Wahrhaftigkeit, Güte, Nachsicht: „Was die Welt wirklich nötig hat“
Auf dem historischen Karlsplatz in München, wo einst Könige und Kaiser ihre prächtigen Paraden abhielten, versammelten sich am Samstag, 11. Mai, Hunderte Menschen aus nah und fern – unter einem ganz anderen Banner.
Um die in leuchtendem Gelb oder Blau gekleideten Frauen und Männer herum bildet sich eine große Traube von neugierigen Passanten, die Handys zücken, um das farbenfrohe Schauspiel festzuhalten. Einige Zuschauer versuchten, die vorgeführten sanften meditativen Übungen nachzumachen, andere wippen rhythmisch zur Musik einer Marching Band. Bunte Stoffbahnen flattern im leichten Frühlingswind. Auf einem von ihnen die Aufschrift: Welt Falun Dafa Tag.
„Endlich eine große Kundgebung, die wirklich Aufmerksamkeit erregt“, kommentierte ein Polizist unter vier Ohren am Rande der Veranstaltung.
Ein Tag der Dankbarkeit
Vor rund 32 Jahren – am 13. Mai 1992 – hat der Gründer von Falun Dafa, Li Hongzhi, zum ersten Mal den Kultivierungsweg der Öffentlichkeit in China vorgestellt. Die Praktik, auch bekannt als Falun Gong, hat seitdem über 100 Millionen Menschen weltweit sowohl gesundheitlich als auch seelisch bereichert. Alljährlich feiern Praktizierende aus über 100 Ländern diesen für sie ganz besonderen Tag, einen Tag der Dankbarkeit.
In München schlossen sich Praktizierende aus ganz Deutschland und den benachbarten Ländern zu einer festlichen Parade zusammen, mit Darbietungen der kraftvollen Tian Guo Marching Band (Himmelreich-Orchester), der tanzenden Löwen und der energiegeladenen Hüfttrommler. Sie bringen eine Kernbotschaft zum Ausdruck: Die Welt braucht Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht.
Tiefste Wertschätzung
Diese Botschaft fand auch bei CSU-Politiker Benedikt Flexeder Anklang, der zu diesem Anlass vor dem Karlstor sprach.
Wenn jeder sich immer an diese Werte halten würde, dann hätten wir deutlich weniger Probleme in unserer Gesellschaft und wir könnten alle deutlich friedlicher zusammenleben.“
In diesen Tenor stimmen weitere Grußworte ein. Jasna Causevic von der Gesellschaft für bedrohte Völker äußert in einem Schreiben ihre „tiefste Wertschätzung“ für den Mut der Falun-Dafa-Praktizierenden, „mit dem Sie zu Ihren Werten Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht“ stehen.
Diese seien universelle menschliche Werte, die jeder, der an die Würde und Freiheit des Menschen glaubt, schätzt und unterstützt.“
Wertschätzung und Anerkennung richten sich auch an den Begründer von Falun Dafa. „Seine Lehren und Prinzipien haben Millionen von Menschen Hoffnung und Inspiration geschenkt, und sein Vermächtnis wird in den Herzen und Köpfen derer, die von Falun Dafa profitieren, für immer weiterleben“, schreibt der hessische Landtagsabgeordnete Heiko Kasseckert (CDU).
Der Daoist, das Schaf und das Herz
Die drei Prinzipien „Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht“ sind in China tief in den buddhistischen und daoistischen Lehren verankert. Sie spiegeln traditionelle Werte wider, die die chinesische Kultur über Jahrtausende geprägt haben.
真 Zhen – die Wahrhaftigkeit – findet insbesondere bei den Daoisten große Beachtung. Mönche, die dieser Philosophie folgen, richten sich hauptsächlich nach der Wahrhaftigkeit, erklärte die Moderatorin der Kundgebung, Eva Müller. Das beinhaltet, die Wahrheit zu sagen, wahrhaftig zu handeln und zum „Wahren Selbst“ zurückzukehren.
善 Shan – die Güte – setzt sich im Chinesischen aus zwei Zeichen zusammen: Das obere Zeichen steht für „Schaf“ und das untere für „Mund“. Zusammen sieht das Zeichen wie ein friedliches Gesicht aus. Das Schaf symbolisiert Gutmütigkeit, eine Symbolik, die ähnlich auch im Christentum verwendet wird.
Das chinesische Zeichen 忍 Ren – die Nachsicht – besteht aus den Symbolen für Messer und Herz. Auch wenn es mal wie ein Messerstich ins Herz geht, „muss man Nachsicht üben“, erklärte Eva Müller. Falun-Dafa-Praktizierende würden ihr Leben nach diesen drei Prinzipien ausrichten und nach stetiger Selbstverbesserung streben.
Brücken bauen
Diese moralische Erhöhung bekommt für viele Menschen mit Blick auf die heutige gesellschaftliche Spaltung, Kriege und die rasante technische Entwicklung eine wichtige Bedeutung.
„Wenn ich die drei Wörter betrachte, so sehe ich Hoffnung“, sagte Tsakalis Eugenia, eine Passantin, die sich am Infozelt über Falun Dafa informierte. Die zweifache Mutter äußerte Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Mit der progressiven Denkweise – immer mehr, schneller, weiter – entfernten sich die Menschen von den universellen Werten. Die Gesellschaft soll wieder in die Vergangenheit zurückblicken und daraus lernen, befindet Eugenia. Menschen sollen ihre menschliche Natur bewahren.
Marina Nikolic, eine professionelle Fotografin aus München, glaubt, dass mit Wahrheit, Güte und Nachsicht Menschen wieder „Brücken zueinander bauen können“. Es sollten noch mehr Menschen diese Prinzipien beherzigen und verbreiten.
25 Jahre Verfolgung und die Frage nach dem „Warum“
Doch genau das wird in China seit rund 25 Jahren mit allen politischen Mitteln verhindert. Die kommunistische Partei Chinas verfolgt, drangsaliert und ermordet Falun-Dafa-Praktizierende aufgrund ihrer spirituellen Überzeugung und Praktik.
„Warum?“, fragten viele Passanten, die dies zum ersten Mal hörten. Sie sind bestürzt über die Gewalttaten, die bis zum Organraub reichen. Eva Müller, eine Zeugin dieser brutalen Verfolgung in China, erklärte dazu: „Wenn die Gutherzigkeit in der Gesellschaft überwiegt, können Tyrannei und Klassenkampf, die auf dem Bösen basieren, nicht existieren.“
Kern der traditionellen chinesischen Kultur sei Gewaltlosigkeit. Kern der Kommunistischen Partei Chinas sei hingegen Machtgewinn und Machterhalt. „Das Mittel zur Erlangung dieser Macht ist der Kampf.“
Worte der Ermutigung
Zwei Zuschauerinnen bestärkten die verfolgten Falun-Dafa-Praktizierenden darin, weiterzumachen und „niemals aufzugeben“. „Schauen Sie, dass Sie so viel Unterstützung wie möglich bekommen – weltweit“, ermutigte Anita M. Sie habe sich selbst einen Flyer mitgenommen und werde sich weiter informieren.
Dass die Menschen in Deutschland auch „wachgerüttelt“ werden, mit dieser Parade sei eine gute Sache, befindet ihre Freundin Denise Gebauer. Es täte ihr innerlich sehr gut, der Parade zuzuschauen.
In Bezug auf die drei Prinzipien von Falun Dafa sind sich die Freundinnen einig: Die ganze Welt brauche Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht. Man sollte sich „diese Worte täglich ins Gedächtnis rufen“, fügte M. hinzu.
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