LNG-Terminal auf Rügen eine Industrieruine? Rätselraten um verschobenen Regelbetrieb
Unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges und einer drohenden Gasmangellage hat die Bundesregierung im Jahr 2022 einen umfangreichen Ausbau der LNG-Infrastruktur beschlossen. In kürzester Zeit sollten vier neue Terminals entstehen, eines davon mit angeschlossener Pipeline in Mukran auf der Insel Rügen.
Das Vorhaben war mit einer Vielzahl Widerständen konfrontiert, Gutachten warfen Bedenken hinsichtlich der Umweltverträglichkeit des Projekts auf. Auch nachteilige Auswirkungen auf den Tourismus erschienen möglich. Erst mit Verzögerung konnte der Betreiber Deutsche ReGas melden, alle Genehmigungsvoraussetzungen für den Regelbetrieb erfüllt zu haben.
Noch kein Termin für effektiven Start des Regelbetriebs in Mukran
Im Frühjahr kam grünes Licht aus dem Umweltministerium für den Probebetrieb, bis einschließlich 23. Mai wurde auch schon zweimal LNG-Gas eingespeist. Ab 5. August wäre nun der Regelbetrieb möglich. Allerdings sind noch keine Lieferungen in Sicht. Dies und ein Verwirrspiel rund um die Anzeige des Regelbetriebs werfen jedoch Fragen auf.
Wie der NDR berichtet, sorgen „Abstimmungsprozesse“ für eine Verzögerung der ersten regulären Einspeisung in der Anlage in Mukran. Auch gibt es unterschiedliche Angaben über die Anzeige des Regelbetriebs, die Voraussetzung für dessen Aufnahme ist. Die Deutsche ReGas erklärte gegenüber dem Sender, diese Anzeige sei bis heute nicht erfolgt.
Dies liege daran, dass man noch nicht alle erforderlichen Maßnahmen für den Start abgeschlossen habe. So müssten noch Details bezüglich der Anbindung von Schiffen an das Pipelinenetz geklärt werden. Das Umweltministerium hingegen äußert, seit dem 21. Juli eine solche vorliegen zu haben. Nach wie vor steht ein genauer Termin für den Start des Regelbetriebs aus, mittlerweile ist von Ende August die Rede.
DIW hielt LNG-Infrastruktur für „überdimensioniert“
Unterdessen mehren sich Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des LNG-Terminals. Was die zu erwartende Auslastung anbelangt, gingen die Einschätzungen immer schon weit auseinander. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte im Oktober 2023 erklärt, die neuen LNG-Terminals würden die Reservekohlekraftwerke obsolet machen.
Demgegenüber erklärte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Februar, der Ausbau der LNG-Infrastruktur sei „überdimensioniert“. Er sei nicht erforderlich, um einer – nach Ansicht des Instituts unwahrscheinlichen – Gasmangellage vorzubeugen. Deshalb sei es sinnvoll, diesen gar nicht erst weiterzuverfolgen.
Tatsächlich scheint es derzeit nur eine begrenzte Nachfrage nach LNG zu geben. Die Bundesnetzagentur erklärt, die Gasspeicher seien derzeit zu 89 Prozent gefüllt. Zu diesem Zeitpunkt ist das mit Blick auf den in wenigen Monaten wieder bevorstehenden Winter eine beruhigende Nachricht: Das Gesetz schreibt dieses Ausmaß erst ab Mitte Oktober vor.
Jährliche Kapazitäten bei Weitem noch nicht ausgereizt
Ein EU-weites Transparenzportal für die LNG-Versorgung in Europa lässt ebenfalls erahnen, dass eine Nachfrage am Standort Mukran derzeit nicht festzustellen sei. Anfang Juli hatte die Deutsche ReGas mitgeteilt, dass eine Auktion von Kapazitätsbuchungen über die nächsten drei Jahre gescheitert sei. Als Grund dafür führte man jedoch „technische Probleme“ ins Treffen.
Bereits im Probebetrieb hatte die Betreibergesellschaft ihre Potenziale zur Regasifizierung nur ansatzweise ausgeschöpft. Um die maximalen jährlichen Einspeisungskapazitäten von 13,5 Milliarden Kubikmeter zu erreichen, müssten 110 Schiffe das Terminal ansteuern. Von dieser Anzahl kann derzeit keine Rede sein.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die von Beginn an gegen das Projekt Sturm gelaufen war, zeigt sich wenig überrascht und sieht sich bestätigt. Sprecher Constantin Zerger verweist gegenüber dem NDR auf „große Überkapazitäten bereits an der Nordsee“. Selbst an den dortigen LNG-Terminals erreiche die Auslastung aktuell nicht annähernd die Kapazitätsgrenzen.
DUH hofft auf Widerspruch gegen Genehmigung des LNG-Projekts Mukran
In einer Erklärung nennt die DUH das LNG-Projekt in Mukran einen „Rohrkrepierer“. Die Deutsche ReGas könne sich nun nicht mehr hinter dem noch nicht zugelassenen Regelbetrieb „verstecken“. Die von dieser „im Wochentakt angekündigten LNG-Tanker sind nicht in Sicht“. Das Projekt müsse deshalb „so schnell wie möglich rückabgewickelt und die Terminalschiffe abgezogen werden“. Der Widerspruch der Organisation gegen die Betriebsgenehmigung des Terminals laufe noch.
Zwei Spezialschiffe sollen in Mukran von Tankern angeliefertes LNG aufnehmen und zurück in Gas umwandeln. Dieses soll weiter über eine 50 Kilometer lange Pipeline durch die Ostsee zum Leitungsknotenpunkt in Lubmin bei Greifswald fließen. Die angestrebte Gesamtkapazität entspreche etwa 15 Prozent des aktuellen deutschen Jahresgasverbrauchs. Die Investitionskosten hätten sich auf etwa 200 Millionen Euro belaufen.
Die Deutsche ReGas selbst geht nicht von einer dauerhaft geringen Nachfrage aus. Sie erklärt, es gebe neben kurzfristigen Kundenbeziehungen auch langfristige Verträge mit Kunden. Exakte Daten bezüglich der nächsten geplanten Einspeisungen werden bis dato jedoch nicht mitgeteilt.
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