Migrationsforscher hält EU-Grenzkontrollen für nutzlos
Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält die Einführung von Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen zur Eindämmung der illegalen Migration für nutzlos. „Migranten lassen sich so nicht von Grenzübertritten abhalten. Sie werden es immer wieder versuchen, denn sie bleiben ja in der EU“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigten temporären stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien seien „im besten Fall ein Placebo“.
Bislang seien alle Binnenkontrollkonzepte in der EU gescheitert, sagte der Soziologe, der den Thinktank Europäische Stabilitätsinitiative leitet. „Sie reduzieren keine Asylanträge. Wir brauchen eine andere Politik, die dazu führt, dass grundsätzlich weniger Menschen irregulär in die EU kommen.“
Der österreichische Soziologe und Migrationsforscher Gerald Knaus hat die Europäische Stabilitätsinitiative ESI mitgegründet, eine Denkfabrik mit Sitz in Berlin und Büros in mehreren Städten Europas. Schwerpunkt der Arbeit der ESI waren zunächst die Länder Südosteuropas. Inzwischen ist sie vor allem für Konzepte in der Migrationspolitik bekannt.
Sind schnelle Rückführungen von Migranten möglich?
Die angedachte Reform des EU-Asylsystems löse die Probleme der Migration allerdings nicht. „Fortschritte in der Politik der EU sehe ich nirgends“, sagte er der „RP“. „Nach Italien kommen 2023 mehr Menschen in Booten als 2022, und es sterben auch mehr.“ Es gebe keine Strategie, die illegale Migration im Mittelmeer zu begrenzen und zugleich keine Durchsetzung von EU-Recht, weshalb ein Großteil der Asylantragsteller nach Deutschland und Österreich komme.
Die EU, Deutschland, aber auch Polen, Tschechien oder Zypern haben im vergangenen Jahr mehr Flüchtlinge aufgenommen als in jedem anderen Jahr seit 1949, auch mehr als 2015. Die meisten kamen aus der Ukraine. Das Scheitern der EU liege aber darin, dass es ihr trotzdem nicht gelingt, zu zeigen, wie humane Kontrolle an ihren Außengrenzen funktionieren kann.
„Wenn wir ohne Gewalt erreichen wollen, dass weniger Menschen in Boote steigen, geht das nur durch schnelle Rückführungen in sichere Staaten“, schlug der Soziologe vor.
Als ersten Schritt schlägt Knaus Verhandlungen mit den Herkunftsstaaten oder sicheren Drittstaaten vor. „In diesen Staaten müssten glaubwürdige Verfahren durch den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) stattfinden. Das gibt es bereits heute in Ruanda, wo der UNHCR seit vier Jahren Verfahren für Menschen durchführt, die aus Libyen dorthin gebracht werden.“
Weitere sichere Herkunftsstaaten
Diesen Staaten müssten Angebote gemacht werden, die für sie attraktiv seien. Sie müssten Anreize bekommen, „sichere Staaten“ sein zu wollen. „Das können mehr Mobilität und erleichterte EU-Visa für die Bürger dieser Länder sein, erleichterte Zugänge zum Arbeitsmarkt in EU-Staaten, die Arbeitskräfte suchen, die reguläre Aufnahme von Flüchtlingen und finanzielle Unterstützung.“
Dass das Konzept der sicheren Drittstaaten an sich bereits problematisch ist, gestand auch Knaus ein. „Kritiker sagen zu Recht, dass es derzeit keinen sicheren Drittstaat in Afrika gibt.“ Aber zu sagen, das lasse sich auch nicht ändern und deshalb müssen eben alle Schutzsuchenden nach Deutschland oder Frankreich kommen, „ist absurd defätistisch“.
Als weitere mögliche sichere Herkunftsstaaten nannte der Experte Georgien und Moldau. Diese Länder seien bereit, bei Rückführungen zu kooperieren. „Moldawien und Georgien haben ein großes Interesse daran, da sie EU-Mitglieder werden wollen und ihre Bürger ohne Visum in die EU reisen können. Das möchten sie beibehalten. Der Dreh- und Angelpunkt sind immer gemeinsame Interessen mit solchen Staaten“, sagte Knaus.
Warum viele Migranten nach Mitteleuropa strömen
Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei vom 18. März 2016 geht auf Knaus zurück. Derzeit sieht er im Osten Europas folgende Situation: „In Griechenland steigt die Zahl irregulärer Migranten seit drei Monaten schnell“, weil die Pushbacks von den griechischen Inseln zurück in die Türkei und in der Ägäis reduziert wurden.
Dementsprechend ziehen diese Menschen weiter, wobei in Ungarn, Kroatien und auf dem Balkan faktisch keine Asylanträge gestellt werden können. „Das führt zu dem großen Andrang in Deutschland, Österreich oder auch Frankreich“, so Knaus.
(Mit Material von AFP)
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