200 Maßnahmen für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr
Das Verteidigungsministerium hatte unter Federführung von Christine Lambrecht eine „kritische Bestandsaufnahme für eine Bundeswehr der Zukunft“ erstellt. In dem als Verschlusssache eingestuften Ergebnisbericht werden rund 200 Maßnahmen benannt, mit denen die „Einsatzbereitschaft und Funktionalität der Bundeswehr kurz-, mittel- und langfristig“ gesteigert werden soll.
Es handele sich zu einem Großteil um Prüfaufträge, Optionen und Vorschläge, nicht um fertige Konzepte. Der Bericht sei nur der „Auftakt von Veränderungen“, zitierte die „Welt“. Die Maßnahmen betreffen insbesondere die Bereiche Personal, Material und Funktionalität der Streitkräfte.
Beim Bundeswehrpersonal auf „Vielfalt“ gesetzt
Die Deckung des Personalbedarfs stehe sowohl quantitativ als auch qualitativ unter Druck, schrieb das Autorenteam des Verteidigungsministeriums. Die „demografischen und gesellschaftlichen Trends“ sowie die „wachsende Heterogenität der Bildungsvoraussetzungen“ behinderten die Gewinnung neuer Arbeitskräfte.
Am bisherigen Plan gibt es deshalb große Zweifel: Die Personalstärke soll demnach von derzeit 183.000 auf 203.300 Soldaten bis zum Jahr 2031 wachsen. Diese Zielmarke sei zwar „gegenwärtiger Entscheidungsstand“, erfordere aber eine zusätzlich deutliche Aufstockung.
Neben rund 20.000 Soldaten, die jährlich das Dienstzeitende erreichen und ausscheiden, müsste die Bundeswehr 18.000 weitere Personen rekrutieren. Dies sei „ambitioniert“ und ohne „tiefgreifende Maßnahmen“ nicht zu schaffen. In der Tat wurden in dem Bericht auch keine konkreten Maßnahmen vorgeschlagen. Stattdessen wurden unfertige Ideen in den Raum gestellt.
So wird unter anderem ein „nachhaltiges Vielfaltsmanagement“ vorgeschlagen, um mehr Frauen sowie Deutsche mit Migrationshintergrund für den Wehrdienst zu gewinnen. Diese seien in der Bundeswehr unterrepräsentiert. Darüber hinaus soll die Verpflichtungsdauer von Zeitsoldaten verlängert werden. Auch wurde vorgeschlagen, Soldaten von zivilen Dienstposten abzuziehen, damit sie vorwiegend militärische Aufgaben wahrnehmen können. Ebenfalls könne die Absenkung von Qualitätsanforderungen nicht ausgeschlossen werden.
Doch mehr Personal heißt auch mehr Kosten. Das schuldenfinanzierte Sondervermögen der Ampel-Koalition von 100 Milliarden Euro wird wahrscheinlich nicht ausreichen, so die „Welt“. Zuletzt hatte die Bundestag-Wehrbeauftragte Eva Högl eine deutliche Aufstockung des Bundeswehr-Sondervermögens auf 300 Milliarden Euro ins Gespräch gebracht.
20 Milliarden Euro für Klima- und Nachhaltigkeitsziele
Zum Material heißt es in Lambrechts Bericht lediglich, die bekannten Ausrüstungslücken seien zu schließen, dazu bedürfe es „hier keiner neuen Analyse“. Aktuell gebe es allerdings noch nicht einmal ein verlässliches Lagebild der vorhandenen Waffensysteme, „um den Aufwuchs zur materiellen Vollausstattung gezielt steuern zu können“.
Bei der Infrastruktur richtet sich der Fokus des Verteidigungsministeriums vor allem auf einen Bereich: die Umsetzung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung. Allein dafür sollen 20 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen 24 Milliarden Euro als Investitionsvolumen für Baumaßnahmen.
Die Analyse zur derzeitigen Funktionalität der Bundeswehr fällt derweil nüchtern aus. Die Organisation der Streitkräfte sei zu schwerfällig, berichtet der „Spiegel“. Die vielfach beklagten untauglichen Strukturen, die Unklarheit von Zuständigkeiten in Prozessen, Verfahren und Abläufen sowie die Unschärfe in Schnittstellen müssten überwunden werden. Die sogenannte „Verantwortungsdiffusion“ sollte „mit einer umfassenden Prozesskritik im gesamten Geschäftsbereich“ des Ministeriums behoben werden.
Der Reformbedarf bei der Bundeswehr sei so „grundlegend, vielfältig und gewaltig“, dass das vorgelegte Maßnahmenpaket bei Weitem nicht ausreiche, „um die Verkrustungen von Jahrzehnten aufzubrechen“, schlussfolgerten die Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums.
Es handele sich um „viele einzelne Stellschrauben, an denen justiert werden kann und wird“. Offen bleibt, wann und in welchem Umfang die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden – mit Blick auf den Rücktritt von Verteidigungsministerin Lambrecht. (dl)
(Mit Material von Nachrichtenagenturen)
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