Bund will größtes Stromnetz aufkaufen – auch die Niederländer sind dafür
Die Bundesregierung will das größte deutsche Stromnetz aufkaufen, das sich derzeit noch im Besitz des niederländischen Staatsunternehmens TenneT Holding BV befindet. Die Verhandlungen zwischen TenneT und der Bundesregierung laufen bereits seit Oktober 2022. Eine Einigung dürfte kurz bevor stehen.
TenneT betreibt in Deutschland etwa 13.900 Kilometer Stromleitungen auf Hoch- und Höchstspannungsebene. Insgesamt hat das Übertragungsnetz in Deutschland laut der Bundesnetzagentur eine Länge von rund 38.000 Kilometer. Das ist mehr als ein Drittel der bestehenden. Damit ist das Netzgebiet das flächenmäßig größte der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Es reicht in einem Nord-Süd-Korridor von der Nordsee bis zur österreichischen Grenze. Die weiteren deutschen Netze betreiben 50Hertz im Osten Deutschlands sowie Amprion und TransnetBW in Baden-Württemberg.
Verkauf ist noch nicht sicher
Die Bundesregierung bietet dem niederländischen Unternehmen im Gegenzug rund 20 Milliarden Euro an, wie FAZ berichtet. Doch offenbar werden dabei nur Teile dieser Summe wirklich an den Konzern überwiesen. Der Grund: Ein großer Betrag fließt in die Schuldenübernahme von TenneT Deutschland. Derzeit verhandeln die Kaufpartner noch über rund eine Milliarde Euro.
Die Unternehmensführung in Den Haag ist momentan nur geschäftsführend im Amt, wobei sich TenneT zu 100 Prozent im Besitz des niederländischen Finanzministeriums befindet. Regierungsseitig sind jedoch Wahlen zu einem neuen Kabinett am 22. November angesetzt; der formal bereits zurückgetretene Ministerpräsident Mark Rutte wird kaum noch darüber verhandeln. Damit könnten sich die Verhandlungen noch einige Monate hinziehen.
Dabei stellt sich eine Frage: Was geschieht, wenn sich eine links geführte Koalition unter dem ehemaligen EU-Kommissar Frans Timmermans herausbildet? Dieser führt ein rot-grünes Wahlbündnis an, das den Verkauf von TenneT Deutschland ablehnt, um „grenzüberschreitende Vorteile für die Energiewende zu erhalten“, wie es im gemeinsamen Wahlprogramm heißt.
Warum die Niederländer das deutsche Netz nicht wollen
Die Niederländer wollen allerdings den deutschen Teil des Übertragungsnetzbetreibers loswerden, da die Kosten für die Instandhaltung und den Betrieb des Stromnetzes in ihren Augen zu hoch sind. Der Grund für die hohen Kosten ist die deutsche Energiewende.
Um sie zu stemmen, müssten die vier in Deutschland tätigen Übertragungsnetzbetreiber bis zum Jahr der angestrebten Treibhausgasneutralität 2045 rund 300 Milliarden Euro in den Ausbau der Stromnetze investieren. Das ist der kalkulierte Preis für den steigenden Strombedarf sowie neu entstehende Kraftwerkskapazitäten.
Rund 110 Milliarden davon entfallen auf das Gebiet von TenneT mit vielen Windkraftanlagen auf hoher See. Gerade deren Anbindung an die deutschen Verbraucher ist besonders teuer.
Kommt eine Deutsche Netz AG?
Der Erwerb von TenneT könnte ein weiterer Schritt in Richtung einer „Deutschen Netz AG“ sein. Immer wieder ist diese Option im Gespräch. Schon seit 2018 ist Deutschland über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 20 Prozent am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz beteiligt. Als Anstalt des öffentlichen Rechts ist die KfW zu 80 Prozent im Besitz des Bundes und zu 20 Prozent im Besitz der Bundesländer. Sie übt eine staatliche Steuerungsfunktion aus.
Die Bundesregierung wollte damals einen Einstieg des chinesischen Staatsunternehmens SGCC in die kritische Infrastruktur verhindern. An TransnetBW, einer Tochtergesellschaft von EnBW, hält die KfW ein Vorkaufsrecht für 24,95 Prozent der Anteile. Sie könnte von dieser Option bald Gebrauch machen. Allein dort werden bis zum Jahr 2025 Investitionen von sechs Milliarden Euro zur Modernisierung und zum Ausbau der Strom- und Gasnetze nötig.
Die Absicht der Bundesregierung dieser Netzfusion bedeute laut dem Fachportal „Institutional Money“ aber nicht unbedingt, dass sich das Stromnetz künftig in staatlicher Hand befinden muss. Tatsächlich sei die bevorzugte Option der Ampelkoalitionäre eine fusionierte Einheit, die mehrheitlich im Privatbesitz sei.
Sowohl Finanzminister Christian Lindner (FDP) als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterstützen das Vorhaben grundsätzlich. Lindner sehe auch keine Finanzierungsprobleme, da etwaige Übernahme-Investitionen im Netzbereich nicht auf die Kreditaufnahme des Bundes angerechnet werden. Somit seien diese irrelevant für die Berechnung der Schuldenbremse.
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