Friedensdemo gegen größte Luftstreitkräfteübung der NATO in Wunstorf

„Alle kriegsvorbereitenden Militärmanöver stoppen“, fordern verschiedene Friedensinitiativen, die sich vor Beginn der größten NATO-Luftstreitkräfte-Verlegeübung seit Bestehen des Militärbündnisses in Wunstorf treffen. Die Übung simuliert „Kampfhandlungen auf deutschem Boden“ und das Auslösen des NATO-Bündnisfalls.
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Air Defender 23, die große NATO-Luftstreitkräfte-Verlegeübung, beginnt am 12. Juni.Foto: Alexander Koerner/Getty Images
Von 9. Juni 2023

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Zwei Tage, bevor unter Führung der deutschen Luftwaffe die größte NATO-Luftstreitkräfte-Verlegeübung seit Bestehen des Militärbündnisses mit Schwerpunkt in Deutschland stattfindet (12. bis 23. Juni), haben mehrere Friedensinitiativen angekündigt, sich zu einer Friedensdemo in Wunstorf zu treffen.

Am Samstagnachmittag, 10. Juni, wollen sie sich unter dem Motto „Frieden üben – statt Krieg“ am Militärflugplatz Wunstorf nordwestlich von Hannover versammeln, der die Logistikdrehscheibe für die Übung Air Defender 23 sein wird.

„NATO übt Luftkrieg“

Für den Initiator der Versammlung in Wunstorf, Gerhard Biederbeck, Mitarbeiter der Friedensinitiative Neustadt/Wunstorf und Autor des Buches „Abrüstung und Konversion an der Basis – aber wie?“, wächst aktuell die Gefahr eines großen Krieges oder gar eines Atomkrieges zwischen NATO-Kräften und Russland.

„Die NATO übt bei der jetzigen Übung unter realen Bedingungen den Luftkrieg bis hin zur russischen Grenze im Baltikum und Rumänien.“ Der Fliegerhorst Wunstorf als logistische Drehscheibe und zentraler Standort der 39 A400M-Lufttransporter, die die Jagdbomber im Flug bei kriegerischen Aktionen betanken und Fallschirmjäger an vorderster Front absetzten können, spiele bei diesem Manöver eine zentrale Rolle, erklärt der 73-jährige Lehrer Biederbeck.

Deshalb rufe die Friedensinitiative Neustadt/Wunstorf zu einer zentralen norddeutschen Kundgebung gegen diese Luftkriegsübungen auf, um für diplomatische Verhandlungen zu werben.

Am Samstagnachmittag, 10. Juni, wollen sich Friedensaktivisten unter dem Motto „Frieden üben – statt Krieg“ am Militärflugplatz Wunstorf nordwestlich von Hannover versammeln, der die Logistikdrehscheibe für die Übung Air Defender 23 sein wird. Foto: Gerhard Biederbeck

„Alle kriegsvorbereitenden Militärmanöver stoppen“

Als zentrale Forderungen dieser Kundgebung benennt Biederbeck, dass zunächst die kriegsvorbereitenden Militärmanöver gestoppt werden müssen.

Zudem müssen jetzt dringend diplomatische Verhandlungen geführt werden, statt weitreichendere offensivere Waffen in die Ukraine zu bringen. Außerdem müssen die immens wachsenden Militär- und Kriegsausgaben, die Inflation und Sozialausgabekürzungen auch in der Bildung und der Gesundheitsversorgung verursachen, eingestellt werden. Sie würden zur Spaltung der Gesellschaft beitragen.

Auch müsse die militärische Umweltverschmutzung gestoppt werden. Die Air Defender 23 entlarve das Militär als eines der größten Umweltverschmutzer, so der Friedensaktivist.

Er berichtete Epoch Times, dass bereits mehrere Friedensinitiativen aus dem norddeutschen Raum ihre Teilnahme zugesagt hätten. „Das sind ganz unterschiedliche Menschen – die großenteils schon vor 40 Jahren Friedensarbeit betrieben haben“, so Biederbeck. Das seien ganz und gar keine Putin-Versteher.

