Comeback der Kernkraft schon bis 2030 möglich? Kernphysiker: „Ausgeschlossen“

Der KKW-Dienstleister NUKEM hält eine Rückkehr zur Kernkraft bis 2030 für möglich. Eine solche Option scheint die Kraftwerksbetreiber selbst jedoch nicht zu interessieren. Sie konzentrieren sich voll auf den Rückbau. Auch ein Kernphysiker aus der Branche schließt ein Atom-An aus verschiedenen Gründen aus.
Kernkraft
Das Kernkraftwerk Emsland im Mai 2024. Per Gesetz sollen diese stillgelegten Kraftwerke dem Erdboden gleichgemacht werden.Foto: aerovista luchtfotografie/iStock
Von 20. März 2025

Seit knapp zwei Jahren nutzt Deutschland keine Kernkraft zur Stromerzeugung mehr. Die letzten drei Kernkraftwerke (KKW), Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, gingen nach einem Streckbetrieb am 15. April 2023 endgültig vom Netz.

Neben der Abschaltung der Meiler beinhaltet das Atomgesetz auch den Rückbau der stillgelegten Anlagen. Allerdings gibt es weiterhin Kernkraftbefürworter, die einen Wiedereinstieg in diese Technologie begrüßen würden.

Hoffnung machte ihnen jüngst die Aussage von Thomas Seipolt von NUKEM. Der Geschäftsführer des in Karlstein am Main ansässigen KKW-Dienstleisters kam zu dem Schluss, dass nach derzeitigem Stand die letzten sechs KKW spätestens im Jahr 2030 wieder in Betrieb sein könnten, wenn die Politik die entsprechenden Weichen stelle und der Rückbau sofort gestoppt werde. NUKEM ist selbst im Bereich Rückbau von KKW sowie im Management von radioaktiven Abfällen tätig.

Fokus auf Rückbau

Doch ist es realistisch, dass die 64-jährige Kernkraftära Deutschlands tatsächlich in einem halben Jahrzehnt ein Comeback erleben könnte? Dazu fragte die Epoch Times bei den Betreibern dieser KKW nach, wie sie einen solchen Schritt einschätzen. Von den entsprechenden Websites der Kraftwerksbetreiber ist klar zu entnehmen, dass sie sich im Bereich der Kernkraft auf den Rückbau der Kraftwerke eingestellt haben – entsprechend der Vorgabe des Atomgesetzes.

Das bestätigte etwa PreussenElektra auf Anfrage der Redaktion. Das Energieversorgungsunternehmen ist unter anderem für den Rückbau von Isar 2 in Niederbayern zuständig und „konzentriert sich auf die Stilllegung und den Abbau ihrer acht Kernkraftwerke“. Zudem machte PreussenElektra deutlich, dass der Weiterbetrieb dieser Kernkraftwerke für sie kein Thema mehr sei. „In allen – auch den zuletzt abgeschalteten – Anlagen ist der Rückbau in vollem Gang. Große Komponenten des primären Kühlkreislaufs sind demontiert und Systeme stillgesetzt.“

Bei Wahlsieg: CDU/CSU will Kernkraft wieder hochfahren

Das Kernkraftwerk Isar 2 wurde im April 2023 als eines der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Foto: Armin Weigel/dpa

PreussenElektra scheint den eingeschlagenen Kurs auch weiterhin fortführen zu wollen. Laut dem Unternehmen seien die Anlagen „damit praktisch nicht mehr reaktivierbar“.

Dasselbe gilt für den Energieversorgungskonzern RWE. Seit September 2024 hat der Konzern die Abbaugenehmigung für die „Rückbauanlage Emsland“. RWE teilte der Epoch Times mit, dass ein Rückbaumoratorium, aber auch eine Wiederinbetriebnahme „rein politische Entscheidungen“ wären.

„Wir haben immer betont, dass rein technisch betrachtet eine Wiederinbetriebnahme möglich wäre. Allerdings haben wir auch stets betont, dass für eine Wiederinbetriebnahme neben den technischen Herausforderungen auch erhebliche regulatorische, finanzielle und personelle Hürden bestünden“, so der Konzern. Somit schließt RWE diesen Schritt zurück zur Kernkraft nicht komplett aus, betont jedoch die damit verbundenen Schwierigkeiten.

EnBW: „Rückbaustatus irreversibel“

Unter den sechs zuletzt endgültig abgeschalteten deutschen Kernkraftwerken befindet sich mit dem Block Neckarwestheim II (GKN II) auch eine Anlage der EnBW. Der Rückbau von GKN II hat im Mai 2023 begonnen. Der baden-württembergische Energieriese EnBW hat sich schon früh auf den Rückbau dieser Anlage vorbereitet, wie ein Pressesprecher auf Anfrage mitteilte. „Wir haben bei der EnBW bereits im Jahr 2011 einen Masterplan für den Rückbau aller fünf EnBW-Kernkraftwerke erarbeitet und im Jahr 2012 final beschlossen.“

Damit hat EnBW offenbar prompt auf die Ankündigung der damaligen Bundesregierung reagiert, den bereits beschlossenen Atomausstieg beschleunigen zu wollen. Anlass dafür war die Reaktorkatastrophe im März 2011 im japanischen Fukushima nach einem starken Erdbeben und Tsunami.

Aufgrund des inzwischen fortgeschrittenen Rückbaus hält EnBW eine Reaktivierung für nicht machbar. „Der Rückbaustatus unserer fünf Kernkraftwerke ist praktisch gesehen irreversibel“, so der Pressesprecher.

