Todesfall bei Corona-Spaziergang nach Polizeimaßnahme hatte keine Konsequenzen
Der Corona-Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag am Montag, 11. März, behandelte den Umgang der brandenburgischen Polizei mit Versammlungen und „Spaziergängen“, die gegen die Corona-Maßnahmen gerichtet waren.
Dabei ging es auch um den konkreten Fall des Musikers Boris Pfeiffer (†53). Das ehemalige Mitglied der Mittelalter-Rockband „In Extremo“ verstarb am Rande eines Corona-Spaziergangs am 24. Januar 2022 in Wandlitz (nördlich von Berlin) kurz nach einer polizeilichen Maßnahme.
Laut der Polizei Brandenburg habe Pfeiffer versucht, nachdem die nicht angemeldete Demonstration aufgelöst wurde, eine Polizeikette zu durchbrechen. Er konnte jedoch durch den „Einsatz einfacher körperlicher Gewalt“, inklusive „Wegdrückens“, daran gehindert werden. Die Beamten hätten dann seine Personalien zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aufgenommen, weil der Musiker sich zuvor „nicht unverzüglich von einer aufgelösten Versammlung entfernt„ habe.
Anschließend brach Pfeiffer auf dem Weg zu seinem Auto zusammen. Trotz „sofort erfolgter Ersthelfermaßnahmen durch hinzueilende Polizeikräfte“ verstarb er später im Krankenhaus, so die Polizei.
Die offizielle Obduktion ergab, dass der 53-Jährige an einer natürlichen Todesursache verstarb – Medien berichteten von einer Herzmuskelentzündung, konkret einem „rezidivierenden Herzmuskelinfarkt“. Die Polizei stellte abschließend fest, dass „keine unverhältnismäßige Gewalt“ eingesetzt worden sei.
Fall Pfeiffer hatte keine Konsequenzen
Die AfD-Fraktion im Untersuchungsausschuss wollte wissen, wie die Einsatzplanung vor dem damaligen Corona-Spaziergang in Wandlitz aussah. Der geladene Leiter der Polizeidirektion Ost, Mike Toppel, sagte, er wisse nicht, wie der regionale Einsatzleiter damals den Einsatz plante.
„Den werden wir also noch mal hören müssen„, so Ausschussmitglied Lars Hünich. „Denn es gab offenbar keinerlei Konsequenzen für die Polizeibeamten damals und keinerlei Maßnahmen, die danach bei allen anderen Spaziergängen Anwendung fanden“, so der AfD-Politiker weiter.
Hünich sagte der Epoch Times, dass ihm von Teilnehmern geschildert wurde, dass der Spaziergang damals 300 Meter lang gewesen sei. Pfeiffer soll sich mit seiner Frau am Ende befunden haben. Der AfD-Abgeordneter zitierte Pfeiffers Frau, dass sie nicht gehört hätten, dass die Versammlung aufgelöst worden sei. Als sie es dann bemerkten, wollten sie sich vom Demonstrationszug entfernen. Daran seien sie aber von der Polizei gehindert worden. Der Musiker sei kurz darauf umgefallen und liegen geblieben – eine Viertelstunde ohne erste Hilfe zu erhalten, so der Vorwurf von Hünich.
Aus der Versammlung heraus solle sich sofort eine Krankenschwester zu erkennen gegeben haben, die anbot zu helfen, so der AfD-Abgeordnete. Trotzdem sei Pfeiffer auf dem Boden liegen gelassen worden mit der Begründung, man warte auf den Notarzt. Hünich beabsichtigt daher, den damaligen Einsatzleiter als Zeuge vorzuladen und dem Verdacht auf unterlassene Hilfeleistung nachzugehen.
Toppel ist der Fall Pfeiffer bekannt: „Ja, der Einsatz ist nachbereitet worden, es gab jedoch keine Erkenntnisse, die Auswirkungen auf spätere Einsätze hatten.„
Keine Unterwanderung von Extremisten
Der AfD-Abgeordnete Hünich fragte den Polizeidirektor auch, ob es eine politische Einordnung gegenüber den maßnahmenkritischen Versammlungen und Spaziergängen gab und dementsprechende Anweisung, wie man mit ihnen umzugehen habe.
„Heute noch werden Corona-Maßrahmenkritiker als Querdenker und Corona-Leugner diffamiert und als rechtsextrem bezeichnet“, bemerkt der Landespolitiker.
Toppel erklärte im Untersuchungsausschuss, dass er zur politischen Einstellung der Demonstranten und wie sich die Versammlungen zusammensetzten, nichts sagen könne. Ihm seien keine gewalttätigen Corona-Demonstrationen aus dem Bereich der Direktion Ost in seiner Zeit als Leiter während der Corona-Krise bekannt. Sie wurden keinem politischen oder extremistischen Phänomenbereich zugeordnet. Auch sei ihm nicht bekannt, dass die Corona-Proteste von Extremisten unterwandert worden wären.
