Spickzettel für Reporterfragen: Neuerliche Debatte um Amtsfähigkeit von Biden

US-Präsident Joe Biden hatte am Dienstag seine Wiederkandidatur angekündigt. Eine Pressekonferenz vor dem Weißen Haus befeuert die Debatte um seine Amtsfähigkeit.
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol singt nach dem Staatsdinner das Lied American Pie von Don Mclean, einer seiner Lieblingssongs. US-Präsident Joe Biden ist sichtlich begeistert.
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol (r.) singt nach dem Staatsdinner das Lied „American Pie“ von Don Mclean, einer seiner Lieblingssongs. US-Präsident Joe Biden ist sichtlich begeistert.Foto: Susan Walsh/AP/dpa
Von 27. April 2023

Am Dienstag, 25. April, hat US-Präsident Joe Biden angekündigt, im nächsten Jahr die Wiederwahl anzustreben. Damit beendete er vorerst Spekulationen darüber, dass er aus Altersgründen auf eine zweite Amtszeit verzichten könnte. Biden ist 80 alt, wird im November 81.

Bereits seit seinem Amtsantritt hatte es zu mehreren Gelegenheiten Debatten um seine Amtsfähigkeit gegeben. Videoaufnahmen machten die Runde, in denen Biden kurzzeitig desorientiert wirkte oder Sätze nicht korrekt zu Ende führte.

Biden bereits jetzt ältester Präsident der US-Geschichte

Am Tag nach seiner Ankündigung gab der US-Präsident vor dem Weißen Haus eine gemeinsame Pressekonferenz mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Yoon Suk Yeol. Dabei erklärte Biden, er fühle sich gut. Er respektiere aber, wenn Menschen einen kritischen Blick auf sein Alter richteten. Biden erklärte:

Die Menschen werden es herausfinden, sie werden ein Rennen sehen, und sie werden darüber urteilen, ob ich es [die Fähigkeit für eine weitere Amtszeit] habe oder nicht.“

Der Demokrat ist bereits jetzt der älteste Präsident der US-Geschichte. Bei Beginn einer möglichen zweiten Amtszeit Anfang 2025 wäre er 82 Jahre, zum Ende einer solchen Amtszeit 86 Jahre alt. Die Frage im Zusammenhang mit seinem Alter hatte die ABC-Reporterin Mary Bruce gestellt.

Spickzettel enthielt Hinweis zu Reihenfolge und Namensaussprache

Bruce war eine von zwei Reporterinnen, die Biden im Rahmen der Pressekonferenz aufrief. Die andere war Courtney Subramanian von der „Los Angeles Times“. Als diese zu Wort kam, fiel jedoch auf, dass Biden einen Spickzettel in der Hand hielt. Wie die englischsprachige Epoch Times berichtet, enthielt der Zettel ein Bild der Reporterin. Außerdem stand darauf, wie der Name auszusprechen sei und dass Subramanian die „Frage Nr. 1“ gewährt werden solle.

Auf dem Zettel stand auch eine Frage, die die Reporterin wahrscheinlich an ihn richten würde. Zu lesen war die Formulierung:

Wie bringen SIE IHRE innenpolitischen Prioritäten – wie die Verlagerung der Halbleiterproduktion – mit einer bündnisorientierten Außenpolitik in Einklang?“

Reporterfrage entsprach im Wesentlichen der Ankündigung

Die aufgerufene Reporterin stellte, nachdem Biden sie aufgerufen hatte, folgende Frage:

Ihre oberste wirtschaftliche Priorität war es, die einheimische Produktion in den USA im Wettbewerb mit China auszubauen, aber Ihre Vorschriften gegen die Ausweitung der Chipherstellung in China schaden südkoreanischen Unternehmen, die stark auf Peking angewiesen sind. Schädigen Sie einen wichtigen Verbündeten im Wettbewerb mit China, um Ihre Innenpolitik vor den Wahlen zu unterstützen?“

Dies legte die Annahme nahe, dass Biden die Frage, die ihm gestellt werden würde, im Voraus kannte – inklusive der Person, die sie stellen würde. Ob dies auch bezüglich der zweiten Frage von Mary Bruce der Fall war, ist nicht bekannt.

