Faeser: „Erfolg der AfD schreckt Fachkräfte ab“ – Experten sind skeptisch
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat nach dem Sieg des AfD-Kandidaten bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg vor möglichen negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort gewarnt. Die AfD schüre „ein Klima, das dem Standort Deutschland schadet“, erklärte sie gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstagsausgabe).
Faeser: AfD wird zum „Chancentod für abgehängte Regionen“
AfD-Kandidat Robert Sesselmann hatte sich am Sonntag, 25. Juni, mit knapp 53 Prozent in der Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten Jürgen Köpper durchgesetzt. Alle übrigen Parteien hatten zur Wahl Köppers aufgerufen. Die AfD bekleidet damit erstmals ein kommunales Spitzenamt in Deutschland. Der Verfassungsschutz in Thüringen stuft den Landesverband der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Sesselmann ist Beisitzer im Landesvorstand.
Die AfD werde „zum Chancentod gerade für die Regionen, die wirtschaftlichen Aufschwung brauchen“, so Faeser. Die Partei biete keinerlei Antworten für die Herausforderungen des Landes. Das gesellschaftliche Klima, das sie erzeuge, schrecke qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland ab. Auf diese seien gerade wirtschaftlich schwache Regionen angewiesen.
Rechtsextreme Einstellungen nicht der einzige relevante Standortfaktor
Nicht wenige Experten halten ein Assessment dieser Art für unterkomplex. Die Fachkräfte-Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2019 beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, was Länder für internationale Fachkräfte attraktiv macht.
Dabei zählt zwar auch die Einstellung zu Einwanderung und kultureller Pluralität zu den Faktoren, die zur Attraktivität beitragen können. So ist unter anderem unter türkischstämmigen Bürgern in Deutschland mit akademischer Ausbildung seit Mitte der 2000er ein Trend zur Abwanderung zu verzeichnen. Viele wanderten in eine wirtschaftlich erstarkte Türkei ab, andere etwa in die USA oder nach Großbritannien. Die Wahrnehmung von Diskriminierung und zunehmender Islamophobie spielten für viele dabei mit eine Rolle.
Dennoch sind vorhandene rechtsextreme Ressentiments oder eine strenge Einwanderungspolitik für viele Migrationswillige nicht die entscheidenden Aspekte. Länder wie die Schweiz, Australien, Großbritannien, Kanada und auch einige Bundesstaaten der USA haben zum Teil sehr hohe Hürden für Einwanderer. Dennoch sind sie als Zielländer für Fachkräfte beliebter als Deutschland. Innerhalb der EU gelten auch Österreich, die Niederlande oder Frankreich als verhältnismäßig beliebte Zielländer, obwohl es dort seit Jahren stimmenstarke Rechtsaußenparteien gibt.
Worauf es Fachkräften ankommt
In Summe sind es jedoch individuelle Faktoren und alltäglichere Überlegungen, die international mobile Fachkräfte zur Entscheidung für oder gegen ein Land bewegen. Zu den wichtigsten gehören dabei Karrierechancen, attraktive Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter und bessere Aufstiegsmöglichkeiten.
Als weitere Faktoren, die für potenzielle Einwanderer relevant sind, gelten Klima und Lebensqualität. Auch bürokratische Hürden bei der Einwanderung, Sprachbarrieren oder ein bereits vorhandenes soziales Umfeld spielen für Entscheidungen dieser Art eine Rolle. Einwanderer bevorzugen es, Zielländer zu wählen, in denen es bereits eine etablierte Community von Landsleuten gibt.
Vor allem bezüglich der Lebensqualität fällt Deutschland dabei immer weiter zurück. Immer höhere Energiekosten, steigende Lohnnebenkosten, eine hohe Inflation und explodierende Lebenshaltungskosten treffen auch Einwanderer. Viele dieser Entwicklungen sind augenscheinlich Folgeerscheinungen politischer Entscheidungen der vergangenen Jahre.
Immerhin hat die Ampelkoalition in der vergangenen Woche eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes auf den Weg gebracht. Dieses soll vor allem bürokratischen Hürden entgegenwirken und auf diese Weise die Attraktivität des Standorts Deutschlands erhöhen.
CDU in Thüringen will Debatten nicht der AfD überlassen
Faeser betonte unterdessen, es sei entscheidend, dass die „Brandmauer nach rechts“ stehe. Es dürfe keine Anbiederung an die Positionen und die „menschen- und demokratieverachtende Sprache“ der AfD geben. Diese werde immer dann stark, wenn „in der Mitte der Gesellschaft rechte Themen hochgepeitscht und Begriffe und Positionen übernommen werden“.
Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt will sich demgegenüber nicht vorschreiben lassen, welche Themen er zu bedienen habe. Er erklärte gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND):
Wenn jetzt manche belehrend oder gar vorwurfsvoll mit dem Finger auf Ostdeutschland zeigen, dann ist das entschieden zurückzuweisen. Wir lassen uns unsere Thüringer Heimat nicht schlecht reden.“
Die Bürger hätten „Sehnsucht nach einem grundlegenden Politikwechsel in Berlin und Erfurt und sie erwarten klare Unterscheidbarkeit zwischen den Parteien“. Die Union dürfe Debatten nicht ausweichen und Probleme nicht schönreden, „nur weil die AfD sie anspricht“. Die CDU solle „eine optimistische Zukunftsperspektive“ bei den Themen Flüchtlinge, Energie, Pflege, Bildung, Rente, Gesundheit und Pflege anbieten. Demgegenüber haben einige West-Landesverbände der CDU andere Prioritäten. So ließ etwa der niedersächsische Landtagsabgeordnete André Hüttemeyer jüngst beispielsweise Sympathien für die Idee anklingen, das Leugnen des „menschengemachten Klimawandels“ unter Strafe zu stellen.
(Mit Material von AFP)
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