Hünich erschien die Aussage „merkwürdig“: „Wir haben jetzt alle vier Polizeidirektionsleiter Brandenburgs angehört. Alle haben gesagt, es gab keine politische Einordnung der Corona-maßnahmenkritischen Versammlungen und Spaziergänge. Der Präsident des brandenburgischen Verfassungsschutzes erklärte damals jedoch, das sind alles Rechtsextreme.„
So erklärte der brandenburgische Verfassungsschutzpräsident Jörg Müller (parteilos) im Dezember 2021 in der Sendung „rbb24 Brandenburg aktuell“, dass er besorgt sei über den vermehrten Zulauf zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und dass bekannte Rechtsextremisten diese Demos nutzen oder organisieren würden. Ihr Ziel sei es, ihre Themen anschlussfähig zu machen und besorgte Menschen auf die Straße zu bringen, um gegen die Demokratie vorzugehen.
„Sie lehnen unser demokratisches Staatswesen ab“
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte noch im August 2020: Rechtsextremisten sei es nicht gelungen, die „Hoheit über das Demonstrationsgeschehen zu bekommen.„
Später sah er jedoch unter den Kritikern der Corona-Maßnahmen eine neue Szene von Staatsfeinden. Diese ließen sich den bisherigen Kategorien wie Rechts- oder Linksextremismus nicht mehr eindeutig zuordnen, so Haldenwang zur FAZ im Januar 2022. Sie verbinde keine ideologische Klammer, sondern die Ablehnung und die „Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten“.
Laut Polizeidirektor Toppel seien die Corona-Demos und Spaziergänge friedlich abgelaufen, abgesehen von einzelnen Vorfällen. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und gegen die Infektionsschutzverordnung seien die häufigsten Delikte gewesen. Die Corona-Spaziergänge seien jedoch zumeist nicht angemeldet gewesen.
Maskenatteste habe man nicht überprüft, sondern akzeptiert, es sei denn, man erkannte eine offensichtliche Fälschung. Alle Maskenatteste seien an die Gesundheitsbehörden weitergemeldet worden.
Keine konkreten Anweisungen zu Corona-Demos
Der Polizeibeamte erklärte, dass auch nachdem der Bundesverfassungsschutz den neuen Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ im April 2021 eingeführt habe, es keine entsprechenden Abwägungen gegeben habe.
Toppel sagte aus, dass es keine konkreten Anweisungen gegeben habe, wie man mit Versammlungen gegen die Corona-Politik umzugehen und es auch keine vorgeschriebenen Eingreifschwellen gegeben habe. Stattdessen hinge dies immer von der Lage vor Ort ab.
Für Hünich besteht hier ein Widerspruch: „Wir kennen Zeugen [Polizisten], die etwas anderes sagen.„ Man sei jetzt noch nicht an dem Punkt, wo man diese Zeugen laden könne.
Im Zeugenstand erklärt Toppel: Spaziergänge seien generell als Versammlung bewertet und geschützt worden, auch wenn die Suche nach einem Versammlungsleiter erfolglos geblieben sei. „Das war ein Grundsatz.“
Hünich stellt die Glaubhaftigkeit der Aussagen von Toppel infrage: Er glaube, dass die Polizei die Lage vorher schon einschätzte und es konkrete Anweisungen gegeben habe. Er wies auf den Brief des Generalstaatsanwalts hin.
Brandenburgs Generalstaatsanwalt Andreas Behm hatte Ende 2021 in einem Brief die Staatsanwaltschaften des Landes aufgefordert, Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die Corona-Politik nachdrücklich zu verfolgen. Dabei handele es sich um Vergehen wie Übergriffe auf Polizeibeamte und Journalisten oder Versammlungen vor Krankenhäusern. Behm verwies auf die Möglichkeit beschleunigter Verfahren – „damit die Strafe auf dem Fuße folgt“, wie er sagte.
„Da gab es schon sehr restriktive Forderungen„, weil für den Generalstaatsanwalt „alles Rechte wären“, so Hünich.
Menschen sind durch Polizisten zu Schaden gekommen„, so Hünich.
In einem Fall in Oberhavel habe man ein älteres Ehepaar, von denen eine Person 76 Jahren alt gewesen sei, aus dem Auto gezerrt und auf die Straße geschmissen, so Hünich. Polizisten erklärten dem AfD-Politiker zudem, dass ein Einsatzbefehl für eine Demonstration immer Angaben zur politischen Einordnung enthalte. „In den Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss wurde das immer verneint,„ so Hünich.
