Landwirte klagen gegen EU-Überwachungs-App

Seit diesem Jahr werden deutsche Bauern durch die EU mittels Satellitenüberwachung kontrolliert. Damit soll Subventionsbetrug verhindert werden. Doch die Satelliten bieten auch noch weitere Kontrollmöglichkeiten.
Titelbild
Ein Satellit in einer Erdumlaufbahn. (Symbolbild)Foto: iStock
Von 8. November 2023

„Wir wehren uns gegen die totale Überwachung unserer Betriebe durch den Staat“, sagt Reinhard Jung. Er betreibt einen kleinen Biobetrieb und ist in einer Interessenvertretung bäuerlicher Familienbetriebe aktiv, den „Freien Bauern“.

Jung hat Klage gegen eine Überwachungs-App eingereicht. Diese Foto-App ist Teil der seit diesem Jahr gestarteten EU-Maßnahmen zur Überwachung deutscher Agrarflächen via Satellit. Die Bauern sehen darin ein Zeichen von Misstrauen und befürchten, dass dadurch die ohnehin geringe Akzeptanz der EU-Agrarsubventionen weiter abnimmt.

Mit der Satellitenüberwachung werden die deutschen Bauern ganzjährig kontrolliert, ob sie auf ihren Agrarflächen auch tatsächlich das anbauen, wofür sie EU-Fördermittel beantragt haben.

Doch die KI-gestützte Überwachungstechnologie macht Fehler „ohne Ende“, so der 58-jährige Mutterkuhhalter aus dem brandenburgischen Lennewitz. Die Bauern sind dann gezwungen, um doch noch EU-Subventionen zu erhalten, zum Feld zu fahren und mit einer speziellen App Fotos zu machen. Sie sollen bestätigen, dass alle Angaben korrekt waren.

Jung weist den „pauschalen Verdacht“ zurück, Landwirte würden ihre Vorgaben nicht einhalten oder falsche Angaben machen. Daher geht er nun gegen die Pflicht zur Nutzung der Foto-App und zur Übersendung georeferenzierter Fotos von den eigenen Flächen im Rahmen der Agrarförderung gerichtlich vor.

„Unsere angebliche Pflicht, Unstimmigkeiten mithilfe von App und Fotos aufzuklären, ist deshalb die Achillesferse des Systems.“ In einem Rechtsstaat dürfe niemand verpflichtet werden, sich selbst zu belasten, argumentiert Jungs Anwalt Stephan Stiletto in seiner Klageschrift und macht zudem auf schwerwiegende Verstöße gegen den Datenschutz aufmerksam.

Bauern sollen sich mit Musterschreiben beteiligen

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam richtet sich zwar gegen den Landkreis Prignitz als die für Jungs Betrieb zuständige Bewilligungsbehörde – da aber von allen Bundesländern vergleichbare Foto-Apps eingeführt wurden, wollen die „Freien Bauern“ mit ihrer Initiative die flächendeckende Agrarkontrolle „grundsätzlich angreifen“, heißt es in einer Mitteilung dazu.

Sie rufen dazu auf, dass möglichst viele Landwirte unter Berufung auf das laufende Verfahren von ihrer Landwirtschaftsbehörde verlangen, bis zu einem letztinstanzlichen Urteil von der Pflicht zur Nutzung der App ausgenommen zu werden. „Dass ich ohne erkennbaren Anlass überwacht werde und dabei auch noch selbst mithelfen soll, lasse ich mir jedenfalls nicht gefallen“, so Jung.

Im Text für das Musterschreiben heißt es:

„Meine Berufsvertretung, die FREIEN BAUERN, hält die Pflicht zur Nutzung der Foto-App für rechtswidrig, deshalb werde ich die App zunächst nicht (weiter) nutzen. Zurzeit findet vor dem Verwaltungsgericht Potsdam ein Musterverfahren statt, von dem wir uns rechtliche Klärung erhoffen. Ich bitte höflich darum, bis zum Ausgang des Verfahrens von einer Durchsetzung der Nutzung abzusehen.“ 

Technologie soll auch für „Green Deal“ genutzt werden

Bereits seit März 2017 liefern EU-eigene Satelliten hochauflösende Bilder der Erdoberfläche. Danach beschloss die EU gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten, dass mithilfe von Satellitenüberwachung die EU-Subventionen an die EU-Landwirte verwaltet und kontrolliert werden.

