Bescheide verschickt: Dreiviertel der Berliner müssen mehr Grundsteuer zahlen
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Rund 900.000 Bescheide über die neue Grundsteuer, die ab 1. Januar 2025 gilt, haben die Berliner Finanzämter von Mitte Oktober bis Ende des Jahres 2024 an Immobilienbesitzer verschickt. Beim Blick auf die neuen Steuerbescheide zeigten sich teils massive Erhöhungen, mitunter wird ein Vielfaches an Grundsteuer für Immobilien fällig. Das betrifft vorwiegend die sogenannten guten Wohnlagen in der Innenstadt und an den Stadträndern.
Teilweise weit über 500 Prozent mehr
Im November hatte der Eigentümerverband „Haus & Grund“ in „Bild“ (hinter Bezahlschranke) ausgewertete Zahlen veröffentlicht, dass in Berlin ab 2025 durchschnittlich 74,4 Prozent mehr Grundsteuer fällig wird.
Nach der Auswertung müssen rund drei Viertel der Mieter und Vermieter in Berlin 2025 mehr bezahlen, teilweise steige die Grundsteuer um bis zu 565,7 Prozent. Günstiger wird es nur für ein Viertel der Mieter und Vermieter, deren Grundsteuer um bis zu 66,7 Prozent sinkt. Präsident von Haus & Grund Deutschland Kai Warnecke sagte im November der Zeitung, dass die Reform „in eine brutale Steuererhöhung“ laufe. Warnecke forderte von der Politik eine Notbremse inklusive einer neuen Grundsteuerformel. Auf X schrieb der Chef von Haus & Grund:
„Ist die neue Grundsteuer aufkommensneutral? Nein! Die Steigerungen liegen im Schnitt bei 74 Prozent. Wohnen wird teurer, nicht wegen der Mieten, sondern wegen des Staates.“
Die neue Grundsteuer wurde von der Politik als aufkommensneutral angekündigt. In Berlin sollte die Steuerlast im Durchschnitt nicht zunehmen, so hatte der Berliner Finanzsenator Stefan Evers (CDU) mehrfach versichert. Dort, wo bisher sehr wenig Grundsteuer anfiel, auch das war eine Aussage, könne sich der Steuerbetrag in Einzelfällen allerdings deutlich erhöhen.
Überprüfung erst im Jahr 2026
Im Jahr 2023 nahm Berlin circa 860 Millionen Euro an Grundsteuern ein. Ob die Steuerlast insgesamt gleich bleibt mit dem neuen, ab Januar 2025 greifenden Gesetz, die Versprechen also eingelöst werden, wird allerdings erst im Jahr 2026 überprüft, wenn die Finanzverwaltung die eingenommenen Grundsteuern für 2025 bekanntgibt.
Wie sich jetzt anhand der verschickten Bescheide zeigt, zahlen viele Eigentümer nach Inkrafttreten der Steuerreform eklatant mehr, und das trotz einer Senkung des Hebesatzes in Berlin von 810 auf 470 Prozent.
Nach Versand der Bescheide für Berlin hatte „Bild“ in einer Artikelserie extreme Fälle von privaten Eigentümern gesammelt: Die Besitzer eines Einfamilienhauses am Contessaweg (Spandau) zahlten 2024 noch 370,32 Euro pro Jahr. Ab 1. Januar 2025 sind es 1.576,18 Euro – ein Plus von 325,6 Prozent. 1.000 Prozent mehr Grundsteuer wurde bei einem Besitzer eines unbebauten Grundstückes in Pankow, auf dem nur Bienenkörbe stehen, erhoben. Jetzt soll er im Jahr 2.125,12 Euro Grundsteuer zahlen, statt vorher 207 Euro. Ein Mahlsdorfer soll für seine 120-Quadratmeter-Datsche ohne Kanalisations- oder Straßenanbindung jetzt fast das Dreifache von 911,80 Euro Grundsteuer zahlen. Als Bemessungsgrundlage dafür wurde sein Gartengrundstück auf 1,2 Millionen eingeschätzt.
„Kommt praktisch einer Enteignung gleich“
Auch „Apollo News“ berichtet von Fällen mit „drastischen Mehrbelastungen“: Das Strandbad Weißensee soll statt 770,31 Euro künftig über 36.946 Euro zahlen. Das ist fast das Fünfzigfache. Einen ähnlich gelagerten Fall benennt Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik beim Verband „Haus & Grund“: Ein Künstlerverein, der eine Immobilie in guter Lage in Berlin hat, soll künftig 27.000 Euro Grundsteuer berappen. „Das kann der Verein mit dem, was er tut, nie erwirtschaften“, so Barent im „Handelsblatt“. Sie erklärt, dies „kommt praktisch einer Enteignung gleich.“
Auch bei Carla R. (Name der Redaktion bekannt), die in Charlottenburg nahe Ku‛damm eine kleine Eigentumswohnung als Altersvorsorge abbezahlt, steht eine Erhöhung an. Aus den knapp 60 Euro Grundsteuer für die 33 Quadratmeter sind ab 2025 fast 170 Euro geworden (Bescheid liegt Epoch Times vor), also das nahezu Dreifache. Da die Wohnung vermietet ist, kann Carla R. die Grundsteuererhöhung an den Vermieter weiterreichen. Ansonsten müssen die Eigentümer die Belastungen selbst übernehmen.
