Stetiger Anstieg der Staatsschulden – was kann auf uns Bürger zukommen?
Die öffentliche Verschuldung ist im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Schuldenberg von Bund, Ländern und Gemeinden 2022 auf insgesamt 2.368 Milliarden Euro angestiegen. Das bedeutet, dass die Pro-Kopf-Verschuldung damit bei 28.164 Euro lag. Das waren 244 Euro mehr als 2021, als die Pro-Kopf-Verschuldung noch bei 27.920 Euro lag.
Der Trend eines stetig anwachsenden Schuldenbergs in Deutschland setzt sich auch in diesem Jahr fort. Für das zweite Quartal meldete das Statistische Bundesamt kürzlich Staatsschulden von 2.417 Milliarden Euro. Das ist im Vergleich zum Jahresende 2022 ein Anstieg um 49,2 Milliarden Euro.
Erstmals wurde der ÖPNV in die Statistik aufgenommen
Die Statistik des Bundesamtes weist allerdings nur den sogenannten „nicht-öffentlichen Bereich“ des Staatshaushaltes aus. Zum nicht-öffentlichen Bereich zählt man Schulden des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Auch die Schulden der gesetzlichen Sozialversicherungen werden in dieser Statistik angegeben. Weiter finden sich dort sogenannte Extrahaushalte zum Beispiel von staatlichen Unternehmen sowie ausgewählte öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, wenn diese Schulden bei Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen oder ausländischen Banken aufgenommen haben.
Ab dem 2. Quartal dieses Jahres kommen nun auch noch die Schulden des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) dazu. Hintergrund ist das seit Mai eingeführte Deutschland-Ticket, durch das ÖPNV-Unternehmen Zuweisungen und Zuschüsse von Bund und Ländern erhalten. Dadurch finanzieren sie sich nicht mehr überwiegend durch ihre Umsatzerlöse und werden nach dem Konzept der Finanzstatistiken ausnahmslos als Extrahaushalte klassifiziert, wodurch ihre Schulden in die Statistik einfließen. Ohne Einbezug der neu in die Statistik aufgenommenen ÖPNV-Unternehmen würde der Schuldenstand im 2. Quartal 2023 mit 2.408,6 Milliarden Euro um 8,4 Milliarden Euro niedriger ausfallen. Die Veränderung gegenüber dem Jahresende 2022 würde dann lediglich ein Plus von 1,7 Prozent ergeben oder in Zahlen 40,6 Milliarden Euro betragen. Im Vergleich zum 1. Quartal dieses Jahres wäre der Schuldenberg so um 0,1 Prozent gestiegen oder würde in Zahlen ausgedrückt 2 Milliarden Euro betragen.
Wirkliche Neuverschuldung wurde im Haushalt verschleiert
Ginge es nach Finanzminister Christian Lindner (FDP), dann soll Deutschland in diesem Jahr wieder den Gürtel enger schnallen und sich an die engen Vorgaben der Neuverschuldung halten. Deshalb hatte der Minister den Bundesministerien schon mit dem Haushalt für das kommende Jahr Sparen verordnet. Damit möchte er die Schuldenbremse einhalten. Das klingt auf den ersten Blick nach einem redlichen Unterfangen, gäbe es da nicht diverse Schattenhaushalte. Darauf wies dann auch die Opposition in der Haushaltsdebatte im September hin. So warf der ehemalige Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), heute Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestages, Lindner und der Ampel vor, mit der Ausweitung von Schattenhaushalten den immer wieder betonten Sparwillen infrage zu stellen. Braun sprach im „Deutschlandfunk“ von 29 großen Schattenhaushalten wie Sondervermögen. Der Haushalt sei daher „kein wirklicher Sparhaushalt“. Die wirkliche Neuverschuldung sei fünfmal höher als im Haushaltsentwurf angegeben. „Das ist einfach zu viel“, kritisierte Braun. „Christian Lindner sagt immer die richtigen Worte zur Schuldenbremse, aber lebt sie nicht“, hielt der frühere Kanzleramtschef dem Bundesfinanzminister und FDP-Chef vor.
Kritik an der Haushaltsplanung der Bundesregierung kam auch vom Bundesrechnungshof. Auch die obersten Rechnungsprüfer werfen der Ampel vor, Schulden in Schattenhaushalten zu verschleiern. Unter Einbeziehung dieser als „Sondervermögen“ deklarierten Haushalte liegen die für das kommende Jahr anvisierte Neuschuldenaufnahme nicht wie behauptet bei 16,6 Milliarden Euro, sondern real bei 85,7 Milliarden Euro. Weiter plane der Finanzminister mit einem Haushaltsloch von 15 Milliarden Euro, so der Bundesrechnungshof. Das heißt, die Ampel legt keinen ausgeglichenen Haushalt vor, sondern weiß schon jetzt nicht, wie sie 15 Milliarden Euro finanzieren möchte, die sie aber schon als Ausgaben geplant hat.
Das Fazit der Rechnungsprüfer: Der Haushalt 2024 sei unsolide finanziert, umgehe bewusst die Schuldenbremse und verschleiere so die echte Verschuldung.
Was unterscheidet Staatschulden von privaten Schulden?
Wenn Deutschland aber immer mehr Schulden anhäuft, wie sieht es dann mit der Rückzahlung aus? Vor allem was bedeutet das für jeden einzelnen Bürger? Diese Frage, dürfte sich schon einmal jeder gestellt haben.
Grundsätzlich gilt, dass Staatsschulden nicht vergleichbar mit Privatschulden sind. Nehmen Privatpersonen Schulden auf, dann finanzieren sie damit in der Regel Dinge, die sie auf einen Schlag nicht bezahlen könnten. Das könnte zum Beispiel die Finanzierung eines Hauses sein. Jeder Kreditgeber wird bei Vergabe des Kredites darauf schauen, dass die Schulden in einem absehbaren Zeitrahmen zurückgezahlt werden können. Das bedeutet, dass Zins und Tilgung mit dem vorhandenen Einkommen finanziert werden müssen.
