Grundgesetzänderung geplant: AfD soll keinen Einfluss auf Karlsruhe haben

Die Fraktionen von SPD, FDP, Grünen und der Union im Bundestag wollen das Grundgesetz ändern, damit die AfD im Fall eines Wahlsiegs keinen Einfluss auf das Bundesverfassungsgericht bekommen kann. Auch eine Änderung des Beamtengesetzes steht im Raum.
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Wollen autoritäre Kräfte die Demokratie und den Rechtsstaat von innen zerstören, indem sie die unabhängige Justiz und die demokratischen Institutionen angreifen?Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 31. Januar 2024

Sollte man die AfD in Teilen oder lieber als Ganzes verbieten? Björn Höcke das Wahlrecht entziehen? Angehörige des öffentlichen Dienstes einer Anti-AfD-Gesinnungsprüfung unterziehen? Gewählte AfD-Ausschussvorsitzende ihres Amtes entheben? All diese Fragen wurden oder werden seit Wochen in Deutschland diskutiert.

Zuletzt forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ein „Bündnis“ aller Kräfte „quer durch die Bevölkerung, quer durch Unternehmen, Kultur und Gesellschaft“, um den „Kampf gegen den Rechtsextremismus“ zu stärken – freilich, ohne die AfD dabei ausdrücklich zu erwähnen.

Die Angst vor einer „Alternative für Deutschland“ in Regierungsverantwortung scheint unter den Anti-AfD-Parteien und ihren Anhängern jedenfalls groß, zumal die bundesweiten Proteste gegen die blaue Partei sich kaum in Wahlumfragen niederschlagen.

Jüngst brachte eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pollytix im Auftrag der Organisation Campact zutage, dass eine Mehrheit von 59 Prozent der Deutschen ein Verbot der AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt für sinnvoll hielte. Diese Verbände waren vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft worden. Dass man die gesamte Partei verbieten solle, meinten schon vor drei Wochen 42 Prozent der Befragten einer Ipsos-Umfrage. Die gleiche Menge sprach sich dagegen aus.

Vier Fraktionen wollen das Grundgesetz ändern

Wie die „Bild“ berichtet, streben „Vertreter von SPD- und FDP-Fraktion“ nun eine Grundgesetzänderung an, um der seit Jahren bekämpften AfD im Falle eines Wahlerfolgs im Bund das Leben schwer zu machen. Konkret gehe es ihnen darum, dass Gesetzesänderungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betreffen würden, künftig nicht mehr von einer einfachen Mehrheit, sondern von einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag verabschiedet werden sollte.

Nach Angaben des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (RND) stehen sogar Vertreter aller drei Ampelfraktionen und auch der Unionsfraktion hinter der Idee. Sie alle seien sich laut RND „im Prinzip einig“: Die Grundgesetzänderung solle erfolgen, bevor das BVerfG sich in einer Lage wiederfinde, die mit der Regierungsübernahme der „rechtsnationalen“ polnischen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) vergleichbar sei. Mit insgesamt 614 Stimmen im Plenarsaal hätten die vier Fraktionen die Macht, ihre Pläne durchzusetzen.

AfD-Kräfte sollen nicht in Funktion kommen

Nach Auskunft des Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Volker Boehme-Neßler von der Uni Oldenburg sei es bei der augenblicklichen Rechtslage möglich, „unliebsame Präsidenten von Verfassungsschutz und Polizei“ einfach abzusetzen, wie die „Bild“ erklärte. Mehr noch: Sämtliche „politische Beamte, also vor allem Staatssekretäre und Abteilungsleiter in den Ministerien, aber auch Generäle und Admirale der Bundeswehr“ dürften nach den Worten Boehme-Neßlers derzeit „ohne Begründung ausgetauscht werden“.

Seit Jahrzehnten ist es bei sämtlichen Regierungsparteien gängige Praxis, politische Beamte nach einem Regierungswechsel gegebenenfalls auszutauschen. Boehme-Neßler aber hält es offenbar kaum für ratsam, die Besetzung von Spitzenpositionen in der politischen Beamtenschaft künftig davon abhängig zu machen, dass mindestens zwei Drittel der Parlamentarier grünes Licht dafür geben: „Dann funktioniert die Verwaltung nicht mehr“, so sein praxisbezogenes Urteil im „Bild“-Gespräch.

Staatsrechtler Lindner empfiehlt Eingriff ins Beamtengesetz

Um AfD-Getreue in den Spitzenpositionen zu verhindern, brachte der Augsburger Verfassungsrechtler Prof. Dr. Josef Lindner gegenüber der Boulevardzeitung einen anderen Ansatz ins Spiel: Man könne das Beamtengesetz so ändern, dass nur noch solche Kandidaten zu politischen Beamten ernannt werden dürften, die „nach Eignung und Leistung“ dafür qualifiziert seien und zudem „über eine hinreichende Erfahrung in dem Bereich“ verfügen würden.

