Es brodelt in der Landwirtschaft
Ob Ostern, Weihnachten oder Neujahr, für Benedikt Steinhoff gibt es auf dem Bauernhof immer etwas zu tun: Tiere füttern, den Stall ausmisten, Reparaturarbeiten, auch die zunehmende Bürokratie muss bewältigt werden. Die Arbeit ist hart, die Zukunft ungewiss und dann noch das schlechte Image der Landwirte und Bauern in der Gesellschaft.
Wie Steinhoff sind auch viele deutsche Landwirte und Bauern frustriert. Der Druck kommt von allen Seiten: Verbraucher wollen gut und günstig einkaufen. Der Einzelhandel diktiert die Preise. Umweltverbände fordern mehr Tierwohl und Naturschutz. Und von der Politik kommen immerzu neue Verordnungen.
Fünf Kategorien fürs „Tierwohl“
So treibt Bundesagrarminister Cem Özdemir derzeit ein bundesweit einheitliches und verpflichtendes Tierwohllabel voran. Es soll für Schweinefleisch gelten, die in Deutschland gehalten und an Verbraucher verkauft werden.
Die Haltungsformen werden dabei in fünf Kategorien eingeteilt: klassische Masttierhaltung, Masttierhaltung mit zusätzlichen Vorgaben wie mehr Platz, Masttierhaltung mit Zugang zu Frischluft, Masttierhaltung mit ständigem Auslauf oder Freilufthaltung, sowie Bio-Haltung.
Später soll die Kennzeichnungspflicht auch auf die Gastronomie, verarbeitete Lebensmittel und weitere Tierarten und Produkte ausgeweitet werden.
Für die Landwirte bedeutet dies zusätzliche Bürokratie sowie laufende Mehrkosten – und das ausgerechnet inmitten der hohen Inflation. Auch fürchten sie eine Benachteiligung gegenüber der ausländischen Konkurrenz.
2.000 Mastbetriebe haben aufgegeben
Dabei sei die Situation der deutschen Schweinehalter ohnehin schon äußerst prekär, sagte Landwirt Anthony-Robert Lee von „Landwirtschaft verbindet Deutschland““ (LsVD) gegenüber der Epoch Times. Allein im letzten Jahr hätten 2.000 Mastbetriebe aufgegeben. „Und wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb einmal zumacht, macht er nie wieder auf“.
Lee erklärt die Hintergründe so: Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland ist der größte Absatzkanal für die hiesigen Lebensmittelhersteller – mit rund 90 Prozent Marktanteil. Und dieser diktiere, was auf dem Regal landet. Und so kommen massenweise importierte Waren nach Deutschland: Bio-Äpfel aus Neuseeland und Südamerika, Rindfleisch aus Argentinien, Schweine aus Spanien, für die Gastronomie wird das Fleisch gar aus Chile eingeflogen. „Nichts davon ist das, was wir hier angeblich wollen. Nichts davon ist nachhaltig, umweltschonend oder sozial“, so der Landwirt aus Niedersachsen.
Kein fairer Wettbewerb
Das Schweinekotelett aus Spanien ist aber nun einmal günstiger als das deutsche, regionale Produkt, das an zahlreiche Vorgaben wie Tierwohl oder Mindestlohn geknüpft ist. „Lebensmittel, die in die EU importiert werden, müssen nur ein einziges Kriterium erfüllen: Sie dürfen nicht gesundheitsgefährdend sein“, sagte Lee weiter. Von Tierwohl oder soziale Standards keine Rede.
Es gebe Produkte im Ausland, bei denen Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden, die in Deutschland seit 30 Jahren verboten seien. „Das hat mit vorausschauender Politik, nachhaltiger Politik, Klimaschutz nichts zu tun“, sagte Lee.