Rentnerin Christine (82) kann beispielsweise die Grundsteuererhöhung, die ihr ins Eigenheim geflattert ist, nicht weitergeben. Sie wohnt mit ihrem Lebensgefährten in Berlin-Pankow in einem älteren Einfamilienhaus auf einem kleinen Grundstück. Sie berichtet: „Die Grundsteuer für unser Eigentum – wofür wir viele Jahre gearbeitet und Steuern gezahlt haben – wird ab diesem Jahr über eineinhalbmal so hoch sein. Wir als Eigentümer zahlen damit in unserem Rentenalter quasi Miete an den Staat, obwohl der nichts für unser Grundstück tut.“
Ein anderes Rentnerpaar rechnet in der Kommentarspalte eines rbb-Beitrages zur Grundsteuer vor, was ihr Einfamilienhaus und die anderen Preissteigerungen jetzt kosten: „Für unser EFH in Berlin-Köpenick, Baujahr 2005, 135 Quadratmeter, GS 500 Quadratmeter, haben wir bisher an Grundsteuer im Quartal 64 Euro gezahlt, ab II/2025 sind es 224 Euro. Das ist das Dreieinhalbfache! Hinzu kommen eine Steigerung von 0,8 Prozent KV sowie 0,2 Prozent PV sowie gestiegener Kfz-Versicherung. Da wir seit 2020 Rentner sind, fallen über 100 Euro mehr pro Monat schwer ins Gewicht! Wo soll das alles hinführen? Die inflationäre Kostenexplosion für Privathaushalte macht Angst!“
Härtefälle können Antrag stellen
„Für etwaige Einzelfälle“, wenn also die Erhebung der Grundsteuer ursächlich für eine Existenzgefährdung ist, wurde im neuen Grundsteuergesetz eine spezielle Härtefallregelung geschaffen. Die Anträge dazu können formlos beim Finanzamt gestellt werden. Dafür müssen, so die Senatsverwaltung für Finanzen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse vollständig offengelegt werden.
Kleingärten müssen nichts zahlen, da zu viel Aufwand fürs Finanzamt
Aber wer profitiert denn nun von dem neuen Grundsteuergesetz beziehungsweise erfährt Erleichterung? Jemand muss es, denn sonst könnte das Versprechen, dass das Steueraufkommen sich insgesamt nicht erhöhen soll, nicht eingelöst werden. Der Staat bereichere sich nicht an der Grundsteuerreform (Aufkommensneutralität), heißt es auf dem Portal der Stadt „berlin.de“.
Neben einer Entlastung in schlechteren Wohnlagen sollen Kleingärten und landwirtschaftliche Betriebe Steuererleichterungen erfahren, indem der Hebesatz für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke auf 0 Prozent herabgesetzt wird. Das bedeutet, dass landwirtschaftliche Betriebe keine Grundsteuer mehr zahlen müssen.
In Berlin profitieren dadurch circa 800 Betriebe, die Gartenbau, Blumenanbau, Fischerei oder Forstwirtschaft betreiben. Das Gleiche gilt für circa 1.200 Kleingartenanlagen. Bei diesen soll der Nulltarif auch einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für das Finanzamt verhindern.
Neuberechnung von 36 Millionen Immobilien in ganz Deutschland
Im Zuge der Grundsteuerreform werden insgesamt rund 36 Millionen Immobilien deutschlandweit neu bewertet. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 hatte die bisherige Bewertungsgrundlage für verfassungswidrig erklärt, „da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße“, informierte das Bundesfinanzministerium zur Reform.
Ungleichbehandlungen sollen ausgeglichen werden
Im Westen wurden vor der Reform die Grundstücke nach ihrem Wert im Jahr 1964 eingestuft, in den ostdeutschen Ländern auf Basis ihres Wertes im Jahr 1935. Diese Einheitswerte wurden mit einem einheitlichen Faktor, der sogenannten Steuermesszahl, und anschließend mit dem sogenannten Hebesatz multipliziert.
Während die Steuermesszahl bundeseinheitlich festgelegt ist, wird der Hebesatz – und damit letztlich die Grundsteuerhöhe – von den Gemeinden bestimmt. Die offizielle Idee hinter den neuen Modellen war mehr Gerechtigkeit bei der Berechnung durch eine stärkere Berücksichtigung des aktuellen Immobilienwertes. Steuerliche Ungleichbehandlungen sollten laut „Bundesfinanzministerium“ dadurch ausgeglichen werden.
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