichstraße in Berlin ist erneut als verkehrsberuhigte Zone nur für Fahrräder zugelassen. Ladenbesitzer sind nicht unbedingt froh darüber.Foto: iStock
Von 15. März 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Genau sechs Wochen nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus sind die Hauptstädter erneut aufgefordert, ihr Votum abzugeben. Am 26. März geht es in einem Volksentscheid um die Verschärfung des Klimaschutz- und Energiewendegesetzes.

Die bereits im August 2021 in einer Novelle des Gesetzes formulierten, nicht bindenden Klimaschutzziele waren der Initiative „Klimaneustart Berlin“ nicht weitreichend genug. Sie sprechen jetzt von „Verpflichtungen“.

Dazu gehört, die „Gesamtsumme der Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2025 um mindestens 70 Prozent und bis zum Jahr 2030 um mindestens 95 Prozent“ im Vergleich zum Jahr 1990 zu verringern. Das gilt auch für alle sonstigen Treibhausgasemissionen.

Damit würde die sogenannte Klimaneutralität um 15 Jahre früher angestrebt, das 70-Prozent-Ziel um fünf Jahre vorgezogen. Wie die Ziele, die einen grundlegenden Umbau der Stadt mit sich führen würden, allerdings in zwei beziehungsweise sieben Jahren erreicht werden sollen, ist unklar.

„Wir wollen niemandem das Auto wegnehmen“

Der vorgelegte Gesetzentwurf schreibt keine konkreten Maßnahmen vor. „So wird Entscheidungsspielraum für die jeweils besten Lösungen vor Ort gelassen“, steht auf der Website des Volksentscheids.

Als Beispiele werden Solar- und Windstrom aus der Region, ein schnellerer Ausbau des ÖPNV, der Austausch von Gas- und Ölheizungen und eine Forcierung der Elektromobilität genannt. Wie mit den rund eine Million Verbrenner-Pkw in Berlin verfahren wird, ist unklar.

Der Schwerpunkt soll jedoch auf öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad gelegt und in der gesamten Stadt Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit eingeführt werden. Eine Pressesprecherin der Initiative dazu laut „Berliner Zeitung“: „Mit dem Volksentscheid wollen wir niemandem das Auto wegnehmen.“

Kostenpunkt: 112 Milliarden Euro

Die Initiative geht davon aus, dass die angestrebten Maßnahmen 112 Milliarden Euro kosten. Vor allem die Bereiche Bau, Energie, Verkehr sind davon betroffen. In den Ausbau des Radwegenetzes sollen 69 Millionen Euro investiert werden. Darüber hinaus sollen mehr als 3.000 elektrobetriebene, klimaneutrale Busse angeschafft werden, für die 58.000 Ladepunkte benötigt werden.

Die Initiative rechnet wohl mit einem Anstieg der Wohnungs- und Energiepreise. Falls Maßnahmen oder Anordnungen zu einer Erhöhung der Nettowarmmiete für Wohnraum führen sollten, werde der Erhöhungsbetrag aus dem Landeshaushalt erstattet, steht in dem Gesetzentwurf.

Und: Berlin strebt dem Gesetz entsprechend nicht mehr eine „sichere, preisgünstige und klimaverträgliche Energieerzeugung und -versorgung“ an, sondern nur noch eine „klimaverträgliche und sichere“, das Wort „preisgünstig“ wurde gestrichen.

475.000 Euro für den Volksentscheid stammen aus den USA

Finanziell ist der Volksentscheid gut ausgestattet. Kampagnen-Sprecherin Jessamine Davis erklärte gegenüber dem rbb, dass für den Volksentscheid und das vorangegangene Volksbegehren insgesamt 1,2 Millionen Euro an Spenden zusammengekommen sind.

Damit hat der Volksentscheid mehr Geld zur Verfügung als die vorangegangenen Volksentscheide. Zum Vergleich: CDU und FDP hatten bei der Wiederholungswahl im Februar ein geringeres Budget von jeweils rund einer Million Euro.

Wie der rbb herausfand, stammen 150.000 Euro aus drei Crowdfunding-Kampagnen. 820.000 Euro wurden von Einzelpersonen und Stiftungen gespendet. Die Spenden fließen beispielsweise in eine stadtweite Plakataktion mit 650 Groß- und 7.000 Kleinplakaten – dazu wurden 300.000 Flyer verteilt.

475.000 Euro überwies das deutsch-amerikanische Investoren-Ehepaar Albert Wenger und Susan Danziger über ihre Familien-Stiftung „Eutopia“. Wenger ist geschäftsführender Partner der Risikokapitalgesellschaft Union Square Ventures. Die New Yorker Firma investiert groß in Klima-Start-ups.

Aus Deutschland stammende Großspenden liegen deutlich darunter: Die Haleakala-Stiftung, deren Gründer Paul Grunow ist, hat 200.000 Euro gespendet, weitere 100.000 Euro stammen vom Berliner Unternehmer Jochen Wermuth.

„Umstellung binnen sieben Jahren unmöglich“

Der Berliner Senat hat sich zwar wie das Abgeordnetenhaus gegen den Volksentscheid ausgesprochen, die Noch-Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) sprach sich jedoch dafür aus. Am 9. Februar begründete sie ihre Haltung im Abgeordnetenhaus: „Die Maßnahmen, die wir bisher haben, und der Weg, auf dem wir sind, reichen nicht, um 2030 klimaneutral zu sein.“ Sie erhofft sich „zusätzlichen Druck“ durch den Volksentscheid. 2045 sei angesichts von „Kipppunkten“ für das Klima zu spät.

Der mögliche zukünftige Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der sich in Verhandlungen mit der SPD befindet, äußerte sich nur vage. Beim Klimaschutz soll es einen „neuen Schub“ geben, zitiert ihn die „Morgenpost“. Er wolle „in den nächsten drei Jahren schnell zu Ergebnissen kommen“.

Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), die nach eigenen Angaben für 60 Mitgliedsverbände „aus allen wichtigen Branchen“ sprechen, sehen den Volksentscheid kritisch. UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck hält es für „unredlich“, „den Berlinerinnen und Berlinern vorzugaukeln, die Hauptstadt könne bis 2030 klimaneutral werden“. Das Ziel sei „nicht erreichbar“, eine „Umstellung binnen sieben Jahren unmöglich“. Es sei „niemandem damit gedient, ein objektiv unrealistisches Ziel wie die Klimaneutralität 2030 gesetzlich festzulegen“.

Berlins Primärenergie stamme heute zu über 90 Prozent aus fossilen Quellen. Eine Umstellung auf grüne Energie binnen sieben Jahren sei unmöglich, erklärte der Hauptgeschäftsführer.

„Allein die energetische Sanierung aller Berliner Immobilien würde 100 Milliarden Euro kosten. Hinzu kämen die klimaneutrale Umrüstung von Wärmeversorgung und Stromerzeugung, die Dekarbonisierung der Industrie und die vollständige Umstellung des Verkehrs auf Elektromobilität.“ Grob geschätzt gehe es um Investitionen von mehreren Hundert Milliarden Euro. Keine vergleichbare Großstadt in Europa halte die Klimaneutralität bis 2030 für machbar.

Damit der Volksentscheid angenommen wird, muss ein Quorum von 608.000 Stimmen erreicht werden – also ein Viertel der Stimmberechtigten. Wenn dies der Fall ist, geht der Gesetzentwurf nicht mehr ins Parlament, sondern tritt umgehend in Kraft.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion