„Verschwörungstheorien Haus und Tor geöffnet“: Kritik an SPD-Chefermittler in Laptop-Affäre

Über mehrere Tage hinweg gab es in Hamburg Wirbel um den Verbleib von Laptops mit möglicherweise sensiblen Daten zur Cum-Ex-Affäre. SPD-Chefermittler Jänicke wurde der Entwendung bezichtigt. Mittlerweile sind die Geräte wieder im Tresor.
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Die kurzzeitig aus dem Tresorraum verschwundenen Laptops für den Hamburger U-Ausschuss in Sachen Cum-Ex sind wieder an ihrem Platz. Patrick Lux/Getty Images
Von 4. November 2023

Nach Tagen des Rätselratens um deren Verbleib sind zwei vermisste Laptops für den Cum-Ex-Ausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wieder aufgetaucht. Dem der SPD zugehörigen Chefermittler Steffen Jänicke wurde vorgeworfen, die Geräte aus dem dafür bestimmten Tresor entwendet zu haben. Auf diesen sollen sich mehr als 700.000 E-Mails befunden haben. Auch solche, von denen der Ausschuss sich Erkenntnisse über die Rolle des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz in der Steueraffäre erhofft.

Petersen: Laptop-Affäre ist „Sturm im Wasserglas“

Wie der BR mitteilt, sind die Laptops seit Freitag, 3. November, wieder im vorgesehenen Safe für vertrauliche Unterlagen, die für den U-Ausschuss bestimmt sind. Dies hat Jänicke in einer Sitzung der Obleute erklärt, wie CDU-Obmann Richard Seelmaecker gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) angab.

Jänicke hat demnach eine Verwahrung der Laptops in „sicheren Räumen“ veranlasst. Der Vorsitzende des U-Ausschusses, Mathias Petersen (SPD), äußerte sich auch zum Grund für die Verbringung. Der Chefermittler habe klären wollen, wie mit Nachrichten auf dem Gerät zu verfahren sei, die keinen Bezug zu Cum-Ex hätten.

Petersen sagte auch, dass dies den Obleuten zwei Wochen im Vorfeld bereits angekündigt worden sei. Die Aufregung der vergangenen Tage bezeichnete der Ausschussvorsitzende als „Sturm im Wasserglas“. Dabei geäußerte Verdächtigungen gegen Jänicke seien „völliger Blödsinn“.

Nur ausgewählte Personen haben Zugang

Die Nichtverfügbarkeit der Geräte hatte in den vergangenen Tagen für Irritationen in Medien und Opposition gesorgt. Immerhin besagen die Regeln des Ausschusses genau, wo Akten und sonstige Unterlagen aufzubewahren seien. Die Verwahrung hat demnach „in vom Arbeitsstab zu bestimmenden Akten- und Leseräumen im jeweiligen Gebäude“ zu erfolgen.

Zudem haben nur ausgewählte Mitarbeiter des Arbeitsstabes überhaupt Zugang zu dem dafür bestimmten begehbaren Tresorraum. Dies wirft aus Sicht der Opposition Fragen darüber auf, welche Notwendigkeit für eine temporäre Aufbewahrung außerhalb dieser Örtlichkeiten bestanden hätte.

Die Laptops waren zuvor im Besitz der Kölner Staatsanwaltschaft, die diese im Zuge der Cum-Ex-Ermittlungen beschlagnahmt hatte. Es sollen sich unter anderem E-Mails von Scholz-Büroleiterin Jeanette Schwammberger, Hamburgs amtierendem Bürgermeister Peter Tschentscher und mehreren Spitzenbeamten darauf befinden. Das Justizministerium von NRW hatte lange Zeit Bedenken gegen eine Übermittlung an den Hamburger U-Ausschuss geltend gemacht.

Aufzeichnungen über Warburg-Gespräche auf den Laptops?

