Trotz Sanktionen: Russland wieder zweitgrößter Gaslieferant der EU

Es ist ein Platztausch, den viele EU-Staaten nicht gern sehen: Russland hat die USA im vergangenen Quartal bei den Gaslieferungen überholt. Damit steigt das von Wladimir Putin regierte Land wieder zum zweitgrößten Handelspartner auf.
Russland
Teil einer Gasstation in Österreich.Foto: Spitzt-Foto/iStock
Von 2. September 2024

Russland gewinnt wieder an Bedeutung in Europas Gasversorgung. Moskau schaffte es laut aktuellen Daten einer Brüsseler Beratungsfirma, im zweiten Quartal 2024 nach Norwegen zweitgrößter Gaslieferant der Europäischen Union zu werden.

Kleine, aber bedeutende Veränderung

Die USA waren demnach nur noch der drittgrößte Gaslieferant. Das hat Symbolcharakter.

Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 beschloss die EU Sanktionen gegen russische Rohstoffe. Erdgasimporte waren aufgrund der hohen Abhängigkeit einzelner Mitgliedstaaten nicht betroffen, jedoch beschloss Brüssel Maßnahmen zur Reduzierung der russischen Gasimporte.

Gerade die USA sollten den EU-Ländern und NATO-Partnern dabei helfen, die dadurch entstandenen Lücken in der Gasversorgung zu schließen. Im Jahr 2021 stammten noch 42 Prozent der gesamten EU-Erdgasimporte aus Russland, das somit der mit Abstand größte Lieferant war. Nach der Einführung von Maßnahmen und dem Rückgang der Exporte aus Russland übernahm Norwegen diesen Spitzenplatz.

Den Daten der Beratungsfirma Bruegel zufolge schickten die Vereinigten Staaten von April bis Ende Juni dieses Jahres 12,27 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas (LNG) per Tanker an Abnehmer in der EU. Auch Deutschland bezieht LNG von den USA. Russland lieferte mit rund 12,73 Milliarden Kubikmeter LNG und Pipelinegas etwas mehr.

EU-Gasimporte pro Quartal aus den USA und Russland. Foto: mf/Epoch Times; Daten: Bruegel

Der Platzgewinn von Russland erklärt sich vor allem damit, dass die Gasimporte aus den USA jüngst deutlich zurückgegangen sind. Im ersten Quartal 2024 lagen diese noch bei 15,52 Milliarden Kubikmeter LNG. Im Quartal davor waren es sogar noch knapp über 17 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas.

Norwegen hat der EU im zweiten Quartal dieses Jahres 23,9 Milliarden Kubikmeter Gas geliefert und damit fast doppelt so viel wie die USA und Russland zusammen. Weitere Gaslieferanten sind Algerien, Großbritannien, Aserbaidschan und Libyen.

Drei Lieferwege

Ein bekannter Lieferweg, auf dem Russland die EU in der Vergangenheit mit Erdgas beliefert hatte, ist derzeit inaktiv: die Nord-Stream-Pipelines. Sie führten von der russischen Stadt Wyborg direkt an die deutsche Küste bei Lubmin. Drei der vier Stränge sind bei einem Anschlag vor knapp zwei Jahren beschädigt worden. Putin hatte Deutschland angeboten, durch die vierte intakte Röhre wieder Gas zu liefern. Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass eine der Röhren einsatzfähig ist.

Doch es gibt noch weitere Wege, auf denen Russland der EU Gas liefert. Es nutzte dafür im zweiten Quartal drei Lieferwege. Neben Tankerladungen mit verflüssigtem Erdgas strömten über den weiterhin funktionierenden Ukraine-Transit 4,1 Milliarden Kubikmeter in die EU-Staaten.

Zugenommen haben auch die Lieferungen über die von Gazprom finanzierte Schwarzmeer-Pipeline TurkStream, die im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum in etwa ein Drittel mehr transportierte.

Allein in der Kalenderwoche 34 (19. bis 25. August 2024) lieferte Russland rund 293 Millionen Kubikmeter Gas über die Transgas-Pipeline nach Europa. Mit der TurkStream-Pipeline waren es mehr als 340 Millionen Kubikmeter.

Röttgen: „Ein Skandal“

„Dass die EU sehenden Auges zulässt, dass Russland wieder Großexporteur von Gas nach Europa wird, ist ein Skandal“, teilte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen der „Welt“ mit. Weiter sagte er: „Die Europäer unterstützen die Ukraine mit Milliarden und zahlen gleichzeitig Milliarden in die Kriegskasse Putins – das ist weder verantwortlich noch rational noch glaubwürdig.“

Röttgen sprach sich für ein EU-weites Importverbot von russischem Erdgas aus. „Die EU hätte schon lange an einer Substitutionsstrategie arbeiten können“, sagte Röttgen: „Die Einnahmequellen trocken zu legen, die Putin für die Kriegsführung braucht, ist ein wichtiger Schritt, um den Krieg zu beenden. Leider erweist sich die Ampelregierung auch an dieser Stelle bisher als Totalausfall.“

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, sieht die EU-Kommissionspräsidentin in der Pflicht: „Ursula von der Leyen muss zur Reduktion von russischem Gasimport eine wirksame europäische Strategie liefern.“

Kruses Vorschlag: „Um Putin und seine Kriegswut zu bekämpfen, könnte die EU auch auf jeden Kubikmeter importiertes Russengas einen festen Betrag für Hilfs- und Waffenlieferungen an die Ukraine leisten.“

(Mit Material von dts)



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