Epoch Times: Herr Trappe, was hat sie damals zur Flucht bewogen?
Daniel Trappe: Als Oberstaatsanwalt in Budapest waren mir viele Bereiche untergeordnet. Unter anderem gehörte es zu meinen Aufgaben, Aktenberge abzuarbeiten und Vernehmungsprotokolle blanko zu unterschreiben, auf denen es hieß, dass bei Vernehmungen kein unerlaubtes Mittel, also keine Folter, angewendet wurde. Da diese Aktenberge immer größer wurden und mein oberster Chef mir nicht ausreichend erklären konnte, warum ich diese Akten einfach blanko unterschreiben sollte, habe ich es einmal gewagt, in das Vernehmungsgebäude hinüberzugehen und die Vernehmungen zu beobachten.
Dort habe ich festgestellt, dass sehr wohl Folter – in hohem Maße und systematisch – angewendet wurde. Ich habe schreckliche Bilder erlebt und war entsetzt darüber, dass hier so massiv gelogen wurde und dass Menschen, die systemkritisch waren oder die Regierung und das kommunistische Gesellschaftssystem kritisiert haben, gefoltert wurden. Darunter waren bekannte Künstler, Schauspieler, auch katholische Priester, meistens Intellektuelle. Das hat mich so erschüttert, dass ich meinen damaligen Chef um Beurlaubung bat. Diese Erfahrung hat mich seelisch sehr geschockt.
Ich wollte bei alledem nicht mitmachen, sondern mich absetzen. Aber mein Chef sagte zu mir: „Das geht nicht. Du gehörst zu uns.“ Er meinte, ich solle mich mit Alkohol betäuben, mir was aus seiner Vitrine holen und die ganze Sache vergessen und weitermachen. Das konnte ich aber nicht.
Ich war empört darüber, dass hier massiv gefoltert wurde. Als Jurist und Staatsanwalt wusste ich, dass wir dafür keine gesetzliche Grundlage hatten – weder eine Verordnung und schon gar keine Gesetze. Aus diesem Grund notierte ich alles und gab es geheim an die deutsche Botschaft weiter. Nach etwa einem Jahr meiner Tätigkeit, in der ich über diese furchtbaren Ereignisse berichtet hatte, kamen sie mir wahrscheinlich auf die Schliche. Ich vermute, dass auch meine eigene Sekretärin auf mich angesetzt war. Eines Tages warnte mich ein guter Freund, der im Innenministerium arbeitete: „Morgen wirst du verhaftet. Du musst schnell das Land verlassen, sonst kommst du selbst ins Folterzimmer und dir droht Schlimmes.“ Mit seiner Hilfe bin ich dann 23-jährig über Österreich nach Deutschland geflüchtet.
ET: Was ist danach in Ungarn passiert?
Trappe: Durch Freunde erfuhr ich, dass meine Mutter – eine Auschwitz-Überlebende – verhaftet wurde und drei Wochen lang im Gefängnis ausharren musste. Sie wollten, dass sie meine Anschrift und meine Kontakte in Deutschland preisgab, obwohl sie nichts wusste. Sie wollten sie dazu nötigen, also regelrecht erpressen. Ähnliches passierte meiner damaligen Freundin: Auch sie wurde genötigt, und auch sie wusste natürlich nichts. Sie wurde fristlos aus ihrer Arbeitsstelle entlassen.
ET: Und Sie hat man verurteilt?
Trappe: Ja. In meiner Abwesenheit wurde ich ein halbes Jahr später wegen Spionage, Hochverrats, staatsfeindlicher Tätigkeiten und geheimdienstlicher Tätigkeiten zum Tode verurteilt. Ich wurde nicht nur verurteilt, ich wurde rechtskräftig verurteilt. Später wurde ich auch ausgebürgert. Sie entzogen mir alle meine bürgerlichen Rechte. Und auch in Deutschland wurde ich mit dem Leben bedroht. Geheimdienste, vermutlich die russischen, ungarischen, waren hinter mir her. Mehrfach wurden Mordanschläge auf mich verübt.