Auch eine öffentliche Ausschreibungspflicht könne helfen, „Gemauschel im Hinterzimmer“ zu vermeiden. Rechtsprofessor Lindner sehe dafür „dringenden Handlungsbedarf“ und empfehle eine rasche Reform, so die „Bild“.

Wegen Gleichheitsgrundsatz: Alle Parteien wären betroffen

Im „Bayerischen Rundfunk“ (BR) hatte Lindner zwar erst vor wenigen Tagen Bedenken zerstreut, nach denen eine AfD im Fall einer Regierungsbeteiligung auf Landesebene den Staat „in rechtsstaatswidriger Weise umkrempeln“ könnte. Doch er warnte vor den „weitreichende[n] Möglichkeiten“ für die AfD, was die „Personalumbesetzungen von politischen Beamten“ angehe.

Der Nachteil sämtlicher Ideen aus Sicht der Anti-AfD-Politiker: Neue Einschränkungen und Verschärfungen würden sich auch auf die eigenen, jahrzehntelang gepflegten Gewohnheiten auswirken. Schließlich würde ein Gesetz, das nur eine bestimmte politische Partei von der Teilhabe ausschlösse, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen.

Ampel- und Unionsvertreter gemeinsam gegen die AfD

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte ihre Ängste vor der AfD gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Autoritäre Kräfte wollen die Demokratie und den Rechtsstaat von innen zerstören, indem sie die unabhängige Justiz und die demokratischen Institutionen angreifen“, erklärte die Sozialdemokratin. Und weiter: „Dass hierüber jetzt im Bundestag, in der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit debattiert wird, zeigt, dass viele die Gefahren für unsere Demokratie erkannt haben.“

Auch Johannes Fechner, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, und sein Pendant bei der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, begrüßten den gemeinsamen Vorstoß.

Thomae sprach ebenfalls davon, es mit „Feinde[n] der Demokratie“ zu tun zu haben. Theoretisch sei zu befürchten, dass die AfD, einmal in Verantwortung, mit einfacher Mehrheit einen dritten Senat beim BVerfG einrichten lassen könnte. Dessen Aufgabengebiet könne per „Geschäftsverteilung“ dann so gestaltet werden, dass dieser dritte Senat für „bestimmte Entscheidungen“ zuständig sei. Das Beispiel der früheren Regierungspartei PiS in Polen habe gezeigt, „wie schnell ein Verfassungsgericht lahmgelegt werden könne“. Möglicherweise, so Thomae, komme das BVerfG dann nicht mehr dazu, „verfassungswidrige Gesetze aufzuheben“.

Zuletzt hatte das BVerfG am 15. November ein Gesetz der Ampelregierung für „verfassungswidrig und nichtig“ erklärt, als es um den Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 gegangen war. Die Hauptverantwortung dafür hatte bei Bundesfinanzminister Christian Lindner gelegen – wie Thomae ein FDP-Mann. Seitdem ringt die Ampel um die Finanzierung ihrer Transformationspläne – bei breitem Widerstand des arbeitenden Mittelstands, insbesondere der Landwirte.

Konstantin von Notz, der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, riet gegenüber dem RND zu einem „zügigen“ Vorgehen in puncto Grundgesetzänderung. Es gelte „zu beraten und zu entscheiden, wie wir das für unsere Demokratie maximal wichtige Bundesverfassungsgericht besser schützen können“. Die oppositionelle Unionsfraktion sei „eine ganz entscheidende politische Kraft für das Gelingen dieses Prozesses“. Deshalb sei es wichtig, „CDU und CSU von Anfang an voll in die Beratungen einzubeziehen“. Es gehe immerhin um die „Feinde“ des „Rechtsstaats“.

Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), gab sich laut RND gegenüber der Funke-Mediengruppe offen für das Vorhaben: „Dieses wichtige Thema sollte auf breiter Basis diskutiert werden“, so Lindholz, „wir teilen die Sorge der parteipolitischen Einflussnahme auf die Justiz und insbesondere das Bundesverfassungsgericht“.

Mai 2023: Habecks Wirtschaftsministerium im Visier

Das Thema politische Einflussnahme im Staatsapparat hatte zuletzt im Mai 2023 zu einem Aufschrei geführt. Der Druck auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war immer weiter gewachsen, als der Vorwurf der Vetternwirtschaft in seinem Ressort nicht mehr zu überhören war. Im Mittelpunkt stand damals die Personalie Patrick Graichen (Grüne).

Der wichtigste Staatssekretär Habecks hatte unter anderem seinen Trauzeugen zum Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (dena) gemacht. Nachdem intern auch noch die Richtlinientreue Graichens in einem anderen Fall bezweifelt wurde, entließ Habeck seinen engen Vertrauten in den vorgezogenen Ruhestand.



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