Amortisationskonto: Habeck will Kosten für Wasserstoffkernnetz auf Folgegenerationen verteilen

Für den Aufbau des Wasserstoffkernnetzes in Deutschland richtet die Bundesregierung ein sogenanntes Amortisationskonto ein. Damit sollen die zeitlich unterschiedlich hohen Entgeltkosten in die Waage gebracht werden. Was bedeutet das für künftige Netzkunden?
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) will die Ampel-Koalition bis zur Bundestagswahl weiterführen. (Archivbild)
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) will die Finanzierung des Wasserstoffausbaus strecken.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 12. September 2024

Die Energiewende kann eine Chance sein, Deutschland in vielen Bereichen erheblich klimafreundlicher zu machen. Doch diese Transformation der Energieinfrastruktur und anderer gesellschaftlicher Bereiche wird vor allem eines: sehr teuer.

Allein die Errichtung des Wasserstoffkernnetzes ist offenbar so kostenintensiv, dass das von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) geleitete Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz deswegen unlängst ein sogenanntes Amortisationskonto eingerichtet hat.

Amortisationskonto soll Differenz ausgleichen

Amortisierung bedeutet so viel wie Tilgung oder Begleichung einer Investition in einem bestimmten Zeitraum.

Susanne Ungrad, Pressesprecherin des Wirtschaftsministeriums, erklärte auf Anfrage der Epoch Times, wie dieses Amortisationskonto funktioniert. Dabei handelt es sich nicht um ein Konto wie bei der Bank. Es ist vielmehr ein Verrechnungskonto.

„In der frühen Hochlaufphase entsteht durch die Deckelung des Hochlaufentgelts eine Differenz zwischen hohen Investitionskosten und knappen Einnahmen aus Netzentgelten angesichts weniger Erstnutzer“, sagte Ungrad. Das bedeutet: Am Anfang fallen für den Aufbau des Kernnetzes hohe Kosten an. Gleichzeitig gibt es aber noch wenig Wasserstoffverbraucher, die die Netzkosten über Entgelte bezahlen könnten.

Diese Differenz soll das Amortisationskonto ausgleichen. „Wenn zu einem späteren Zeitpunkt mehr Nutzer an das [Wasserstoff-]Netz angeschlossen sind und die Einnahmen aus Netzentgelten die Kosten für Netzaufbau und -betrieb übersteigen, wird der entstandene Fehlbetrag im Amortisationskonto ausgeglichen“, schilderte die Pressesprecherin. „Die auflaufenden Mindereinnahmen dieser ersten Phase werden somit durch spätere Mehreinnahmen ausgeglichen.“

Diese „Entgeltverschiebung“ bewirkt, dass spätere Nutzer die Aufbaukosten des Netzes mittragen. Aus der Sicht des Ministeriums ist die zeitliche Streckung gerechtfertigt. Denn die späteren Nutzer würden von einem auskömmlich dimensionierten Netz und einem gelungenen Hochlauf profitieren.

Die ersten Wasserstoffnetze sollen im Zeitraum zwischen 2028 und 2030 zur Verfügung stehen. Das EnWG (Energiewirtschaftsgesetz, deutsches Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung) stelle dabei sicher, dass „das Hochlaufentgelt die Netzkunden nicht überfordert und überfordern darf“, so Ungrad.

Amortisation bis 2055 angesetzt

Das Wirtschaftsministerium hat für das Amortisationskonto eine Laufzeit bis zum Jahr 2055 vorgesehen. Nach Aussage von Ungrad ist damit genügend Zeitpolster für verschiedene Szenarien eingeplant. „Es wurde mit dem Zieljahr 2055 eine lange Laufzeit des Amortisationskontos gewählt, um auch bei Verzögerungen des Wasserstoffhochlaufs eine vollständige Finanzierung aus Netzentgelten zu gewährleisten.“

Amortisationskonto für Wasserstoffkernnetzausbau.

