Vorwürfe gegen Russland nach Zwangslandung in Belarus
Im Fall der Zwangslandung der Ryanair-Passagiermaschine in Belarus hält Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, eine Beteiligung Russlands nicht für ausgeschlossen.
„Es ist mindestens davon auszugehen, dass die staatliche Entführung des Flugzeuges vom Kreml abgesegnet war, wenn es nicht sogar auch operative Unterstützung seitens Russlands gegeben hat.“ Ohne die umfassende Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin wäre der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko schon lange nicht mehr an der Regierungsgewalt, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“.
„Es ist jetzt an der Zeit, mit harten Sanktionen gezielt alle Stützen des Regimes Lukaschenko zu treffen: Militär, Polizei, Verwaltung, Sicherheitsdienste und vor allem die Staatsunternehmen, von denen das Regime und seine korrupten Profiteure wirtschaftlich leben“, sagte Röttgen den Blättern. Auch ein KfW-Kredit für Siemens Kraftwerke in Belarus müsse gestoppt werden. „Nach einer derartigen Eskalation kann es keine Kredite zugunsten von Belarus durch eine staatliche Förderbank geben.“
Der Kreml hatte eine angebliche Beteiligung Russlands an der Operation vom Sonntag zurückgewiesen. Lukaschenko sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, das Flugzeug mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gebracht zu haben, um einen seiner Gegner, den politischen Aktivisten und Blogger Roman Protasewitsch, festnehmen zu lassen. Der 26-Jährige ist unter anderem wegen angeblicher Organisation von Massenunruhen in Minsk in Untersuchungshaft. Ihm drohen viele Jahre Gefängnis.
EVP-Fraktionschef macht Russland für Eskalation in Belarus mitverantwortlich
Der Chef der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), hat Russland für die erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine in Minsk sowie die Festnahme eines belarussischen Bloggers mitverantwortlich gemacht. „Dieser Vorfall zeigt, dass wir in Moskau eine Führung haben, die das Miteinander mit Europa nicht mehr will, sondern bewusst einen Konfliktkurs steuert“, sagte Weber der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwochausgabe, 26. Mai). Darauf müsse sich die Europäische Union einstellen.
„Es kann nicht sein, dass wir innerhalb Europas nicht mehr vor diesem staatlichen Terror, der dort stattgefunden hat, geschützt sind“, sagte der CSU-Politiker dem Blatt. Er gehe definitiv davon aus, dass die russische Regierung unter Präsident Wladimir Putin bei dem Vorfall mehr als eine Zuschauerrolle gespielt habe und der belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko die Aktion mit Moskau abgestimmt habe, sagte Weber.
„Lukaschenko weiß, dass sein Regime ohne Unterstützung und Rückendeckung von Putin keine Überlebenschance hat“, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei EVP der Zeitung. „Deshalb gehen viele davon aus, dass alle wesentlichen Schritte mit Moskau abgestimmt und von dort abgedeckt werden.“
Das Gesamtbild der europäisch-russischen Beziehungen sei das einer „zunehmenden Eskalation“, sagte der CSU-Politiker. „Da gab es offenen Mord auf unseren Straßen. Da gab es Versuche, unsere Demokratie zu attackieren.“ Auch im Syrien-Konflikt habe die Konfrontation die Zusammenarbeit mit Russland abgelöst.
„Die Liste ist lang. Deshalb müssen alle Optionen auf dem Tisch liegen, damit wir dem russischen Präsidenten zeigen, dass wir diese Destabilisierungsstrategie nicht hinnehmen“, sagte Weber dem Blatt. „Wir Europäer werden immer den Dialog anbieten. Aber wenn er zurückgewiesen wird, müssen wir auch zur Entschlossenheit bereit sein“, betonte Weber.
Sollte es weitere Eskalationen etwa beim Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Russland geben, seien weitere Sanktionen gegen Moskau denkbar. „Das schließt das Projekt Nord Stream 2 ein“, sagte Weber.
Lukaschenko ließ für heute einen öffentlichen Auftritt ankündigen, bei dem er sich zu der international verurteilten Flugzeuglandung äußern dürfte. Belarus weist Vorwürfe zurück, die Maschine auf dem Weg von Athen in die litauische Stadt Vilnius „gekapert“ zu haben. (dpa/afp)
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