In wichtigen Bereichen: Deutschland will nationale Autonomie zurückerlangen
Die Verringerung „übermäßiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten“ spielt eine maßgebliche Rolle in der geplanten China-Strategie der Regierung. Als neue Strategie verfolgt diese einen mehrdimensionalen Ansatz: „sowohl unter Berücksichtigung unseres anhaltenden Interesses an Zusammenarbeit mit China als auch angesichts der Herausforderungen der zunehmenden weltweiten systemischen Rivalität mit China“.
Eingebettet wird das Vorgehen in die EU-China-Politik. Auf Nachfrage von Epoch Times ging Hans-Georg Engelke bei einer Veranstaltung in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik näher darauf ein. Der langjährige Staatssekretär im Bundesinnenministerium verdeutlicht:
Ein Ziel in der nationalen Sicherheitsstrategie wird sein, dass wir in wesentlichen Bereichen ein gewisses Maß an Autonomie wieder zurückerlangen.“
Man habe in der letzten Legislaturperiode beispielsweise über die Vergabe von 5G-Mobilfunklizenzen geredet. Dabei sei die Frage aufgekommen: „Wie digital souverän muss eigentlich ein Staat sein? Welches Ausmaß an Autonomie muss man haben, um nicht ganz abhängig von Zulieferungen aus anderen Staaten zu sein?“ Bei dieser Fragestellung habe China eine große Rolle gespielt, so Engelke.
„Wir waren da etwas naiv“
Eine der wichtigsten Fragen ist, welche Produkte, von denen man abhängig ist, aus welchem Land besorgt werden könnten. „In ruhigen Zeiten waren wir da vielleicht ein bisschen naiv, mit dem Ausmaß an Abhängigkeit, die wir zuließen“, gesteht der Staatssekretär ein. Von Ländern wie China und Russland hätte sich Deutschland zunehmend abhängig gemacht. „Aber da haben wir noch eine ganze Menge anderer Staaten.“
Um eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen, müsse Deutschland mehr in seine eigenen Ressourcen investieren. „Denn diese strategische Priorisierung, das muss klar sein, kostet auch etwas.“
Wenn wir beispielsweise digital souveräner werden wollen, muss man sich die Frage stellen, wie viel Kapazitäten haben wir eigentlich in Deutschland und darüber hinaus in Europa?“
Bildung, Ausbildung und andere intellektuelle Aktivitäten benötigen Investitionen. Engelke stellt in Aussicht: „Wenn Siemens-Nixdorf dann beim nächsten Mal sagt, wir trennen uns von einem Geschäftsbereich, dann wird der Staat möglicherweise auch eingreifen.“
Sicherheitsexpertin: Regierung uneinig zu China
Für Dr. Aylin Matlé sind die Aussagen von Engelke zu unkonkret. Die Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Bereich Sicherheit und Verteidigung meint, dass die Bundesregierung uneinig sei, wie der Umgang mit China in Zukunft gestaltet werden solle.
Als es um den chinesischen Smartphone- und Netzwerkhersteller Huawei und seine Beteiligung am deutschen 5-G-Netz ging, hätte sich diese Uneinigkeit deutlich gezeigt.
Die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich persönlich für den staatsnahen chinesischen Netzwerkausrüster Huawei ein. Zusammen mit Wirtschaftsministerium und Innenministerium setzte sie sich über die Bedenken des Außenministeriums und des Bundesnachrichtendienstes hinweg.
Auch der Streit um die Beteiligung des chinesischen Staatskonzern Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens zeigt, wie unterschiedlich die Positionen sind. In der Ampel-Regierung setzte sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) gegen die Einwände von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und anderen Ministerien durch. Cosco ist in Bezug auf die Ladekapazität die viertgrößte Reederei der Welt.
Dass man aber auch an einem Strang ziehen kann, zeigte der verhinderte Verkauf des Dortmunder Halbleiter-Unternehmens Elmos an einen chinesischen Investor. Hier untersagte das Bundeskabinett den Verkauf mit der Begründung, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Deutschland drohe. Auch den Erwerb der in Bayern ansässigen Firma ERS Electronic durch einen chinesischen Investor stoppte die Bundesregierung. Genau wie Elmos ist auch ERS in der Halbleiteranlagenindustrie tätig.
Kann Deutschland sich eine Loslösung von China leisten?
Tim Rühlig sieht zwei Punkte. Der China-Experte der DGAP im Bereich Technologie und Außenpolitik beobachtet zum einen Uneinigkeit darüber, ob Deutschland sich die Entflechtung von China überhaupt wirtschaftlich leisten kann – während man gerade dabei ist, sich von russischen Energieträgern zu lösen.
Hier ist die Frage, welche wirtschaftlichen Auswirkungen auch für die demokratische Gesellschaft tragbar sind.“
Zum anderen gebe es unterschiedliche Einschätzungen, in welchen Zeiträumen eine Eskalation um Taiwan drohe.
Jene, die mit einem eher frühen Konflikt rechnen, setzen sich für eine raschere und entschiedenere Neuausrichtung der China-Politik ein.“
Für Rühling wird der Umgang mit China die zentrale Herausforderung westlicher Außen- und Sicherheitspolitik der nächsten Jahre darstellen. „Die Auseinandersetzung zwischen den USA und China wird weiter die internationalen Beziehungen prägen.“
Politik der Kooperation schnell an geopolitische Realitäten anpassen
„Die entscheidende Frage ist, ob wir bereit sind, die Politik der Kooperation mit all ihren wirtschaftlichen Vorteilen rasch genug an die geopolitischen Realitäten anzupassen.“ Hier würden verschiedene Positionen innerhalb der Regierung miteinander ringen. „Es gilt nun abzuwarten, wer sich durchsetzen wird.“
Rühlig spricht im Zusammenhang mit China nicht von Gefahren, sondern von Herausforderungen. Sie wären zahlreich. Drei von ihnen wären seiner Meinung nach besonders zentral:
Erstens erlebe man einen Wettstreit von Demokratie und Autokratie. „China ist sich dessen wohl bewusst und greift insbesondere dann in die inneren Angelegenheiten ein, wenn es das eigene System angegriffen sieht.“ Dass China zunehmend Abhängigkeiten nutzt, um Druck auszuüben, stellt eine Herausforderung für die Grundwerte Deutschlands dar, so Rühlig.
Zweitens halte China am Staatskapitalismus fest, der ungleiche Wettbewerbsbedingungen fördere und Abhängigkeiten in strategischen Technologien geschaffen habe. „Wirtschaftlich drohen erhebliche Einbußen von Marktanteilen.“
Der politische Handlungsspielraum droht zudem geringer zu werden, wenn Deutschland von China so abhängig wird, dass man sich nicht mehr leisten könne, Peking zu verärgern.
Drittens gehe es um grundsätzliche Regeln internationaler Politik.
China setzt mehr, als [es] derzeit internationale Praxis ist, auf die Bedeutung von Macht, anstatt auf Institutionen und Regeln.“
Ein Beispiel sei Russlands Angriff auf die Ukraine: China betone seit Jahrzehnten, territoriale Integrität sei das Kernprinzip der eigenen Außenpolitik. Doch als Russland die Ukraine überfiel, wären es machtpolitische Interessen, die Chinas Position geprägt hätten. „Es waren nicht Prinzipien, die man selbst betont“, erklärt der China-Experte.
Die dahinterstehende Frage ist für Rühlig: „Wie können wir dafür sorgen, dass Prinzipien, auf die wir uns mit Peking einigen, auch tatsächlich verlässlich eingehalten werden?“
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