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Übungsszenario: Bündnis löst Verteidigungsfall nach Artikel 5 aus

Bei der jetzigen Übung, an der hauptsächlich NATO-Mitgliedstaaten teilnehmen, ist das Szenario „Kampfhandlungen auf deutschem Boden, knappe Energieressourcen und eine von Corona und Inflation erschöpfte Bevölkerung: Wie kann reagiert werden, wenn ein feindliches Militärbündnis einen Teil Deutschlands besetzt hält?“ Dies ist die geopolitische Ausgangslage für die Übung Air Defender 23.

Die Luftwaffe beschreibt das Szenario mit den Worten:

„Deutschland, in einem fiktiven Jahr der Zukunft: Die jahrelange Konfrontation der NATO mit dem östlichen Militärbündnis OCCASUS hat den Boden der Bundesrepublik erreicht. Spezialkräfte der Organisation Brückner und andere Truppen von OCCASUS konnten von Osten nach Deutschland eingeschleust werden. Nun halten Luft- und Bodenkräfte die gesamte Region Klebius besetzt, etwa ein Viertel des Landes. Und der nächste taktische Zug ist bereits absehbar: Die OCCASUS-Allianz versucht nach Norden zur Ostsee vorzustoßen und den Rostocker Hafen in Besitz zu nehmen. Dabei nutzt sie eine Mischung aus Sabotageaktionen und den Einsatz von Spezialkräften, die aus der Luft unterstützt werden. Die Folge: Das westliche Bündnis löst den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages aus.“

Der Artikel 5 des NATO-Vertrages besagt: Wenn einer oder mehrere der Vertragsparteien in Europa oder Nordamerika mit Waffen angegriffen werden, wird dies als Angriff gegen alle NATO-Mitglieder gewertet.

Laut Artikel 5 sind somit die anderen Mitgliedsstaaten verpflichtet, jegliche Maßnahmen inklusive Waffengewalt zu ergreifen, um dem angegriffenen Land beizustehen und die Sicherheit des „nordatlantischen Gebietes“ wiederherzustellen und zu erhalten.

Drei Flugübungsräume in Deutschland

Die Übungsflüge sollen in drei eng definierten Lufträumen stattfinden, die wochentags jeweils im Wechsel genutzt werden, kündigte die Bundeswehr an.

Mit der 2018 durch Deutschland initiierten und federführend geplanten Übung möchte Deutschland „Verantwortung übernehmen“, kommentiert der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, das Engagement.

Dabei soll ein Übungsraum Ost über Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee jeweils von 10:00 bis 14:00 Uhr auch für Tiefflüge reserviert sein. Tiefflüge sind nur hier erlaubt.

Der Raum Süd erstreckt sich von Lechfeld in Bayern nach Rheinland-Pfalz und soll von 13:00 bis 17:00 Uhr genutzt werden, bevor im Raum Nord über der Nordsee von 16:00 bis 20:00 Uhr weitergeflogen wird. Nachts und am Wochenende finden keine Übungsflüge statt.

„Passagiere ziviler Flüge können also vor allem in den frühen Morgenstunden sowie am Wochenende auf pünktliche Starts und Landungen hoffen“, merkt man an.

Rund 10.000 Übungsteilnehmer werden im Rahmen von Air Defender 23 die gemeinsame Reaktionsfähigkeit ihrer Luftstreitkräfte in einer Krisensituation trainieren.

Folgende Nationen nehmen teil: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan (kein NATO-Mitglied), Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden (kein NATO-Mitglied), Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, USA, Vereinigtes Königreich.

23 verschiedene Flugzeugtypen im Einsatz

Für die Übungen werden 23 verschiedene Flugzeugtypen von verschiedenen Partnernationen an mehreren Standorten in Deutschland stationiert sein. Die Standorte sind Wunstorf, Schleswig/Hohn, Geilenkirchen, Spangdahlem, Lechfeld und Neuburg.