ET: Hatten Sie tatsächlich Verbindungen zu ausländischen Geheimdiensten?
Trappe: Nein. Ich war nie geheimdienstlich tätig. Meine Motivation war, dass ich diese Foltermethoden nicht mittragen konnte, weder seelisch noch intellektuell. Als Jurist konnte ich mir nie vorstellen, dass Geständnisse erpresst werden mussten oder Kritiker einfach so auf diese Weise mundtot gemacht werden sollten. Aber es war offensichtlich eine gängige Methode. Ich habe mich dagegengestellt. Aber zu ausländischen Geheimdiensten hatte ich keinen Kontakt. Mein einziger Kontakt war der zum deutschen Botschafter. Wir hatten Kontakt im kulturellen Bereich und lernten uns zufällig kennen.
ET: Jetzt leben Sie seit vielen Jahren im Westen und schauen sich die aktuelle Entwicklung erneut besorgt an. Wie denken Sie darüber?
Trappe: Ich kann jetzt nichts Konkretes zu Folterungen im Gefängnis oder in Vernehmungsräumen sagen. Aber ich stelle durchaus besorgt fest, dass auch hier Kritiker diffamiert werden, als Corona-Leugner dargestellt werden und grundsätzlich eine Staatsmeinung, eine politische Linie herausgebildet wird. Kritiker, die dem nicht folgen können und wollen, werden als Gegner und Feinde dargestellt. Das macht mir große Sorgen. Denn so fängt es eigentlich an, dass nur eine Meinung gilt. Das kenne ich auch aus Ungarn.
Auch im wissenschaftlichen Bereich war immer eine Linie vorgegeben, und zwar von der politischen Klasse. Es galt nur das, was die Kommunistische Partei vorgab. Parallelen kann man sehr wohl auch bei uns ziehen, wenn zum Beispiel die Staatsvirologen etwas feststellen, das nicht in Zweifel gezogen werden darf. Das ist sehr gefährlich, weil im wissenschaftlichen – aber auch im politisch-gesellschaftlichen Bereich – der Diskurs, die Diskussion und der Austausch sehr, sehr wichtig sind. Wenn das unterbunden wird, kann das zu gravierenden Fehlentwicklungen führen. Das kritisiere ich auch jetzt in den westlichen Ländern, in Deutschland auch ganz massiv.
ET: Wir leben in einer Demokratie und können frei wählen gehen. Wie war das in Ungarn?
Trappe: Wahlen gab es, aber keine freien Wahlen. Zu meiner Zeit gab es auch noch die sogenannte Wahlpflicht als staatsbürgerliche Verpflichtung. Aber jeder wusste, dass die Kommunistische Partei immer mit 90 bis 100 Prozent gewinnen würde. Es gab auch keine ernst zu nehmende politische Partei als Opposition.
Allerdings stelle ich auch fest, dass es in den 70er-, 80er-Jahren in Deutschland mehr Bewegung im politischen Leben gab. Damals war auch mehr Kritik zugelassen, als es zurzeit der Fall ist. Es geht in die Richtung, dass man nur eine Meinung gelten lässt. Das erinnert mich an das kommunistische System, in dem immer nur eine Meinung galt – in der Wissenschaft, in der Gesellschaft und in der Erziehung. Das ist nicht gut. Das halte ich sogar für sehr gefährlich. Und diese Tendenzen sind auch hier in den westlichen Ländern deutlich spürbar.
ET: Wir haben eine globale Pandemie, einen globalen Krisenstatus. Sehr viele Regierungen der Welt möchten die Bevölkerung mit den Maßnahmen schützen. Sind damit auch Hausdurchsuchungen bei Ärzten und Juristen gerechtfertigt?