Dabei gelte für viele Landwirte die klare Aussage: Ja zu mehr Tierwohl und Umweltschutz. Aber diese müssten auch für die ausländische Konkurrenz in gleichem Maß verpflichtend sein. Andernfalls werde die Tierhaltung in Deutschland weiter abgeschafft. „Und das Fleisch kommt dann von woanders her, mit schlechteren Standards, weil wir nicht weniger essen werden“, warnte der Landwirt.
Umbau der Tierhaltung: Kein neues Thema
Seit über zehn Jahren schon diskutiert die Politik über den Umbau der Tierhaltung. Noch unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner wurde das sogenannte Borchert-Konzept herausgearbeitet. Ein breiter Konsens wurde erzielt unter den Vertretern aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz.
Im Jahr 2020 sprachen sie sich für eine tiefgreifende Veränderung in der Nutztierhaltung aus. Dazu gehört eine deutliche Reduzierung des Tierbestandes, finanziert über staatliche Förderung und höhere Lebensmittelpreise. Die Borchert-Kommission hatte die Kosten auf vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Agrarminister Özdemir hingegen will mit einer Milliarde Euro bis zum Jahr 2026 den Stallumbau subventionieren.
BUND lobt „Zwischenerfolg“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland honoriert Özdemirs Plan als „Zwischenerfolg“, kritisierte allerdings die „viel zu gering angesetzten Haushaltsmittel“. Mit einer Milliarde Euro sei der Umbau für die Bauern nicht zu stemmen, schreibt BUND-Vorsitzender Olaf Bandt.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert das Konzept von Haltungskennzeichnungen hingegen grundsätzlich. Sie führt an, dass die Haltungsform nicht unbedingt etwas über das tatsächliche Wohlbefinden der Tiere aussagt.
Es brodelt
Bei den Landwirten brodelt es. Wenn die Pläne so bleiben, werde sich „der Trend zu Verlagerungen ins Ausland verstärken, den wir schon haben“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Binnen zehn Jahren sei der Schweinebestand in Deutschland um 5,8 Millionen Tiere geschrumpft, in Spanien gebe es 7,4 Millionen mehr.
„Wenn wir so weitermachen, werden wir zum Importland, und das kann es nicht sein.“ Das schlägt auch auf die branchengetragene „Initiative Tierwohl“ durch, welche Tierhalter für bestimmte höhere Standards honoriert. Tierwohl-Fleisch habe so nicht mehr den Absatz wie zuvor, erläuterte Rukwied.
Weiterer Druck entsteht, weil viele Supermarktkunden wegen der hohen Inflation die billigsten Produkte kaufen. Das schlägt auch auf die branchengetragene „Initiative Tierwohl“ durch, die Tierhalter für bestimmte höhere Standards honoriert. Tierwohl-Fleisch habe so nicht mehr den Absatz wie zuvor, erläuterte Rukwied.
„Am Regal endet die Moral“
Viele Bürger sagen zwar, dass sie nachhaltige, regionale Produkte gut fanden, doch „am Regal endet die Moral“, so das Fazit von Landwirt Lee. So würden doch die meisten zu den billigeren Produkten greifen. Dies hätte eine Studie der Universität Göttingen gezeigt.
„Wir sind hier in eine Spirale herein geraten.“ Will Deutschland da ausbrechen, müssten zunächst feste Standards für importierte Waren eingeführt werden. Der Lebensmitteleinzelhandel, die Politik und Verbraucher müssten sich zudem „ehrlich machen“, was für Mensch und Umwelt wirklich nachhaltig ist.
Die Schweinezucht hatte Benedikt Steinhoff schon länger abgeschafft. Mit seinen Mastbullen fühlt sich der Bauer aus Westfalen derzeit noch „halbwegs auf der sicheren Seite“, erklärte er der Epoch Times. Für den „schlimmsten Fall“, hätte er auch schon einen Plan: „Wir legen den ganzen Betrieb still. Verpachten die Flächen. Und ich suche mir irgendwo einen anderen Job.“
(Mit Material von Nachrichtenagenturen)
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