Bahnprofessor favorisiert Oberleitungen, denn Wasserstoff sei die „teuerste Lösung“

Als Ersatz für Dieselloks lassen mehrere Bundesländer Batterie- und Wasserstoffzüge fahren. Nach Einschätzung von Bahntechnikprofessor Markus Hecht ist die Oberleitung die beste Lösung.
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Wasserstoff ist aus Sicht des Berliner Bahntechnik-Professor Hecht die teuerste Lösung und hat einen schlechteren Wirkungsgrad als Diesel.Foto: Scharfsinn86/iStock
Epoch Times8. Juli 2024

Bei der Suche nach klimafreundlichem Ersatz für die Dieselloks auf Deutschlands Bahnstrecken ist nach Einschätzung von Bahnfachleuten die Oberleitung die beste Lösung.

Die alternativen Zugantriebe Wasserstoff, Batterie und Pflanzenöl sind demnach erheblich teurer. Darüber hinaus steht vor allem bei Wasserstoff und Pflanzenöl die Ökobilanz in Zweifel. „Den besten Wirkungsgrad hat die Elektrifizierung mit Fahrleitung“, sagt Professor Markus Hecht von der TU Berlin.

In Deutschland sind laut der Allianz pro Schiene lediglich 62 Prozent des bundeseigenen Schienennetzes elektrifiziert. Zum Vergleich: Europaweites Vorbild ist die Schweiz, denn dort ist das gesamte Bahnnetz elektrifiziert. Auch Österreich, Italien und die Niederlande sind mit einem Anteil von jeweils über 70 Prozent elektrifizierten Bahnstrecken weiter.

Teure Wasserstoffzüge

Bayern will im Herbst den lang geplanten Testbetrieb von Wasserstoffzügen im Allgäu aufnehmen. „Bayern soll spätestens bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein. Dazu gehört auch, dass ab 2040 im Schienenpersonennahverkehr keine dieselbetankten Fahrzeuge mehr im bayerischen Schienenpersonennahverkehr verkehren“, sagt Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Vorzugslösung sei die Elektrifizierung.

Für Strecken ohne „Elektrifizierungsperspektive“ setzt die Staatsregierung demnach auf Akku- und Wasserstoffzüge. Allerdings gelten die Hightech-Wasserstoffzüge Skeptikern als politische Prestigeprojekte.

„Wasserstoff ist die teuerste Lösung und hat einen schlechteren Wirkungsgrad als Diesel“, sagt der Berliner Bahntechnikprofessor Hecht. Die Brennstoffzellen erzeugen nicht nur Wasser und Strom, sondern auch viel Abwärme.

Im Sommer höherer Stromverbrauch als im Winter

Deshalb sei bei Wasserstofffahrzeugen die Kühlung ein großes Problem. „Sie müssen im Sommer stark kühlen und brauchen auch Strom für die Klimaanlagen zur Kühlung der Fahrgasträume“, sagt der Wissenschaftler.

„Im Winter können Sie die Abwärme zum Heizen des Fahrgastraumes nutzen. Deshalb ist das Groteske, dass das Wasserstofffahrzeug im Winter weniger Energie braucht als im Sommer.“ Wegen des schlechten Wirkungsgrades sei der Energieverbrauch immer viel höher als bei allen anderen Technologien.

Der Berliner Professor steht mit seiner Einschätzung nicht allein: So verglich die TU Dresden 2017 und 2020 in Gutachten für die Bayerische Eisenbahngesellschaft die jeweiligen Vor- und Nachteile alternativer Antriebe.

Wasserstoff schnitt dabei schlechter ab als Batterien, auch in Bezug auf die CO₂-Bilanz. Bayern ist ein bedeutender Chemiestandort – deswegen plant die Staatsregierung den Aufbau eines Wasserstoffnetzes, das dann auch der Bahn zugutekommen könnte.

Niedersachsen hat bereits Wasserstoff getestet – und sich anschließend dafür entschieden, über 100 Batteriezüge zu kaufen, da Akku-Antrieb im Betrieb günstiger ist.

„Auch Batteriezüge sind betrieblich viel teurer als die reinen Elektrotriebwagen“, sagt Hecht. Der Wirkungsgrad sei schlechter, die Fahrzeuge schwerer. Die Batterie habe nur eine endliche Lebensdauer, müsse im Winter gewärmt und im Sommer gekühlt werden.

