Lambrecht tritt zurück: Bundeswehrverband fordert „kompetenten“ Nachfolger

Angesichts des angekündigten Rücktritts von Bundesverteidigungsministerin Lambrecht entbrennt eine Nachfolgedebatte. Mit unterschiedlichen Erwartungen.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 16. Januar 2023

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Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat ihren Rücktritt angekündigt. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz um Entlassung gebeten, heißt es in einer Erklärung der Ministerin. Das Bundesverteidigungsministerium veröffentlichte diese am Montag (16.1.).

Darin klagt Lambrecht über die „monatelange mediale Fokussierung auf meine Person“. Diese lasse „eine sachliche Berichterstattung und Diskussion“ über die Bundeswehr und erforderliche sicherheitspolitische Weichenstellungen nicht zu. Sie dankte allen, die sich „jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren“, und äußerte weiter:

Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen.“

Wird Lambrecht noch bis Ende der Woche im Amt bleiben?

Bereits im Vorfeld der offiziellen Bestätigung des Rücktritts war eine Nachfolgedebatte entbrannt. Der Entscheidungsdruck in Richtung Bundeskanzler Olaf Scholz steigt nun weiter, da bereits am Donnerstag (19.1.) US-Verteidigungsminister Lloyd Austin Berlin besuchen wird. Am Freitag wollen die westlichen Verteidigungsminister auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein über die weitere Militärhilfe für die Ukraine sprechen. Es ist noch offen, wer Deutschland in diesem Rahmen repräsentieren wird.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, hat im „heute journal“ des ZDF „Kompetenz“ und „Durchsetzungsvermögen“ als Schlüsselkompetenzen genannt. Der Nachfolger Lambrechts müsse „parteiübergreifend anerkannt sein“ und „integrieren können“.

Es sei „elementar wichtig“, dass der neue Bundesverteidigungsminister klar aufzeige, wie prekär die Lage der Bundeswehr sei. Anschließend müsse er „das Parlament mitnehmen“, wenn es um die erforderlichen Veränderungen und Investitionen gehe.

Verbände fordern Nachfolger mit „Grundverständnis für Sicherheitspolitik“

Der Präsident des Reservistenverbandes der Deutschen Bundeswehr, Patrick Sensburg, äußerte sich gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montagsausgaben). Die Nachfolge von Ministerin Lambrecht müsse „mit starker Führungskompetenz“ ausgestattet sein.

In der „Bild“-Zeitung forderte der ehemalige NATO-General Hans-Lothar Domröse einen neuen Amtsträger mit einem „Grundverständnis für Sicherheitspolitik“. Besonders wichtig seien Führung, Kompetenz und Rückhalt in der eigenen Partei:

Der oder die Zukünftige muss schnell entscheiden und kraftvoll umsetzen sowie einen riesigen Laden lenken können, ohne den Überblick zu verlieren.“

Die Union forderte eine schnelle Klärung der Nachfolge durch Bundeskanzler Scholz. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU) erklärte gegenüber der „Welt“:

Deutschland kann sich angesichts der aktuellen Lage keine Bundesverteidigungsministerin auf Abruf leisten. Der Kanzler muss dieses Thema jetzt sehr schnell klären.“

Lambrecht scheiterte an Aufregern – und dem Zustand der Truppe

Der Druck auf Lambrecht war in den vergangenen Wochen immer weiter gestiegen. Ihre Beliebtheitswerte in der Öffentlichkeit sanken nach mehreren unvorteilhaften Auftritten auf einen Tiefpunkt. Dazu gehörten beispielsweise die Mitnahme des erwachsenen Sohnes in einem Bundeswehr-Hubschrauber oder ein Silvestervideo, das auf massive Kritik stieß.

Neben diesen eher optischen Aufregern häufte sich jedoch auch sachliche und inhaltliche Kritik an ihrer Amtsführung. Das Bundesfinanzministerium attestierte ihr „komplizierte, teils intransparente und inkonsequente Bedarfsplanung“ und „bürokratische Bestellprozesse“. Unter anderem verzögerte sich die Anschaffung des US-amerikanischen Tarnkappenjets F-35 – und sie verteuerte sich erheblich.

Eine weitere Panne, die politisch auf Lambrecht zurückfiel, war das Debakel der Schützenpanzer des Typs „Puma“. Dieser hatte bei einer Gefechtsübung im niedersächsischen Munster versagt. Noch im März 2021 hatte Generalleutnant Alfons Mais dem Puma-Schützenpanzer nach umfangreichen Tests die entsprechende Zertifizierung als „kriegstauglich“ erteilt. Im Sommer zuvor war die Einsatzprüfung noch an Mängeln an Fahrzeug, Funk und Waffensystemen gescheitert.

Im Zusammenhang mit der „Unterrichtung des Parlaments über die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“ trafen Lambrecht Vorwürfe der Beschönigung. In dem Bericht klangen Zweifel an der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr im Bereich des Kernauftrages der Landes- und Bündnisverteidigung an.

Klingbeil und Högl als Favoriten für die Nachfolge

Als mögliche Nachfolger werden unter anderem SPD-Parteichef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, genannt. Diese könnten auch auf einen Vertrauensvorschuss vonseiten der Union hoffen. Wadephul bezeichnete die beiden als „die einzigen SPD-Politiker, die das Amt vom ersten Tag an ausfüllen könnten“.

Mitte Dezember hatte Bundeskanzler Scholz seine Verteidigungsministerin noch gegen Kritik in Schutz genommen. Die Bundeswehr habe, so erklärte er in der „Süddeutschen Zeitung“, eine „erstklassige Verteidigungsministerin“. Über manche Kritik könne er sich „nur wundern“.

Lambrecht hatte mit dem Start der Ampel-Regierung Ende 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) Bundesjustizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt.

Soziale Medien bringen Anastasia Biefang ins Spiel – als Ansage an Putin

Teilweise ins Ironische gleiten unterdessen die Nachfolge-Debatten in sozialen Medien ab, wobei die Grenzen oftmals verschwimmen. Insbesondere auf Twitter fällt dabei häufig der Name der Kommandeurin im Bereich Cybersicherheit, Oberstleutnant Anastasia Biefang.

Eine Transfrau, so die Argumentation, wäre ein sichtbares Zeichen für Toleranz und Diversität in der Truppe – und ein politisches Signal nach außen. Ein Nutzer schreibt:

Anastasia Biefang wäre eine sehr gute Wahl für das Verteidigungsministerium. Auch ein politisches Signal gegen Putin.“

Einer Bestellung stünde jedoch entgegen, dass die Kommandantin mit einem aufrechten disziplinarischen Verweis belegt ist. Ihre Vorgesetzten hatten die Disziplinarmaßnahme verhängt, nachdem ein freizügiges Profil der Offizierin auf Tinder an die Öffentlichkeit gelangt war. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Maßnahme – derzeit kämpft Biefang vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen an.

(Mit Material von dpa und AFP)



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