Der Untersuchungsausschuss verspricht sich von der Auswertung des Inhalts der E-Mails auf den Laptops vor allem Klarheit über Angaben von Kanzler Scholz. In seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg soll er Gespräche mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Warburg-Bank, Christian Olearius, geführt haben.

Olearius steht seit September im Zusammenhang mit dem vom Bundesgerichtshof (BGH) als illegal eingestuften Steuersparmodell vor Gericht. Unter dem Begriff „Cum-Ex“ bestand eine Praxis des Dividendenstrippings, in das auch die Warburg-Bank involviert war.

Eine strafrechtliche Mitverantwortung von Scholz bezüglich des Gebarens der Warburg-Bank scheidet aus. E-Mails des heutigen Kanzlers wurden in diesem Kontext bereits von der Kölner Staatsanwaltschaft ausgewertet. Allerdings hatte der Kanzler bei mehreren Gelegenheiten unterschiedliche Angaben zu der Frage gemacht, wie häufig es Termine mit Warburg-Vertretern gegeben habe. Teilweise machte er auch Erinnerungslücken geltend. Deshalb steht der Vorwurf unzutreffender Angaben vor einem Untersuchungsausschuss im Raum.

Fragen um fehlenden Kalendereintrag bleiben offen

Von besonderer Brisanz ist diese Frage deshalb, weil der Hamburger Senat dem Bankhaus im November 2016 eine Steuerschuld von 47 Millionen Euro erlassen hatte. Im darauffolgenden Jahr entschloss sich die Finanzverwaltung der Freien und Hansestadt erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums zu einer Eintreibung. Im Jahr 2017 ging es um 43 Millionen Euro. Die Höhe der Verbindlichkeiten stand in ursächlichem Zusammenhang mit der Cum-Ex-Affäre.

Kritiker argwöhnen, Scholz könnte als Erster Bürgermeister seine schützende Hand über Warburg gehalten haben. Dieser wies dies stets zurück. Bezüglich eines Treffens mit Olearius im November 2017 erklärte Scholz, er habe dessen Stattfinden aufgrund von Aufzeichnungen in seinem Kalender rekonstruieren können.

Auch sein Sprecher Steffen Hebestreit bestätigte ein solches Treffen und verwies auf den Kalender. Vor einigen Monaten tauchten jedoch Nachrichten von Büroleiterin Schwammberger auf, wonach ein solcher Eintrag dort nicht zu finden sei. Später hieß es, der Terminkalender des Bundesfinanzministeriums könne aufgrund eines „IT-Problems“ unvollständig sein.

CSU spricht von „Vertuschung von Beweisen“

Ob die E-Mails auf den kurzfristig nicht verfügbaren Laptops in dieser Sache Klarheit bringen können, ist ungewiss. Dennoch gibt es scharfe Kritik der Opposition an der zeitweiligen Entfernung der Geräte aus dem Tresor für den U-Ausschuss.

Der Chef der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, zeigte sich gegenüber dem „Stern“ am Freitag „höchst verwundert“ über diesen Umgang mit sensiblen Daten. CSU-Generalsekretär Martin Huber spricht von einem „historischen Skandal“. Er wirft Jänicke Vertuschung und Verschwindenlassen von Beweisen vor. An dessen Stelle forderte er einen „echten, unabhängigen Sonderermittler, der Licht ins Dunkel bringt“.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Markus Herbrand, wirft Jänicke Intransparenz vor. Er erklärte gegenüber dem „Focus“:

Die Entfernung der Laptops aus den gesicherten Archivräumen wirft unangenehme Fragen auf.“

Es sei „unverständlich, warum sich die für die Entfernung der Laptops Verantwortlichen selbst in eine derartige Bredouille bringen und Verschwörungstheorien Haus und Tor öffnen“. Man brauche „wenig Fantasie, um die dementsprechenden künftigen Vorwürfe der Opposition im Untersuchungsausschuss vorherzusehen“.

(Mit Material der dpa)



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