Wenn China unsere PV-Anlagen ausschalten kann – Kritik an Solarspitzen-Gesetz
Die deutschen Netzbetreiber haben die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr aufgefordert, ein „Gesetz zur Vermeidung von Überschüssen in der Stromerzeugung“ zu verabschieden. Daraus entstand das Solarspitzen-Gesetz. Besonders Solaranlagen sollen dadurch an sonnigen Tagen verstärkt abgeschaltet werden.
Da der Ausbau von Photovoltaik (PV) weiterhin boomt, sei diese Regelung dringend nötig, um die Netzsicherheit zu gewährleisten. In einer Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie haben die Teilnehmer daher am 15. Januar übereinstimmend beschlossen, dass der Bundestag das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden soll. Doch das Gesetz könnte eine gravierende Sicherheitslücke für Angriffe aus dem Ausland – speziell aus China – öffnen.
Bayernwerk AG: „Not-Aus“ für PV-Anlagen nötig
Wie dringend eine kontrollierbare Eindämmung ist, schilderte Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung des Netzbetreibers 50Hertz Transmission GmbH. Bezüglich der PV-Spitzen betonte er, dass die geplanten Maßnahmen dringend erforderlich seien.
„Wir brauchen wirksame Preissignale und auch Steuerungsmöglichkeiten im System.“ Andernfalls könne es durch Erzeugungsüberschüsse zu Netzsituationen kommen, „in denen ganze Verteilnetzstränge und damit Endverbraucher temporär von der Stromversorgung getrennt werden müssen“. Solch eine kontrollierte Abschaltung wird auch als Brownout bezeichnet.
Auch Andreas Kießling, Leiter Politik beim Energieanbieter Bayernwerk AG, mahnte vor der Gefahr einer immer weiter steigenden mittäglichen Erzeugungsspitze durch PV-Anlagen. Das führe zu erheblichen Herausforderungen für einen sicheren Netzbetrieb. Kießling begrüßte die Gesetzesvorlage. Es brauche ein „Not-Aus“ für Bestandsanlagen und scharfe Sanktionen bis hin zur Netztrennung. Wichtig sei auch das Thema „Spitzenkappung“ für Neuanlagen.
Wer abregeln kann
Diese Abriegelungen oder „Steuerungsmöglichkeiten im System“ durch das Solarspitzen-Gesetz beziehen sich vor allem auf die Wechselrichter von PV-Anlagen. Sie wandeln den Gleichstrom der Solarmodule in netzkonformen Wechselstrom um und sind die Schnittstelle zwischen Solaranlage und öffentlichem Stromnetz.
Im Rahmen des Solarspitzen-Gesetzes müssten die Netzbetreiber bei zu hoher Stromerzeugung die Wechselrichter temporär abschalten. So könnten kurzfristig mehrere Gigawatt (GW) durch deutsche PV-Anlagen abgeregelt und ein Stromüberschuss im Netz vermieden werden.
Doch die Sache hat einen Haken: Die Abregelung könnte theoretisch auch der chinesische Hersteller oder im Hintergrund das Regime in Peking vornehmen. Diese Sicherheitslücke ist im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. Nicht nur in Deutschland installierte PV-Module stammen überwiegend aus dem fernöstlichen Land. Auch rund 80 Prozent der Wechselrichter hierzulande sind „Made in China“. Hier dominieren Hersteller wie der Marktführer Huawei, Sungrow, Ginlang Solis, Growatt, GoodWe oder Deye.
Zuletzt ereignete sich solch eine größere Wechselrichtermassenabschaltung Mitte November 2024. Der chinesische Hersteller Deye deaktivierte seine Geräte in den USA, im Vereinigten Königreich, in Pakistan und weiteren Ländern. Die PV-Anlagen funktionierten damit erst einmal nicht mehr. Der Grund für die Abschaltungen lag offenbar an fehlenden Betriebsgenehmigungen für die Geräte in den genannten Ländern.
Damit tangiert der massive Ausbau der PV-Energieinfrastruktur direkt die Cybersicherheit. Denn neben Netzbetreibern und Geräteherstellern könnten auch Angreifer (Hacker) die Wechselrichter über das Internet ausschalten.