Biden hielt zudem einen weiteren Zettel in der Hand. Darauf waren die Namen von anderen Beamten der Biden-Regierung und die Reihenfolge ihrer Äußerungen auf der Pressekonferenz aufgeführt. Beide Notizen waren auf den 26. April 2023 datiert.

Biden verwendete bereits zu mehreren Gelegenheiten Spickzettel mit genauen Anweisungen

Bereits bei mehreren Gelegenheiten hatte Biden Notizen mitgeführt, die ihm vorgaben, was er zu tun oder zu wem er zu sprechen hätte. Im November 2022 hatte Biden bei einem zweitägigen G20-Gipfel auf Bali (Indonesien) einen Spickzettel dabei. Auf diesem stand, wann er sitzen und wann er Fotos machen sollte.

Im Juni 2022 hatte Biden einen Spickzettel während eines Treffens mit Führungskräften aus der Windindustrie verwendet. Im März 2022 verwendete er einen solchen auch bei der Beantwortung von Reporterfragen zum Krieg in der Ukraine. Auf dem Zettel standen mögliche Antworten auf Fragen nach Äußerungen Bidens, wonach Russlands Präsident Wladimir Putin „nicht an der Macht bleiben“ könne. Eine der Fragen lautete damals:

Wenn Sie nicht für einen Regimewechsel plädiert haben, was haben Sie dann gemeint? Können Sie das klarstellen?“

Andere Spickzettel enthielten Hinweise für Fragen und Antworten bezüglich der Geschlossenheit der NATO. Im Juli 2021 übergab ein Berater Biden während einer Zoom-Konferenz mit Gouverneuren eine Nachricht, auf der die Worte „Sir, Sie haben etwas am Kinn“ zu lesen waren.

In westlichen Staaten sind Regierungschefs über 75 die Ausnahme

Staats- und Regierungschefs im Alter von mehr als 80 Jahren sind in Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas nicht unüblich. Weltweit zählen unter anderem Kameruns Präsident Paul Biya (90 Jahre) oder Michel Aoun im Libanon (89 Jahre) zu den ältesten amtierenden Staatsoberhäuptern.

In westlichen Staaten sind amtierende Staats- und Regierungschefs über 80 Jahre seltener. Allerdings schieden einige von ihnen erst im Alter von deutlich mehr als 75 Jahren aus dem Amt. In den USA traf dies beispielsweise auf Ronald Reagan zu. In Griechenland regierten mehrere Premierminister auch noch in einem entsprechend hohen Alter.

Deutschlands ehemaliger Bundeskanzler Konrad Adenauer schied 1963 im Alter von 87 Jahren aus dem Amt. In Griechenland trat Xenophon Zolotas im Jahr 1989 sein Amt als Premierminister im Alter von 85 Jahren an. Allerdings hatte er dieses nur bis 1990 inne.

Vorwahlen der Demokraten: Gegenkandidatur aus Establishment unwahrscheinlich

Ob es im Rahmen der Vorwahlen der Demokraten einen aussichtsreichen Gegenkandidaten zu Joe Biden geben wird, ist ungewiss. Zwar hatte es in der Vergangenheit Debatten gegeben, ob eine Kandidatur Bidens für eine Amtszeit sinnvoll wäre. Auch in diesem Kontext hatten sein Alter und mögliche Einschränkungen der Amtsfähigkeit zur Debatte gestanden.

Es ist nach der offiziellen Verkündung der Wiederkandidatur jedoch nicht damit zu rechnen, dass ein namhafter Demokrat aus dem Parteiestablishment gegen Biden kandidieren wird. Gegen einen amtierenden Präsidenten zu kandidieren, der seine Wiederwahl anstrebt, gilt als Ausdruck der Illoyalität.

Deshalb werden voraussichtlich nur Anti-Establishment-Kandidaten zu den demokratischen Vorwahlen antreten. Bis dato stellten dies vier Personen in Aussicht. Der einzige Kandidat darunter mit einem landesweiten Bekanntheitsgrad ist der Impfgegner und Coronamaßnahmen-Kritiker Robert F. Kennedy junior.

(Mit Material von AFP)



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