Palastrevolte in der SPÖ: Doskozil will Rendi-Wagner stürzen
Der schwelende Konflikt in Österreichs Sozialdemokratie ist nun zum offenen Machtkampf geworden. Am Dienstag, 14.3., hat der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil einen Brief an den am Mittwoch tagenden Parteivorstand gerichtet. Darin hat er seinen Entschluss kundgetan, sich für den Parteivorsitz in der SPÖ zu bewerben. Diesen hat seit 2018 die Ärztin Pamela Rendi-Wagner inne. Ihr Rivale fordert nun einen Mitgliederentscheid.
Doskozil will Neuauflage von Schwarz-Blau verhindern
In seinem Brief stellt er fest, die SPÖ stecke „derzeit unbestritten in einer Krise“. Es gebe tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über die thematische Ausrichtung der Partei. Diese Uneinigkeit werde „auch mit Personen verbunden“.
Es gehe jedoch, so Doskozil, ausschließlich um inhaltliche und strategische Fragen. Der frühere Verteidigungsminister weist auf eine politische Konstellation hin, in der die Bundesregierung „nur mehr mit sich selbst und ihren Skandalen beschäftigt“ sei. Dies mache eine von der FPÖ geführte Regierung unter Herbert Kickl „immer wahrscheinlicher“.
Tatsächlich weisen aktuelle Meinungsumfragen die FPÖ mit deutlichem Vorsprung als stimmenstärkste Kraft aus. Unique Research sieht sie sogar bei 31 Prozent. Demgegenüber hatte die SPÖ zuletzt mehrere durchwachsene Wahlergebnisse auf Landesebene erzielt. In Kärnten verlor sie jüngst bei der Landtagswahl neun Prozent der Stimmen.
Referenz an Kreisky und Ruf als Asyl-Hardliner
Eine Neuauflage von Schwarz-Blau werde sich, so Doskozil, nur verhindern lassen, wenn die Sozialdemokratie eine „glaubwürdige Alternative“ biete. Doskozil, 2020 mit absoluter Mandatsmehrheit zum burgenländischen Landeshauptmann gewählt, beschwört in seinem Brief die Ideen von Altkanzler Bruno Kreisky.
Die Partei müsse dazu auf „Aufstieg, Leistung. Sicherheit“ setzen. Auch in Krisenzeiten müsse man „einen Staat gestalten, in dem alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können und Zukunft nicht Angst bedeutet, sondern Sicherheit und Chancen“.
Doskozil zählt einige soziale Anliegen auf, die seit Längerem zu den Kernforderungen der Partei zählen. Der Elefant, der bereits seit Beginn der Rivalität mit Rendi-Wagner im Raum steht, ist jedoch die Asyl- und Zuwanderungspolitik. Doskozil hatte sich als Verteidigungsminister der Jahre 2016 und 2017 in diesem Bereich als Hardliner einen Namen gemacht. Dieser Ruf soll es ihm, sollte er sein Ziel erreichen, Parteichef zu werden, offenbar erleichtern, Wähler von der FPÖ zurückzuholen.
Versteckte Kritik an Doskozil vor dem SPÖ-Klub
Rendi-Wagner will sich jedoch nicht kampflos in ihr Schicksal fügen. Vor dem Parlamentsklub (Fraktion) der SPÖ nannte sie zwar Doskozil nicht beim Namen. Ihre Rede vor den Abgeordneten enthielt dennoch mehrere Spitzen in Richtung ihres Herausforderers.
Meinungsverschiedenheiten seien in der Partei zwar „gut und wichtig“, erklärte Rendi-Wagner. Es müsse jedoch eines in der Sozialdemokratie „unverrückbar“ bleiben. Die sei, dass „wir uns einer menschenverachtenden, einer hetzerischen, einer die Gesellschaft spaltende Ideologie entgegenstellen“. Die Parteichefin fügte an:
Jene, die meinen, die Sozialdemokratie müsse nach rechts rücken, meinen es nicht gut.“
Insbesondere könne die FPÖ für die SPÖ „nie ein Koalitionspartner sein“. Die Sozialdemokratie habe im „widerlichen Wettlauf“ von ÖVP und FPÖ, wer „jetzt mehr Kinder abschiebe“, jedenfalls „nichts verloren“, so Rendi-Wagner.
Parteitag könnte schon in wenigen Wochen stattfinden
Doskozil hält sich bezüglich möglicher Koalitionswünsche bedeckt. Er war selbst Minister in einer Großen Koalition mit der ÖVP. Im Burgenland regierte die SPÖ unter seinem Vorgänger Hans Niessl jedoch auch einige Jahre lang mit der FPÖ. Ein Ampelbündnis dürfte eher an Grünen und NEOS denn an einer SPÖ unter Doskozil scheitern.
Im Bund regierte die SPÖ zuletzt 1983 in einer Koalition mit der FPÖ. Allerdings war diese zum damaligen Zeitpunkt unter Bundesparteichef Norbert Steger eher liberal ausgerichtet. Stegers Sturz durch Jörg Haider im Herbst 1986 nahm die Sozialdemokratie zum Anlass, die Zusammenarbeit zu beenden. Seither schließt die Partei ein Bündnis mit den Freiheitlichen auf Bundesebene aus.
Der „Standard“ geht davon aus, dass Rendi-Wagner nach der morgigen Präsidiumssitzung einen Vorstand einberufen wird. Dieser kann ad hoc einen außerordentlichen Parteitag beschließen, der die Führungsfrage klären soll. Ein solcher würde voraussichtlich zwischen Ende März und Mitte Mai über die Bühne gehen. Rendi-Wagner würde damit auch einer Mitgliederbefragung ausweichen.
Chef der Wiener SPÖ positioniert sich erstmals neutral
Ein schlechtes Omen für die amtierende Parteivorsitzende könnte das Gebaren des mächtigen Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig sein. Er hatte sich bei der SPÖ-Klubtagung zu Wort gemeldet und zum Führungsstreit Stellung genommen.
Der „exxpress“ zitiert ihn mit den Worten:
Ich würde meinen, es wird gut sein, sehr schnell eine Entscheidung herbeizuführen.“
Das Thema könnte andernfalls alle anderen überschatten. Was bemerkenswert erscheint: Er gab dabei keine Empfehlung in die eine oder andere Richtung ab. Galt er zuvor noch als unverbrüchlich loyal zu Rendi-Wagner, hat er sich auf diese Weise nun in eine neutrale Position begeben. Der starke Wiener Landesverband der SPÖ könnte auch auf dem Parteitag eine entscheidende Rolle spielen.
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