Der EU-Rechnungshof ging noch einen Schritt weiter und forderte, dass die neue Technologie mit Blick auf den „Green Deal“ auch für das Monitoring von Umwelt- und „Klimaanforderungen“ genutzt wird. „Durch entsprechende Aktionspläne sollten noch bestehende Hindernisse für eine breitere Nutzung des Umwelt-Monitorings beseitigt werden“, so die EU-Behörde.

Genutzt werden dafür die EU-Satelliten Sentinel 1 und 2 als Teil des Copernicus-Programms der Europäischen Weltraumbehörde (ESA). Mit ihnen werden automatisierte Kontrollen durchgeführt, bei denen nicht nur die angebauten Pflanzen identifiziert werden. Auch die landwirtschaftlichen Tätigkeiten der Bodenbearbeitung wie das Ernten und Mähen auf einzelnen Parzellen werden überwacht. Da diese Satelliten in kurzen Zeitabständen dieselben Gebiete überfliegen, lassen sich mit ihrer Hilfe schnell Veränderungen auf den Feldern beobachten.

Fehlerreiche Technik

Wie fehlerbehaftet die Technik ist, zeigt ein Bericht der „Frankenschau“ des „Bayerischen Rundfunks“ von August. Dort berichtet der Landwirt Marcus Link aus Mönchberg (Landkreis Miltenberg, Bayern), dass der Satellit statt der Wintergerste, die auf einem seiner Äcker wuchs, Weizen erkannte. Dadurch gab es eine Fehlermeldung.

Um Fördermittel zu erhalten, müssen die Landwirte die Daten der Satellitenüberwachung bei einer Fehlermeldung selbst mithilfe einer App verifizieren. Für Marcus Link ist das ein Unding: „Wir sollen mit dem Handy selbst Bilder machen. Ich mache das nicht, das ist nicht meine Aufgabe. Ich bin kein Kontrolleur, ich bin Landwirt.“ Er beklagt in der Sendung, dass ihm niemand die Zeit für die Korrektur der falschen Datenerfassung bezahle.

Dass der Fall von Landwirt Link offenbar kein Einzelfall ist, zeigt der zweite Fall, der in der Sendung vorgestellt wurde. Hier hat die Satellitenüberwachung fälschlicherweise Maisanbau anstatt wachsenden Klee erkannt. Und auch hier erhielt die Landwirtin eine Fehlermeldung.

Um nun doch noch die rund 200 Euro pro Hektar zu erhalten, musste sie zum Feld hinausfahren, eine Detailaufnahme der angebauten Frucht und ein Panoramafoto des Feldes anfertigen und über eine entsprechende App hochladen.

Für die Landwirtin sei dies ein weiterer Schritt zur gläsernen Landwirtschaft. Die offizielle Begründung hingegen lautet, man wolle die stichprobenartigen Vor-Ort-Kontrollen mithilfe der Satellitenüberwachung einsparen.

„Ursprünglich sollten die Subventionen die höheren Kosten unserer Betriebe gegenüber dem Weltmarkt ausgleichen“, äußerte Jann-Harro Petersen von der Bundesvertretung der „Freien Bauern“ bereits Ende August. „Heute müssen wir dafür irgendwelche absurden öffentlichen Leistungen erbringen. Der Kostendruck durch Billigimporte aus Ländern mit niedrigeren sozialen und ökologischen Standards wird dabei als selbstverständlich hingenommen.“

Klage könnte weitreichende Folgen haben

Die Klage könnte weitreichende Folgen für die Zukunft der Agrarüberwachung in Deutschland haben. Mit ihr wollen die „Freien Bauern“ ein Zeichen setzen – gegen eine Überwachung, die sie als übergriffig empfinden, und für mehr Respekt vor der Eigenständigkeit und dem Fachwissen der Landwirte.



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