Trappe: Meiner Meinung nach nicht. Selbst wenn dieser Notstand ein gerechtfertigter Notstand wäre, auch dann nicht. Die Grundstrukturen der Demokratie, die Grundrechte dürfen meiner Meinung nach so massiv nicht eingeschränkt werden. Ich würde sagen, am Anfang der Pandemie, wo noch tatsächlich eine Gefahr bestand bis zur Klärung und wissenschaftlichen Erklärung, hätte man es noch rechtfertigen können. Aber dass es so lange andauert, halte ich für problematisch und auch für sehr gefährlich. Mittlerweile bin ich fest davon überzeugt, dass diese Pandemie als Vorwand dient und es nicht wirklich – nur vordergründig – um Gesundheitsschutz geht. Hintergründig sollen politische Ziele durchgesetzt werden.
Das erinnert mich wieder ganz massiv an das kommunistische System, in dem bei bestimmten Dingen auch immer ganz massiv gelogen wurde. Das untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung und kann nicht zu einem lebendigen Austausch in einer Demokratie führen. Es kann auch nicht zu etwas Gutem führen. Das ist meine große Sorge. Ich habe das auch so erlebt. Ich demonstriere ganz bewusst gegen diese Maßnahmen, weil ich sie für ungerechtfertigt, unverhältnismäßig und viel zu lange halte. Die Grundrechte dürfen dadurch nicht gänzlich abgeschafft werden.
ET: Während der Pandemie hat die ganze Welt nach China geschaut und deren Maßnahmen adaptiert. Präsident Xi Jinping hat öffentlich gesagt: „Die Chinesen bilden eine Schicksalsgemeinschaft mit der Welt. Die Kommunistische Partei Chinas wird die Reform des globalen Regierungssystems anführen.“ Was halten Sie davon?
Trappe: Ich halte das für sehr bedenklich. Ob das chinesische kommunistische System – und es handelt sich um ein kommunistisches System, die chinesischen Führer sind Kommunisten – gut durch die Pandemie gekommen ist, bezweifle ich. Und zwar deshalb, weil die chinesische Führung genauso offiziell ein paradiesisches System verspricht und nach außen hin auch präsentiert. Aber in Wirklichkeit wissen wir, dass es in China nicht nur Quarantänelager gibt, sondern auch illegale Arbeitslager, Umerziehungslager für Minderheiten, in denen zumindest psychische Folter angewendet wird. Es kann nicht sein, dass dies westlichen Demokratien als Modell dient.
Natürlich kann man vieles tun, indem man die Kritiker tötet; so kann man natürlich auch wunderbar durchkommen. Aber das ist noch lange nicht der richtige Weg. Ich halte das chinesische Modell für verhängnisvoll. In manchen Bereichen ist es natürlich viel einfacher, etwas durchzusetzen, wenn das Volk und die Kritiker mundtot gemacht werden, wenn das Volk erst gar nicht gefragt oder nur scheinbar gefragt wird. Das muss man ganz deutlich sagen.
Dazu kann ich eine persönliche Erfahrung erzählen: Meine Tochter war zweieinhalb Jahre lang in Peking, wo sie mit ihrem damaligen Freund bei einem kommunistischen Führer als Englischlehrerin gearbeitet hat. Sie wurden zwar gut bezahlt und gut behandelt, aber ständig überwacht. Sie haben eigene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen, aber später festgestellt, dass selbst ihre Wäsche zweimal wöchentlich durchsucht wurde. Das heißt, es herrscht dort kein Vertrauen, sondern Misstrauen. Das ist meine größte Kritik. Im kommunistischen System herrscht ständiges Misstrauen untereinander, und es wird Angst geschürt. Das ist kein gutes System, in dem die Menschen ständig Angst voreinander haben müssen und kein Vertrauen mehr zueinander entwickeln können. Das sollte man auf keinen Fall im Westen zulassen.
ET: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Trappe: Sehr gerne. Ich habe mich auch sehr gefreut.
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