50 Hertz – (fast) nicht mehr und nicht weniger
Diese Möglichkeit der unkontrollierten Abschaltung stellt eine Gefahr dar. Denn das deutsche Stromnetz ist äußerst sensibel. Damit es stabil läuft, müssen die Netzbetreiber stets eine Netzfrequenz von möglichst 50 Hertz (Hz) aufrechterhalten. Stromerzeugung und -verbrauch oder -last müssen sich dafür stets die Waage halten. Eine zu geringe Stromerzeugung bewirkt einen Frequenzabfall und Stromüberschuss einen Frequenzanstieg. Ab 49,8 Hz beziehungsweise ab 50,2 Hz sind einschlägige Maßnahmen erforderlich. Das können Aktivierung von Leistungsreserven, Lastabwurf oder Trennung von PV-Anlagen vom Netz sein.
Wenn augenblicklich und unvorhergesehen 5 GW, 10 GW oder noch mehr Leistung vom Netz gehen, kommt es zu Schutzabschaltungen im Netz. Die Folge ist ein Blackout, also ein großflächiger, möglicherweise länderübergreifender Stromausfall.
Die Netzbetreiber können mit der zur Verfügung stehenden Menge an „Regelenergie“ jedoch nur Schwankungen von bis zu 3 GW ausgleichen. Das sind die Schwankungen im Bereich von 49,8 und 50,2 Hz. Zum Vergleich: An sonnenreichen Tagen haben die deutschen PV-Anlagen 2024 zur Mittagszeit teils über 44 GW ins Netz eingespeist. Aktuell hat Deutschland rund 100 GW an installierter Leistung durch Solaranlagen.
Welche Wechselrichterhersteller welchen Anteil in Deutschland haben, ist nicht genau ersichtlich. Dafür gibt es globale Zahlen. Huawei hatte im Jahr 2022 weltweit einen Marktanteil von 29 Prozent bei den PV-Wechselrichtern. Bei vorsichtiger Beispielrechnung nehmen wir an, dass in Deutschland rund 25 Prozent aller Wechselrichter von Huawei sind. Würden bei 44 GW momentaner PV-Leistung Huawei all seine Geräte ausschalten, fielen plötzlich 11 GW weg. Das hätte hierzulande einen Blackout zur Folge.
Union skeptisch gegenüber Solarspitzen-Gesetz
Andreas Jung, energie- und klimapolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hat sich bezüglich einer Zustimmung seiner Partei zum geplanten Solarspitzen-Gesetz zurückhaltend geäußert. „Wir werden dem Gesetz nur zustimmen, wenn es für mehr Energiesicherheit sorgt – und nicht für weniger“, sagte Jung dem „Tagesspiegel“.
Zuletzt hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in der „Welt am Sonntag“ vor dem Vorhaben gewarnt: Man sehe „erhebliches Gefährdungspotenzial“, so ein Sprecher mit Blick auf eine mögliche Steuerung von PV-Wechselrichtern durch ausländische Hersteller.
„Wenn das BSI Bedenken formuliert, nehmen wir das sehr ernst und warten darauf, wie die konkrete Kritik am Gesetz aussieht“, sagte Jung weiter.
Auch aus der regierenden Partei kamen am Sonntag kritische Signale. „Ich sehe bei diesem Thema dringenden Handlungsbedarf, Eingriffen von außen in kritische Infrastruktur muss ein Riegel vorgeschoben werden“, sagte Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dem „Tagesspiegel“.
Im Weiteren teilte Scheer mit: „Wir müssen bei Handel und Installation Maßgaben setzen, die den Sicherheitsanforderungen gerecht werden, aber den Hochlauf der erneuerbaren Energien nicht bremsen.“ Sie sprach sich für eine verstärkte Förderung lokaler Hersteller aus. „Das beste Mittel wäre, heimische und europäische Produktion zu fördern“, so Scheer.
Atug: Missbrauch ist garantiert
Manuel Atug, Gründer und Sprecher der Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AG Kritis), teilte diese Ansicht. „Der Markt von Solarprodukten wächst sehr schnell, die Bedrohung ist also ein realistisches Zukunftsszenario“, sagte er dem „Tagesspiegel“. „Wenn so ein kritisches Produkt fast komplett in der Hand eines solchen Akteurs ist, ist der Missbrauch garantiert.“
Der Europapolitiker Reinhard Bütikofer (Grüne) hingegen kritisierte Deutschlands Umgang mit seiner kritischen Infrastruktur: „Verletzlichkeiten bei unserer kritischen Infrastruktur sind bisher in Deutschland zumeist auf die leichte Schulter genommen worden. Beispiel Hamburger Hafen“, sagte Bütikofer dem „Tagesspiegel“.
Ebenso merkte Bütikofer an: „China als strategischen Partner Russlands und unseren systemischen Rivalen ernst zu nehmen hieße, dass die nächste Bundesregierung mit den bisherigen Blauäugigkeiten bricht.“
(Mit Material von dts)
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