„Remonstranten wurden sofort kaltgestellt“
Polizeidirektor Toppel erklärte bei der Befragung, dass ihm keine Remonstrationen in seinem Bereich bekannt seien. Auch die drei anderen Leiter der Polizeidirektionen in Brandenburg sagten dies in vorherigen Ausschusssitzungen aus. Für deutsche Beamte gilt eine Remonstrationspflicht, wenn diese eine Weisung als möglicherweise rechtswidrig empfinden.
Laut Hünich lägen jedoch mehrere Meldungen zu Remonstrationen als auch zu Beratungen nach Paragraf 36 des Beamtenstatusgesetzes von Polizisten vor. Die Beratung ist die Vorstufe zur Remonstration.
„Was wir gehört haben, ist, dass die, die remonstriert haben, sofort kaltgestellt wurden. Und das ist dann eben komplett anders, als es der Gesetzgeber angedacht hat“, beklagte Hünich.
Die Remonstrationspflicht sei aufgrund der Erfahrungen der NS- und DDR-Zeit entstanden, so der Brandenburger weiter. „Der Beamte muss die Möglichkeit haben, ohne Strafe Stopp sagen zu können.„ Jeder, der sich bei ihm gemeldete habe, sei entweder versetzt worden oder arbeite heute nicht mehr bei der Polizei. „Das darf nicht sein“, so Hünich.
Keine Schulung zum Tragen einer Maske
Überrascht zeigt sich der AfD-Fraktionsvorsitzende und Arzt Dr. Hans-Christoph Berndt, der auch Ausschussmitglied ist, über die Reaktion des Direktionschefs Toppel auf seine Frage. Berndt wollte wissen, ob die Polizisten der Direktion Ost in dem korrekten Tragen von Masken eingewiesen wurden. „Es ist mir nicht bekannt, dass zum Tragen einer Maske eine Schulung notwendig war„, antwortete Toppel.
Zum Thema Maskentragen erklärte das Robert Koch-Institut in seinem Bulletin vom Juni 2021: „Eine wesentliche Voraussetzung für den schützenden Effekt ist neben dem eigentlichen Tragen der Maske auch deren korrekte Anwendung.„
Hünich hält Toppels Aussage für bedenklich: „Polizisten, die auf Demonstrationen die Menschen anwiesen, Maske zu tragen, haben selber keine Ahnung, wie man eine Maske richtig trägt.„
Zeugenbeistand aus dem Inneministerium
Kritisch sieht der Landtagsabgeordnete der zweitstärksten Fraktion in Brandenburg auch, dass alle als Zeugen befragten Polizeidirektoren den selben Zeugenbeistand aus den Innenministerium hatten – Nico Neuendorf, Referatsleiter für polizeiliche Strategie im brandenburgischen Innenministerium. Wie in allen anderen Bundesländern auch untersteht die brandenburgische Landespolizei dem Innenministerium.
Eines der Ziele der Zeugenbefragung sei es, Widersprüche und Ungereimtheiten aufzudecken, so Hünich. Mehrfach griff Neuendorf bei der Befragung von Toppel ein, woraufhin dieser seine Aussage änderte.
Der Volksvertreter hält dies für problematisch. Er glaubt, dass so die „fast identischen Aussagen“ zustande kämen: „Neuendorf hat die Zeugen beraten und wird ihnen gesagt haben: ‚Das kannst du so nicht sagen.‘“
So verneinten alle Polizeidirektoren, das „Corona-Angstpapier“ des Bundesinnenministeriums zu kennen. Keiner von ihnen hatte von der Dissertationsarbeit eines brandenburgischen Polizeibeamten zum Thema Remonstrationsrecht und -pflicht gehört. Und drei von vier kannten nicht den Bericht vom damaligen UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, zu Polizeigewalt in Berlin bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik.
Der Ausschussvorsitzende Danny Eichelbaum (CDU) hätte laut Paragraf 17 Untersuchungsausschussgesetz die Möglichkeit, „einen Zeugenbeistand von der Vernehmung auszuschließen, wenn der Beistand die Teilnahme an der Vernehmung missbraucht, um eine geordnete Beweiserhebung zu erschweren oder zu verhindern“.
Eichelbaum fiel in der Ausschusssitzung durch eine restriktive Sitzungsführung auf und unterbrach Zeugen, die bereits am Antworten waren. Häufig äußerte er dabei, dass der Zeuge nicht zu dieser Frage antworten bräuchte, da dies eine Wiederholungsfrage sei oder sie nicht vom Beweisbeschluss gedeckt sei oder nichts mit der Fragestellung des Untersuchungsausschusses zu tun habe.
Am Freitag, 15. März, ist die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses für diese Legislaturperiode. Dabei wird Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) befragt.
Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 13. März 2024 aktualisiert. Jörg Müller ist seit Februar 2020 der Verfassungsschutzpräsident von Brandenburg.
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