Der Ausbau des Wasserstoffnetzes steckt noch in den Kinderschuhen. Foto: Swen Gottschall/Zukunft Gas

Falls das Konto bis dahin „aus heute nicht vorhersehbaren Gründen noch nicht ausgeglichen sein sollte, greift eine staatliche Absicherung“, so Ungrad. „Dann gleicht der Bund den verbleibenden Fehlbetrag aus.“

Allerdings nur zum Großteil. Denn die Betreiber des Wasserstoffkernnetzes müssten sich laut der Pressesprecherin mit einem Selbstbehalt von bis zu 24 Prozent am Ausgleich des Fehlbetrags beteiligen.

Konkrete Zahlen zu den Kosten nannte das Ministerium hierzu nicht. Laut Bundesnetzagentur ist für das Wasserstoffkernnetz bundesweit eine Leitungslänge von 9.666 Kilometern vorgesehen. Dies beinhaltet zu rund 60 Prozent Umstellungen von bestehenden Erdgasleitungen. Die Energiebehörde rechnet mit vorläufigen Kosten von rund 19,7 Milliarden Euro.

Privatwirtschaftliche Finanzierung

Das Wasserstoffkernnetz sollen laut dem Ministerium ausschließlich Investoren aus der Privatwirtschaft finanzieren. Im Optimalfall läuft dieses Finanzierungskonzept also ohne staatliche Gelder ab.

Im laufenden Betrieb soll sich das Wasserstoffkernnetz künftig vollständig durch Netzentgelte, die die Wasserstoffabnehmer bezahlen, finanzieren. Diese seien aber gedeckelt, damit sie gerade in der Anfangsphase nicht ausufern.

„Die Bundesregierung hat sich bei der Entwicklung des Modells eng mit allen wesentlichen Stakeholdern [Anm. d. Red.: Anspruchsberechtigte oder Interessensgruppe] ausgetauscht. Insbesondere auch mit den Fernnetzbetreibern und ihren Investoren“, sagte Ungrad.

Dennoch sei das Konzept finanziell durch den Staat abgesichert, falls es unvorhersehbare Entwicklungen gibt. Das soll verhindern, dass hauptsächlich in den ersten Jahren sehr hohe Entgelte den Wasserstoffhochlauf gefährden.

Leerlauf problematisch

Trotz staatlicher Absicherung sehen einige Fachleute die Finanzierung kritisch. So etwa Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie. Bei einer öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestages im Februar warnte er vor einem möglichen Leerlauf, der „die größte Herausforderung“ bei der Finanzierung darstellt. Er erklärte:

Leerlauf entsteht, wenn das Netz auf große Bedarfe ausgelegt ist, die sich dann erst später realisieren. Wenn wir hohe Kosten haben und gleichzeitig geringe Einnahmen, führt das zu hohen Ständen im Amortisationskonto.“

Diese müssten dann über einen längeren Zeitraum durch sehr hohe Netzentgelte wieder ausgeglichen werden. „Diese Netzentgelte erreichen dann Höhen, die so von den Netznutzern nicht ohne Subventionen getragen werden können“, so Pfluger. Er ist überzeugt, dass die Gefahr eines solchen Leerlaufs durchaus besteht.

Hohe Kosten für Wasserstoff

Zudem könnte Wasserstoff im Allgemeinen künftig ein teurer Energieträger sein. Bei der Anhörung wies Energieexperte Helmut Waniczek darauf hin, dass die Wirkungsgrade bei der Erzeugung und bei der Verstromung von Wasserstoff außerordentlich gering sind.

„Es werden fünf Kilowattstunden Strom zu einer Kilowattstunde Strom. Das bedeutet, dass der Strom aus Wasserstoff mindestens fünfmal so teuer ist wie der am Anfang eingesetzte Strom“, schildert der Chemiker.

Seiner Aussage nach würde mit Strom aus Windkraft hergestellter Wasserstoff wegen der Umwandlungsverluste 90 Cent pro Kilowattstunde kosten. Dabei berücksichtigte er die Kosten für Redispatch, der Einspeisevergütung für erneuerbare Energien (EEG), der Reservekraftwerke sowie für den Stromnetz- und den Wasserstoffröhrenausbau.



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