Landwirtschaft: Zehn Höfe schließen pro Tag – besonders kleine Betriebe betroffen

Der neue agrarpolitische Bericht 2023 offenbart, dass es immer weniger landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland gibt. Besonders kleinere Höfe sind von dem Rückgang betroffen.
Zehn Höfe schließen pro Tag – Besonders kleine Betriebe betroffen
Viele kleinere landwirtschaftlichen Betriebe haben Schwierigkeiten, nicht nur mit der Europäischen Agrarpolitik.Foto: iStock
Von 14. November 2023

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Zwischen 2010 und 2020 gaben 36.100 Betriebe auf, die Anzahl sank auf 262.800. Das entspricht durchschnittlich zehn Betrieben täglich – verbunden mit dem Verlust jedes siebten Arbeitsplatzes der Branche.

Das geht aus dem neuen agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung hervor, den diese am Mittwoch, 8. November, veröffentlicht hatte.

Nur große Betriebe legen zu

Auffällig ist, dass sehr große Betriebe von dieser Entwicklung nicht betroffen sind, wie das „Bundesinformationszentrum Landwirtschaft“ informiert. Ihre Zahl ist gestiegen. Besonders stark war diese Zunahme in der Größenklasse der Betriebe mit einer landwirtschaftlichen Fläche zwischen 200 und 500 Hektar. Diese konnten seit 2010 um 29 Prozent zulegen.

Derart große Betriebe sind in Deutschland eher selten. Ihre Anzahl liegt bei rund 9.300. Knapp 86 Prozent der Höfe in Deutschland bewirtschaften eine Fläche von maximal 100 Hektar. Im Durchschnitt besitzt ein landwirtschaftlicher Betrieb hierzulande eine Fläche von rund 63 Hektar.

Überwiegend mussten kleinere Höfe ihren Betrieb einstellen. Ein Rückgang – meist im zweistelligen Prozentbereich – fand in allen Größenordnungen bis 100 Hektar statt. Mit 21 Prozent steht das größte Minus bei den Höfen, die weniger als fünf Hektar bewirtschaften.

Wie „Euractiv“ berichtet, bemüht sich Deutschland darum, die kleineren Höfe zu unterstützen. Dazu nutze es in der aktuellen Förderperiode der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) den von der EU eingeräumten Spielraum für die Umverteilung der Subventionen von großen hin zu kleinen und mittleren Betrieben aus.

Viele, gerade kleinere Landwirte, sehen die GAP kritisch. So sagte etwa der Landwirt Frank Spörner im Interview mit Epoch Times:

Nicht alle Veränderungen sind zum Guten. Das meiste, was in der letzten Zeit gesetzlich festgelegt wurde, ist leider zum Schlechten. Die Praxis zeigt das. Ich habe mehrere 100 Kunden und sehe das nicht nur an meinem eigenen Betrieb, sondern bekomme das auch als Rückmeldung von meinen Bauern.“

Der Landwirt betreibt in Rothenburg ob der Tauber (Bayern) auf 70 Hektar Ackerbau für Wintergetreide, Mais, Raps sowie Futterpflanzen.

Geringerer Fleischverzehr wirkt sich aus

Maßgeblich betroffen gewesen ist laut dem Regierungsbericht die Tierhaltung. Allein die Zahl der Schweine haltenden Betriebe hat sich in dem Zeitraum von rund 60.000 auf 32.000 fast halbiert.

Der Bericht nimmt zudem die sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick. So sank auch der jährliche Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch zwischen 2010 und 2020 von etwa 40 auf knapp 33 Kilogramm. Im vergangenen Jahr waren es 29 Kilogramm.

„Indem wir eine zukunfts- und krisenfeste Tierhaltung auf den Weg bringen, die zugleich wertvolle Wirtschaftskreisläufe schließt, reagieren wir auch auf diese gesellschaftliche Entwicklung“, sagt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).

Zehn Höfe schließen pro Tag – Besonders kleine Betriebe betroffen

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt den agrarpolitischen Bericht 2023 vor. Foto: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)

Zudem stellen zunehmend Betriebe in Deutschland auf ökologischen Landbau um. Insgesamt wirtschafteten Ende 2022 fast 37.000 Höfe in Deutschland ökologisch – also jeder siebente Hof. Das entspricht 14,2 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe.

Zu wenig Planungssicherheit

„Unser Bericht legt offen, dass die Politik des ‚Wachse und Weiche‘ einen starken Strukturwandel befeuert hat. Viel zu viele Höfe mussten aufgeben“, sagte Özdemir. Viele Landwirte seien zu Veränderungen bereit, bräuchten aber mehr Planungssicherheit. Dem Bericht zufolge hat diese Planungssicherheit den Landwirten in jüngster Vergangenheit gefehlt. Es wurde deutlich, wie stark gerade die Bauern in den vergangenen Jahren unter Druck standen. Die Einkommen schwankten über die Jahre teilweise stark.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) betonte, wie wichtig eine langfristige Planungssicherheit für die Landwirte ist. Er sieht hier die Politik in der Pflicht. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken erklärte: „Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird durch zwei Faktoren maßgeblich angetrieben: fehlende wirtschaftliche Perspektiven und fehlende politische Verlässlichkeit für Zukunftsinvestitionen.“

Darüber hinaus herrsche in der Branche eine „überbordende Bürokratie“. Sie bewirke, dass nachfolgende Generationen sich häufig dazu entscheiden, „einen anderen Weg zu gehen als in der Landwirtschaft.“ Krüsken betonte: „Die Politik ist gefordert, verlässliche Rahmenbedingungen zu setzen und nicht alle paar Jahre die gesetzlichen Vorgaben zu ändern.“

Inflation auch in der Landwirtschaft

Besorgniserregend sei die Lage am Bodenmarkt. Die Pachtpreise stiegen zwischen 2010 und 2020 im Bundesdurchschnitt um 62 Prozent an, die Kaufpreise verteuerten sich noch stärker.

Auch die Preise für Betriebsmittel legten kräftig zu – insbesondere wegen gestiegener Energiepreise, welche die Düngemittelproduktion stark verteuern. Die Betriebe gaben im Jahr 2010 pro Hektar durchschnittlich noch 91 Euro für Pflanzenschutzmittel (ökologische Betriebe: zwei Euro) aus. Der Preis für Düngemittel lag bei 112 Euro (in ökologischen Betrieben 15 Euro).

Im Wirtschaftsjahr 2021/22 mussten die Höfe für Pflanzenschutzmittel bereits 121 Euro (ökologische Betriebe drei Euro) beziehungsweise 206 Euro für Düngemittel (ökologische Betriebe 24 Euro) ausgeben.

Unter den Preissteigerungen und -schwankungen leiden vor allem Betriebe, die sehr stark auf den Zukauf von Düngern, Futtermitteln oder Pflanzenschutzmitteln angewiesen sind, heißt es in dem Bericht. Die gestiegenen Preise schlagen sich in höheren Preisen für die Endverbraucher nieder.

(Mit Material von dts)



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