Anders bei Staatsschulden: Nimmt der Staat Schulden auf, muss er ihn nicht in einem Lebenszyklus zurückzahlen. Staaten haben einen viel größeren Zeitpuffer, um Schulden zu tilgen. Solange die Steuereinnahmen fließen, besteht kein Problem. Der Staat kann so seine Schulden bedienen und die grundlegenden Ausgaben wie beispielsweise Sozialleistungen, Straßenbau, Gesundheitswesen, Bildung und Verteidigung bezahlen. Daher ist die Schuldenpolitik von Staaten oft laxer als von Privathaushalten. Das ist nicht neu. Die Frage, ob Verschuldung überhaupt für Staaten ein Problem ist, wird von Volkswirten, Wirtschaftswissenschaftlern und der Politik durchaus kontrovers diskutiert. Kritiker einer laxen Politik bei der Staatsverschuldung gab es schon vor 200 Jahren. So bezeichnete der britische Wirtschaftswissenschaftler David Ricardo die Staatsverschuldung einmal als „schreckliche Geisel“ und als „Plage der Nation“.
Staatsschulden können Bürger in Bedrängnis bringen
Tatsächlich kann eine hohe Schuldenquote Bürger in schwere Bedrängnis bringen. Das hat die Vergangenheit schon gezeigt. Länder wie beispielsweise Italien oder Griechenland gehören heute nach den schweren Finanzkrisen in der EU zu den am meisten verschuldeten Ländern in Europa.
Wer erinnert sich nicht an die Rettungsschirme für Griechenland. Das Land war nach der Krise 2008 in eine schwere Rezession gerutscht. Zwischen 2010 und 2019 musste das Land Schulden von knapp 280 Milliarden Euro aufnehmen. Neben den Hilfspaketen waren es vor allem Notkredite, die das Land retten sollten. Bis heute sind nicht alle Kredite vollständig zurückgezahlt.
Neben der Neuverschuldung musste damals aber auch der Haushalt wieder einigermaßen ins Gleichgewicht gebracht werden. Daher musste das Land auch auf Druck der Kreditgeber einen heftigen Sparkurs einleiten. Stellen wurden abgebaut, Löhne und Renten gekürzt und Steuern wurden angehoben. Zahlreiche staatliche und kommunale Betriebe wurden an private Investoren verkauft. Zwischen 2009 und 2016 brach die Wirtschaftsleistung des Landes um fast die Hälfte ein.
Ähnlich erging es auch Italien. Auch dieses Land stürzte 2009 in die Rezession und nur eine Neuverschuldung konnte den Zusammenbruch des Landes retten. Auch die italienische Regierung reagierte auf die Neuverschuldung mit einem harten Sparkurs, damit die Ausgaben gesenkt werden konnten. So fielen beispielsweise italienischen Unternehmen plötzlich Aufträge weg, die ihnen die Regierung bis dahin immer beschafft hatte. Auch wurde weniger in Bildung und Forschung investiert – Personal an Unis und Schulen wurde abgebaut. Noch heute liegt die Verschuldungsquote des Landes bei 155 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zum Vergleich: Die Verschuldungsquote Deutschlands lag 2022 bei 66,3 Prozent des BIP.
Wäre eines der beiden Länder unter der Schuldenlast zusammengebrochen, hätte das noch größere Auswirkungen auf die Bevölkerung gehabt. An den Finanzmärkten hätte das Land als „technisch zahlungsunfähig“ gegolten. Diese Beurteilung tritt schon dann ein, wenn ein Land erstmals seine Schulden nicht bedienen kann. Kann ein Land seine Kredite nicht mehr bedienen, dann kann das zu lokalen Bankenpleiten führen, wenn beispielsweise Geldhäuser als Gläubiger aufgetreten sind. Auch Großinvestoren, die vorher in Staatsanleihen investiert haben, könnten so in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das kann zu Stellenabbau bis hin zu Unternehmensschließungen führen.
Deutschland hat Spielraum für zusätzliche Schulden
Trotz des Anstiegs der Verschuldung in Deutschland sind solche Szenarien im Moment nicht wirklich denkbar. Im Gegenteil: Deutschland hat Spielraum für zusätzliche Schulden. Das sieht zumindest das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) so. Der Infodienst des Instituts wies im April darauf hin, das Deutschland in Zukunft deutlich mehr investieren müsse, um den Ausbau von erneuerbaren Energien und Digitalisierung voranzutreiben. Diese Investitionen könne Deutschland über Schulden finanzieren, ohne dass die Schuldenquote stark steige. Dazu müsse die Politik aber die Schuldenbremse flexibler gestalten.
Deutschland sei bei der Schuldenquote deutlich besser aufgestellt als alle anderen großen Volkswirtschaften in der Eurozone. Der Leiter des Clusters Staat, Steuern und Soziale Sicherung beim Institut, Tobias Henze, geht sogar davon aus, dass durch das „nominal wachsende BIP“ die Schuldenstandsquote sogar unter die Marke von 65 Prozent fallen könnte. Daraus folgert Henze: „Es gibt also noch erheblichen Spielraum für die Haushaltspolitik, wenn der Staat sich vom Korsett der Schuldenbremse löst.“
Zwar solle man Schulden nicht leichtfertig aufnehmen, die Politik müsse aber im Blick haben, welche Investitionen dringend notwendig sind, um „die Position des Wirtschaftsstandorts Deutschland wenigstens zu halten und im Optimalfall zu verbessern“.
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