Ampelkoalition erleichtert Einwanderung für Fachkräfte

Der Bundestag beschließt mehrheitlich ein neues Gesetz sowie eine Reform für Aus- und Weiterbildung. Ob Deutschland damit die Folgen der Überalterung lindern kann, bleibt offen. IHK Chemnitz warnt vor Fake-Bewerbungen
Viele Bereiche in Deutschland sind auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.
Viele Bereiche in Deutschland sind auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.Foto: Christoph Schmidt/dpa
Von 23. Juni 2023

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bereits vor Monaten angekündigt, Deutschland das „modernste Einwanderungsrecht“ für Fachkräfte geben zu wollen. Am Freitag, 23. Juni, hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition Erleichterungen für Fachkräfte aus Drittländern beschlossen.

Heil wollte ursprünglich die Reform der Einwanderung für Fachkräfte gleich mit der Neufassung der Staatsangehörigkeit verknüpfen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der FDP. Dafür verband die Koalition ihr Gesetzesvorhaben nun mit der Reform der Aus- und Weiterbildung. Dies soll die Entschlossenheit signalisieren, das Problem fehlender Fachkräfte nicht nur durch Einwanderung lösen zu wollen.

Bisheriges Gesetz für Fachkräfte immer noch zu bürokratisch

Ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz gibt es in Deutschland bereits seit drei Jahren. Dieses hat bislang jedoch noch nicht die erwünschte Wirkung erzielt – und das möglicherweise nicht nur infolge der Corona-Einschränkungen.

Wie das ZDF berichtet, sind die bürokratischen Vorgaben für Einwanderungswillige aus dem Ausland immer noch hoch. In Tunesien beklagte dies etwa die Leiterin einer dortigen Arbeitsagentur, mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) während eines Staatsbesuchs sprach.

Das Verfahren sei so aufwendig, dass viele entnervt aufgäben und sich anderweitig orientierten. Allein schon die Wartezeiten auf einen Termin bei deutschen Vertretungen, um ein Visum zu beantragen, seien erheblich.

Mehrere potenzielle Wege zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt

Nun soll es leichter werden für hiesige Unternehmen, im Ausland Bewerber für freie Stellen zu suchen. Auch die Hürden für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte, nach Deutschland zu kommen, sollen sinken. Ein weiteres Element ist der sogenannte Spurwechsel.

Dieser soll es eigentlich ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen erleichtern, sich legal einen gesicherten Aufenthalt zu sichern. Der Weg dazu gehe über eine Ausbildung oder einen Job als Fachkraft.

Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, hat zudem noch größeren Freiraum, um Kontingente für Erwerbsmigration zu vereinbaren. Solche Vereinbarungen gibt es beispielsweise schon mit den Westbalkan-Staaten. Für eine legale Einwanderungsmöglichkeit reicht dann ein Arbeitsvertrag. Eine besondere Qualifikation wäre nicht mehr erforderlich.

Künftig profitieren auch Schwiegereltern vom Familiennachzug

Vorbild für das neue Gesetz zur Erleichterung der Einwanderung für Fachkräfte ist das kanadische Modell, heißt es aus der Ampel. Ausländische Berufsabschlüsse sollen leichter Anerkennung finden. Zudem wird es ein Punktesystem geben, das gut qualifizierten Bewerbern oder solchen jungen Alters und guter Sprachkenntnisse den Weg nach Deutschland erleichtern soll. Auch für Menschen mit langjähriger Berufserfahrung sollen die Hürden sinken – vor allem im Bereich der IT.

Eine besondere Erleichterung gibt es auch im Bereich der Familienzusammenführung. Diese soll nicht mehr nur für die Kernfamilie gelten. Auch wer seine Eltern oder die Schwiegereltern zu sich nach Deutschland holen möchte, soll dies tun können. Allerdings muss deren Lebensunterhalt hier ohne staatliche Unterstützung gesichert sein.

Fachkräfte fehlen in immer mehr Berufen

Laut einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit herrscht in jedem sechsten Beruf in Deutschland ein Mangel an Fachkräften. Allein im vergangenen Jahr habe es in 200 von etwa 1.200 bewerteten Berufen Engpässe gegeben. Dies entspreche einer Steigerung um 52 Berufe im Vergleich zum Jahr davor.

Zu den betroffenen Berufsfeldern gehören unter anderem Pflegeberufe, Berufskraftfahrer, medizinische Fachangestellte, Bauberufe, Kinderbetreuung, Kraftfahrzeugtechnik und IT. Im Jahr 2022 kamen drei weitere Berufe mit Fachkräftemangel hinzu, nämlich Hotel- oder Gastronomieservice, Metallbau und Busfahrer. Die Hälfte der offenen Stellen im vergangenen Jahr entfiel auf einen dieser Berufe mit Fachkräftemangel.

Wesentliche Treiber dieser Entwicklung sei die Überalterung der Gesellschaft. Zu wenig Nachwuchs und die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge kämen in immer stärkerem Maße zum Tragen. Das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung (KOFA) spricht von 1,3 Millionen offenen Stellen für qualifizierte Fachkräfte in Deutschland. Das entspreche einer Steigerung um 30,1 Prozent.

Logistikbranche: Zu gute Bewerbungen derzeit aus Afrika

Unterdessen drohen schon jetzt erste Trittbrettfahrer die bevorstehenden Erleichterungen für sich nutzen zu wollen. So rät einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ zufolge die IHK Chemnitz zu „höchster Vorsicht“ bei Bewerbungen aus afrikanischen Staaten.

Derzeit würden vor allem bei Logistikunternehmen zahlreiche Unterlagen dieser Art eingehen, hieß es am Donnerstag. Diese wiesen „eine hohe Qualität“ auf und seien „mit allen erdenklichen Dokumenten versehen“.

Tatsächlich sei jedoch in vielen Fällen ein Versuch zu vermuten, eine Einladung nach Deutschland zu bekommen. Unternehmen sollten deshalb in jedem Fall die Übernahme von Flug- und Übernachtungskosten ausschließen. Auch solle man mit Blick auf potenzielle Schadsoftware vorsichtig sein, die sich über Dateianhänge verbreiten könne.

(Mit Material von dpa)



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