Auch Batteriezüge sind nicht ideal

„Daher können Batteriezüge auch nur geringe Distanzen fahren, heute sind es üblicherweise 80 Kilometer. Dann muss wieder eine Zwischenladestrecke kommen.“ Eine Lösung sind Hybridzüge: Stromabnehmer und Batterie kombiniert. Diese Züge können leere Batterien auf Streckenabschnitten mit Oberleitung wieder aufladen.

In Deutschland gibt es Strecken mit vielen Tunneln, die noch aus dem Dampflok-Zeitalter stammen – zu eng für die Oberleitung. „Dort können Umbaukosten der Tunnel für die Fahrleitung durch batterieelektrisches Fahren eingespart werden“, sagt Hecht.

Gebrauchtes Speiseöl – aus der Fritteuse in den Tank

Die dritte Option: gebrauchtes Pflanzen- und Speiseöl als Ersatztreibstoff für Dieselloks, im Fachjargon als HVO 100 bekannt. Da Dieselloks ohne großen technischen Aufwand auch mit Frittierfett fahren können, hat das den Vorteil, dass keine neuen Loks gekauft werden müssen.

„Dieselfahrzeuge können ohne aufwendige Umrüstungen mit dem klimafreundlichen Kraftstoff betrieben werden“, sagt eine Sprecherin von DB Regio Bayern. „So können wir sie bis ans Ende ihrer Lebensdauer weiterbetreiben, schonen das Klima und sparen Ressourcen.“

Wie klimafreundlich HVO ist, steht allerdings in Zweifel. „Bei der Verbrennung von HVO entweicht am Auspuff ebenso viel CO₂ wie bei Diesel“, sagt Hecht. „Der Umweltvorteil entsteht nur durch die Zertifizierung des HVO-Brennstoffes. Damit ist nachzuweisen, dass der Brennstoff aus biologischem Material stammt, dass vorher alles CO₂, das aus dem Auspuff kommt, aus der Luft aufgenommen wurde.“

Dabei gebe zwei große Pferdefüße: „Die Zertifikate können gefälscht sein, und dann liegt schlagartig ein Skandal vor. Und das Zweite ist: Man weiß ja nicht, was mit dem Material sonst passiert wäre.“ Die Sorge ist, dass der HVO-Brennstoff für Züge in Deutschland dann andernorts durch Kohle oder Öl oder sonstiges CO₂-emittierendes Material ersetzt werden könnte.

Praktische Bedenken gibt es auch. „HVO hat zwar einen Umweltvorteil, ist aber derzeit noch circa 30 Prozent teurer als herkömmlicher Diesel, sagt ein Sprecher des niedersächsischen Verkehrsministeriums.

„Weiterhin müssen die Motoren für den neuen Kraftstoff freigegeben werden, und die ausreichende Verfügbarkeit muss sichergestellt werden. Dies ist gerade bei älteren Motoren schwierig oder teilweise nicht möglich.“

Dauerhafte Lösung wird die Elektrifizierung sein

Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht HVO als Übergangslösung. „So viel Pommes, wie man da bräuchte, alle Dieselfahrzeuge umzustellen, können wir gar nicht essen“, sagt der bayerische Landesvorsitzende Lukas Iffländer, im Hauptberuf Informatikprofessor an der Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft.

Im Vergleich zu Wasserstoff sei HVO aber die sinnvollere Übergangslösung für Zweikraftlokomotiven mit Dieselmotor und Stromabnehmer.

Mit zunehmender Elektrifizierung des Bahnnetzes wird Hybridantrieb mit Batterie und Stromabnehmern nach Einschätzung Iffländers auch im Güterverkehr eine praktikable Lösung sein.

„Daher gehen wir davon aus, dass sich der vollelektrische Antrieb durchsetzen wird.“ Wo nicht mit Oberleitung, werde das Reichweitenproblem mit Akkus gelöst. „Quasi alle Strecken, die dann immer noch problematisch sind und über regelmäßigen Güterverkehr verfügen, sind zur Elektrifizierung vorgesehen.“ (dpa/red)



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