Massiver Engpass im Stromnetz: Eine Stadt zieht die Notbremse
Immer mehr Einwohner, mehr Wärmepumpen und Wallboxen zur Aufladung von immer mehr E-Autos. Das zehrt an den Stromkapazitäten Deutschlands. Mit Oranienburg nördlich von Berlin, bekannt durch das KZ-Sachsenhausen, schlägt jetzt die erste Stadt Alarm – und wird vorerst keine neuen Netzanschlüsse mehr durchführen.
Die Stadtwerke von Oranienburg (Brandenburg) sind zuständig für die lokalen Neuanschlüsse und elektrischen Erweiterungen ans lokale Stromnetz. Auf deren Website ist seit Kurzem jedoch ein roter Warnhinweis angezeigt. Darin heißt es:
Bis auf Weiteres können wir Netzanschlussvorhaben und Leistungserhöhungen mangels ausreichender Kapazität in unserem Stromnetz nicht realisieren.“
Umspannwerk ist zu klein
In einer Mitteilung vom Mittwoch, 10. April 2024, informieren die Stadtwerke Oranienburg über die wichtigsten Maßnahmen, die das Unternehmen beschlossen hat. So werden die Stadtwerke ab sofort Anmeldungen von Hausanschlüssen vorübergehend nicht mehr genehmigen. Ebenso kann der Netzbetreiber des vorgelagerten Hochspannungsnetzes keine zusätzliche Leistung mehr zur Verfügung stellen. Die Stadtwerke haben die Bundesnetzagentur bereits am Montag über den Engpass in Kenntnis gesetzt. Peter Grabowsky, Geschäftsführer der Stadtwerke, sagte:
Die Versorgungsmöglichkeiten in der Stadt Oranienburg sind ausgeschöpft.“
Das grundlegende Problem ist ein Knotenpunkt im Stromnetz: das lokale Umspannwerk. Die aktuelle Stromnachfrage treibt es inzwischen an seine Grenzen der Belastbarkeit. Schon vor über einem Jahr hätten die Stadtwerke größere Kapazitäten vom regionalen Hochspannungsnetzbetreiber E.DIS Netz GmbH angefordert. Bis heute habe dieser das Umspannwerk noch nicht aufgerüstet. Somit dürfte hier ein gravierendes Fallbeispiel des hinterherhinkenden Netzausbaus in Deutschland vorliegen.
Von dem Anschlussstopp sind derzeit die Versorgungsgebiete der Oranienburger Kernstadt sowie der Ortsteil Sachsenhausen betroffen. Insbesondere sind Neuanschlüsse für elektrisch betriebene Wärmepumpen und der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität untersagt. Aber auch neue Gewerbe- und Industrieflächen schließt das Unternehmen momentan nicht ans Netz an. Bestehende Verträge sind aber nicht von den Maßnahmen betroffen.
Grabowsky teilte mit, dass die Stadtwerke mit E.DIS Netz „mit Hochdruck an einer Zwischenlösung arbeiten, um den Engpass zu beseitigen, bis der Neubau des Umspannwerks […] in Betrieb gehen kann“.
Rasantes Wachstum
„Der Strombedarf unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde“, sagte Bürgermeister Alexander Laesicke. Doch die höhere Nachfrage nach Wärmepumpen und E-Autos sind nicht das Einzige, was ein größeres Umspannwerk erfordert. Oranienburg liegt nur wenige Kilometer im sogenannten Speckgürtel der Hauptstadt. Es ist ein attraktiver Wohnort für Pendler, die in Berlin ihren Arbeitsplatz haben.
In den vergangenen Jahren sind immer mehr Menschen nach Oranienburg gezogen, die Stadt ist rasant gewachsen. Laut der Statistik Berlin-Brandenburg lebten dort im Jahr 1990 37.111 Menschen. 30 Jahre später, im Jahr 2020 waren es bereits knapp 45.500 Einwohner. Danach zog das Wachstum noch stärker an. Weitere zwei Jahre später hatte die Stadt dann bereits 47.752 Einwohner – Tendenz weiter stark ansteigend.
Die Stadt im Landkreis Oberhavel hat sich zu Jahresbeginn noch vorgenommen, Kurs auf die 50.000er-Marke zu nehmen, wie rbb berichtet. Von der Maßnahme der Stadtwerke ist nun auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Woba betroffen. Sie muss jetzt ihre Pläne vorerst pausieren. Für insgesamt rund 70 Millionen Euro hat sie begonnen, die ersten von insgesamt fast 200 Wohnungen zu bauen.
Diese bekommen allerdings mit sofortiger Wirkung keinen Netzanschluss – und das wohl noch für die nächsten mindestens 2,5 Jahre. Denn die Stadtwerke verkündeten in ihrer Mitteilung weiter, dass das neue, eigene Umspannwerk „voraussichtlich Ende 2026 den Betrieb aufnehmen wird“. Dieses soll deutlich mehr Strom aus dem Hochspannungsnetz aufnehmen können. Die ersten Gelder seien auch schon bereitgestellt. Am Montag haben die politischen Vertreter der Stadt dafür mit ihrem Haushaltsbeschluss für das laufende Jahr 13,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Die Gesamtkosten belaufen sich laut Schätzungen aber auf rund 35 Millionen Euro plus Bau- und Nebenkosten, wie die „Märkische Allgemeine“ berichtet. Bis zur endgültigen Fertigstellung des neuen Umspannwerks könnte es allerdings noch vier bis fünf Jahre dauern.
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