Ein weiterer Grund ist, dass „auf absehbare Zeit kein geeignetes Fachpersonal in ausreichender Anzahl für den Stromproduktionsbetrieb vorhanden“ wäre. Einerseits seien etliche Fachkräfte in den Ruhestand gegangen, andererseits sei das übrige Personal speziell auf die Abschaltung und den Rückbau geschult worden. Dieses Personalproblem hat auch schon der ehemalige Oberschichtleiter des KKW Greifswald, Manfred Haferburg, angesprochen.

Somit fasst EnBW zusammen: „Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns vor diesem Hintergrund erledigt.“ Der Rückbau des bereits 2017 stillgelegten Standorts Neckarwestheim GKN I ist bereits weiter fortgeschritten.

Die Kraftwerksbetreiber schließen somit praktisch einstimmig eine Rückkehr Deutschlands zur Kernkraft aus. Für sie zählt die Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe.

Die Branche ist damit in Deutschland jedoch noch kein totes Pferd. Für manche stillgelegten KKW erwarten die Unternehmen, dass der Rückbau voraussichtlich noch bis 2040 andauern wird.

Kernphysiker: Reaktivierung der KKW ausgeschlossen

Um eine andere Einschätzung der Sachlage zu bekommen, sprach die Epoch Times auch mit dem Kernphysiker Günter Scherer. Er hat unter anderem im Bereich der Reaktorphysik in einem Kernkraftwerk gearbeitet.

Scherer hält die Wiedereinschaltung der bereits 2021 abgeschalteten KKW aus technischen Gründen für ausgeschlossen. Ende 2021 gingen die Kraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C endgültig vom Netz. Sie befinden sich inzwischen alle im Rückbau.

Laut Scherer verfügen Grohnde in Niedersachsen und das KKW Brokdorf in Schleswig-Holstein über Druckwasserreaktoren. Diese stammten vom Hersteller Kraftwerk Union (KWU), die ein gemeinsames Tochterunternehmen von Siemens und AEG war. Diese Druckwasserreaktoren sind Vorgänger der Reaktoren vom Bautyp „Konvoi“. Letztere wurden in Deutschland bis 2023 betrieben.

Wichtig sei bei einer eventuellen Reaktivierung dieser älteren Reaktoren, zu bedenken, dass selbst die letzten drei Kraftwerke mit moderneren Reaktoren der Linie außer Betrieb genommen wurden, so Scherer.

Atom-An der letzten drei KKW „unwahrscheinlich“

Die 2023 endgültig abgeschalteten und somit letzten drei KKW enthielten besagte modernere Reaktoren der Linie KWU-Konvoi. Auch eine mögliche Reaktivierung dieser stillgelegten Meiler bezeichnete Scherer als „unwahrscheinlich“, da die Kosten für „den Wiedereinbau entnommener, [erneut] herzustellender Anlagenteile immens werden“ dürften.

„Was zuweilen Manager, beispielsweise der Kernkraftdienstleister NUKEM, und Politiker wie Söder öffentlich äußern, sollte mit größter Vorsicht behandelt werden“, warnte Scherer.

Der Kernphysiker wies zudem darauf hin, dass es bisher noch nie eine Reaktivierung stillgelegter KKW-Blöcke gegeben hat. Dieser Richtungswechsel würde das Kraftwerkspersonal „in eine völlig neue Situation“ versetzen.

Solch eine Kehrtwende wäre zudem teuer. „Sollte im besten Fall ein Block nur abgeschaltet, also noch keinerlei Rückbau erfolgt sein, müsste nach fast zwei Jahren Stillstand zunächst eine äußerst kostspielige und arbeitsintensive Befundung nach einem aufwendigen Genehmigungsverfahren stattfinden“, erklärte Scherer. Dieses Verfahren selbst müsste jedoch noch entwickelt werden.

Eine Vielzahl von Hürden

Insgesamt sieht der Kernphysiker im Fall einer Reaktivierung der deutschen KKW Schwierigkeiten in mehreren Bereichen. Das umfasse die politische, verwaltungstechnische, personelle und die technologische Ebene sowie die Ebenen Sicherheit, Brennstoffbeschaffung und Endlagerung radioaktiven Materials.

„Es ist mit umfassenden technisch-technologischen Herausforderungen bei der Wiederinbetriebnahme von KKW-Blöcken zu rechnen“, schilderte Scherer. „Selbst wenn keinerlei Rückbau von Anlagenkomponenten erfolgt sein sollte, sind wesentlich höhere Aufwände an Arbeitsleistung und Kosten erforderlich als bei turnusmäßigen Tätigkeiten im Dauerbetrieb wie Umladung von Kernbrennstoff nach Abschluss einer Reaktorkampagne oder während einer üblichen Großinstandhaltung.“

Allein schon die Beschaffung von neuem, geeignet aufbereitetem Kernbrennstoff ist „höchstwahrscheinlich selbst nach politischer Willensbekundung und behördlich genehmigten Verfahren zur Reaktivierung einer KKW-Anlage ein langwieriger Prozess“. Für solch einen Prozess bei der Wiederinbetriebnahme von KKW-Blöcken nach mehrjährigem Stillstand gebe es keinerlei Erfahrung.

Ebenso könnten sich laut Scherer große Teile der Bevölkerung gegen eine mögliche Regierungsentscheidung eines Atom-An aussprechen. Die Folge könnten neue „Protestaktionen wie zu Zeiten der Antiatombewegung“ sein.



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