Starten werden die Übungseinsätze hauptsächlich von den Standorten: Jagel/Hohn in Schleswig-Holstein, Wunstorf in Niedersachsen, Lechfeld in Bayern, Spangdahlem in Rheinland-Pfalz, Volkel in den Niederlanden und Tschaslau in der Tschechischen Republik.

Die drei Hauptdrehkreuze während Air Defender 23 sind Schleswig/Hohn, Wunstorf und Lechfeld. Das Hauptdrehkreuz und Ausgangspunkt für die Transport- und Tankflugzeuge ist der Fliegerhorst Wunstorf.

Die Flugübungsräume orientieren sich an Gebieten, die schon seit Jahrzehnten durch die Luftwaffe für die routinemäßige Ausbildung genutzt werden, erklärt die Bundeswehr. Sie werden jedoch für Air Defender 23 erweitert und teilweise durch Korridore miteinander verbunden.

Tiefflüge nur in bestimmten Gebieten

Die Flughöhen während Air Defender 23 in den drei Übungsräumen betragen hauptsächlich zwischen 2.500 und 15.000 Metern und höher. Tiefflüge von Jets und Transportmaschinen sind in einem Teil des östlichen Luftübungsraumes geplant. Dieser Übungsraum erstreckt sich über dem nördlichen Brandenburg, Teilen von Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee.

Der Luftraum ist für diese Tiefflüge täglich vom 12. bis 22. Juni für drei Stunden am Stück reserviert. Zusätzlich finden vereinzelt Tiefflüge an den Truppenübungsplätzen Baumholder und Grafenwöhr statt.

Die deutsche Luftwaffe verspricht, alle Beteiligte, zuvorderst die Luftwaffe selbst, die Deutsche Flugsicherung, Eurocontrol, Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber täten alles dafür, die Belastung durch Air Defender 23 für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.

So werden die drei Luftübungsräume zeitversetzt und nie zeitgleich für bis zu vier Stunden täglich militärisch genutzt und stehen in diesem Zeitfenster dem zivilen Luftverkehr nicht zur Verfügung. Insgesamt will man die Auswirkungen auf den zivilen Flugverkehr weitestgehend minimieren.

Verbündete Streitkräfte auf dem Fliegerhorst

Anlässlich der multinationalen Übung sind beim in Wunstorf stationierten Lufttransportgeschwader 62 vom 29. Mai bis zum 30. Juni viele verbündete ausländische Gäste auf dem Militärflugplatz temporär stationiert.

Zu den 2.600 am Standort vorhandenen deutschen zivilen und militärischen Kräften sind in dem Zeitraum rund 600 amerikanische, rumänische und ungarische Soldaten untergebracht. Während die Rumänen mit einer C-27-Transportmaschine vertreten sein werden, stationieren die USA für den Zeitraum der Übung zehn C-130 sowie zwei C-17 in Wunstorf.

Konkret wird während der Übung mit den C-17-US-Transportflugzeugen Material und Personal aus Amerika auf den niedersächsischen Luftwaffenstützpunkt geflogen. Von dort wird es mit den C-130-Transportflugzeugen zu den übrigen Übungsstandorten gebracht. Neben dem Lufttransport erfolgt der Transport auch via Straße mit amerikanischen Tiefladern.

Modernster Militärflugplatz Europas

Der seit den 30ern bestehende Militärflugplatz Wunstorf ist der Heimatstandort der gesamten deutschen A400M-Logistikflotte mit ihren 39 Transportmaschinen. Er gilt als einer der modernsten Militärflugplätze Europas.

Die bald auf 50 Flugzeuge erhöhte Logistikflotte an A440M-Maschinen wurde in der Vergangenheit fast gänzlich für den logistischen Lufttransport genutzt. Durch eine aktuell stattfindende Auf- und Umrüstung werden die Maschinen zunehmend auch im taktischen Lufttransport eingesetzt, zum Beispiel für die medizinische Evakuierung oder die Luftbetankung, wodurch sie den Operationskreis von Kampfflugzeugen deutlich erhöhen.



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