Premierministerin Liz Truss tritt zurück

Erneut versinkt Großbritannien im Regierungschaos: Gerade einmal sechs Wochen war Boris Johnsons Nachfolgerin Liz Truss im Amt. Nun muss die Partei erneut eine Nachfolge an der Spitze finden.
Liz Truss
Die konservative Regierungschefin war erst seit sechs Wochen im Amt: Liz Truss.Foto: DANIEL LEAL/AFP via Getty Images
Epoch Times20. Oktober 2022

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Die britische Premierministerin Liz Truss will ihren Posten abgeben. Das sagte die konservative Politikerin am Donnerstag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Londoner Downing Street. Sie war lediglich sechs Wochen im Amt. Truss geht damit als Premierminister mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte des Königreichs ein.

Ich habe mit dem König gesprochen, um ihm mitzuteilen, dass ich als Chefin der Konservativen Partei zurücktrete“, sagte Truss.

Als Premierministerin will sie noch im Amt bleiben, bis eine Nachfolge gefunden ist. Dieser Prozess solle bereits innerhalb der kommenden Woche ablaufen, so die scheidende Regierungschefin.

Weiter sagte Truss: „Angesichts der Situation erkenne ich an, dass ich das mir von der konservativen Partei übertragene Mandat nicht erfüllen kann.“

Chaotische Wirtschaftspolitik

Die 47-jährige Nachfolgerin des skandalgeplagten Ex-Premier Boris Johnson war enorm unter Druck geraten, nachdem ihre Wirtschaftspolitik binnen weniger Tage ein beispielloses Chaos an den Finanzmärkten angerichtet hatte. Truss musste eine politische 180-Grad-Wende hinlegen und verlor innerhalb einer Woche zwei ihrer wichtigsten Minister, Kwasi Kwarteng als Finanzminister und Suella Braverman als Innenministerin.

Rund 24 Stunden vor ihrem Rücktritt hatte sie noch im britischen Unterhaus beteuert, nicht aufgeben zu wollen und „eine Kämpferin“ zu sein. Nun wies sie zwar auf die schwierigen ökonomischen Zeiten und die politische Instabilität auf dem ganzen Kontinent hin, räumte aber auch ein, unter den aktuellen Bedingungen ihre Vision des radikalen Wirtschaftswachstums nicht mehr umsetzen zu können.

Im Folgenden eine Chronologie der historisch kurzen Regierungszeit von Truss:

5. September

Truss gewinnt die parteiinterne Abstimmung um das Amt des Parteichefs mit 81.326 Stimmen gegen den ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak, für den 60.399 Tory-Mitglieder votieren. Als Chefin der regierenden Konservativen wird sie automatisch Premierministerin.

6. September

Königin Elizabeth II. beauftragt Truss mit der Regierungsbildung. Truss entlässt alle Sunak-Anhänger aus dem Kabinett und setzt ihren Vertrauten Kwasi Kwarteng als Finanzminister ein.



8. September

Angesichts der steigenden Energiekosten kündigt Truss im Parlament an, die Energiepreise für Privatpersonen und Unternehmen zu deckeln. Der Tod der Queen am selben Tag bringt die politische Debatte während der zehntägigen Staatstrauer zum Stillstand.

23. September

Finanzminister Kwarteng stellt seine Pläne zur Ankurbelung der Wirtschaft vor. So sollen die Steuern – auch für Spitzenverdiener – deutlich sinken. Die Gegenfinanzierung ist völlig unklar. Die Finanzmärkte reagieren panisch, weil sie eine hohe Staatsverschuldung befürchten, das Pfund fällt in den folgenden Tagen auf ein historisches Tief. Medien berichten von wachsenden Spannungen im Kabinett und unter den Tory-Abgeordneten.

28. September

Die Bank of England sieht ein „erhebliches Risiko für die finanzielle Stabilität des Vereinigten Königreichs“ und kündigt ein zweiwöchiges Programm zum Ankauf langfristiger britischer Anleihen an.

29. September

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov liegt die oppositionelle Labour-Partei 33 Prozentpunkte vor den Konservativen. So viel Zustimmung hatte Labour seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr.

3. Oktober

Auf dem von Streit und Spannungen geprägten Parteitag der Konservativen sehen sich Truss und Kwarteng zu einer ersten Kehrtwende gezwungen und verzichten auf die geplante Entlasung der Spitzenverdiener.

5. Oktober

„Ich habe verstanden, ich habe zugehört“, sagt Truss in ihrer Parteitagsrede. Sie wiederholt ihre Parole „Wachstum, Wachstum, Wachstum“, kann damit jedoch weder die parteiinternen Kritiker noch die Finanzmärkte beruhigen.

12. Oktober

Truss schließt eine Kürzung der Staatsausgaben aus. Sie beteuert aber, an den geplanten Steuersenkungen festzuhalten und verstärkt damit die Zweifel an ihrer Politik weiter.

14. Oktober

Truss entlässt Kwarteng nach nur 38 Tagen im Amt und ernennt den ehemaligen Außenminister Jeremy Hunt zum neuen Finanzminister.

17. Oktober

Hunt kippt das erst drei Wochen zuvor von der Regierung angekündigte Konjunktur- und Steuersenkungspaket fast vollständig. Eine Demütigung für die Premierministerin, erste Tory-Abgeordnete fordern öffentlich ihren Rücktritt.

19. Oktober

Truss wird in der wöchentlichen Fragestunde im Parlament ausgebuht, lehnt einen Rücktritt jedoch ab. Nach einem Streit mit Truss und Hunt über die Einwanderungspolitik tritt Innenministerin Suella Braverman zurück und erklärt, sie habe „ernste Bedenken“ bei dieser Regierung. Eine Parlamentsabstimmung über das Verbot von Fracking versinkt im Chaos, als den Tory-Abgeordneten recht ruppig mitgeteilt wird, dass sie trotz breiter Ablehnung gemäß der Regierungslinie stimmen müssen. Truss gewinnt die Abstimmung zwar, viele Parlamentarier sehen ihr Vorgehen jedoch als endgültigen Sargnagel für die Regierung an.

20. Oktober

Truss bezeichnet den Vortag über einen Sprecher als einen „schwierigen Tag“, lässt aber zunächst verkünden, dass sie weitermachen will. Wenig später dann doch der Rücktritt: Nach 45 turbulenten Tagen gibt Truss das Ende ihrer Amtszeit bekannt. Die parteiinterne Wahl ihres Nachfolgers soll spätestens bis kommende Woche stattfinden. (dpa/afp/mf)



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