Orbáns „Friedensmission“: Ungarn drohen Konsequenzen von der EU

Viktor Orbáns jüngste Reisetätigkeit ist in Brüssel und in den europäischen Hauptstädten auf wenig Gegenliebe gestoßen. Vor allem sein Treffen mit Wladimir Putin stieß auf Missfallen. Als Regierungschef des Landes, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, dürfe er so etwas nicht tun, sagen seine Kritiker – und suchen nun nach Wegen, ihn zu stoppen.
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Die EU-Kommission wirft Ungarn um Ministerpräsident Viktor Orbán seit Jahren vor, EU-Grundwerte zu untergraben.Foto: John Thys/AFP Pool/AP/dpa
Von 11. Juli 2024

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Beim Treffen der EU-Botschafter am Mittwoch, 10. Juli, in Brüssel wurde Viktor Orbáns nicht abgesprochene Reisediplomatie nach Russland und China scharf gerügt. 25 Mitgliedsländer waren sich laut „Euraktiv“ einig, dass Orbáns „Friedensmission“ der Einheit schade. Die Slowakei beteiligte sich nicht an der Diskussion.

Wie ungarische Medien berichten, hat der Vorsitzende der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament diese Woche dazu aufgerufen, den ungarischen Vorsitz zu beenden.

„Der Regierungsrat sollte alle Möglichkeiten ausloten, um die ungarische EU-Ratspräsidentschaft zu stoppen“, sagte Valerie Hayer.

Bei dem Treffen am Mittwoch machte jedoch keiner der Botschafter einen solchen Vorschlag. Konkrete Maßnahmen wurden weder vorgestellt noch vereinbart.

Boykottversuche

Das Thema ist aber nicht vom Tisch. Mehrere EU-Staats- und Regierungschefs haben ihre tiefe Unzufriedenheit mit Orbáns diplomatischen Aktivitäten zum Ausdruck gebracht. Neben der Idee, Ungarn die rotierende Ratspräsidentschaft zu entziehen, wurde auch die Idee diskutiert, sich von Ungarn zu distanzieren.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hätten sich am Rande des NATO-Treffens in Washington darauf geeinigt, die informellen Ministertreffen während der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft zu boykottieren, berichtete die italienische Zeitung „la Repubblica“. Ziel der Initiative sei es, die ungarische Ratspräsidentschaft „harmlos und unbedeutend“ zu machen.

Hintergrund ist, dass der ungarische Premier im Rahmen seiner autonomen Friedensmission in den vergangenen zehn Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Moskau und Peking Gespräche geführt hat. Die Treffen fanden zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft statt.

Viele sind überzeugt, dass Orbán seine Funktionen als ungarischer Ministerpräsident und als Regierungschef des Landes, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, vermischt hat. Ihm wird vorgeworfen, den Eindruck erwecken zu wollen, im Namen der EU zu handeln.

Ungarns Standpunkt

Der ungarische EU-Minister János Bóka betonte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Brüssel, dass die Gespräche nicht im Namen der Europäischen Union geführt worden seien.

„Der Ministerpräsident ist sich der Verantwortung bewusst, die die EU-Ratspräsidentschaft mit sich bringt. Im Geiste dieser Verantwortung hat er den Präsidenten des Europäischen Rates und die Staats- und Regierungschefs über seine Besuche informiert“, so Bóka.

Der Minister betonte, dass die Reisen Orbáns „nicht gegen internationales oder EU-Recht verstoßen“. Wenn die Europäische Union Maßnahmen zur Beendigung des Konflikts in der Ukraine ergreifen wolle, müsse sie „die Kommunikationskanäle mit Moskau offen halten“.

Auch Orbán selbst erklärte, dass er bei seinen Besuchen nicht die EU vertrete. In einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel stellte der Premier klar, dass er nicht im Namen der EU in die Ukraine und nach Russland gereist sei. Es sei auch nicht um Friedensverhandlungen gegangen. Sein Ziel sei es gewesen, aus erster Hand Informationen über die Positionen der Kriegsparteien zu erhalten. Diese wolle er an die Spitzen von EU und NATO weitergeben.

Welche Konsequenzen sind möglich?

Presseberichten zufolge kritisierten die EU-Vertreter trotz der Argumente Orbáns den Zeitpunkt und die Reihenfolge der Treffen. Sie beschwerten sich auch über die Verwendung von Hashtags der EU-Ratspräsidentschaft in den sozialen Medien. Sie kritisierten auch die Reaktion des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf den Besuch Orbáns. Putin betonte, er wisse, dass Ungarn derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehabe.

Trotzdem hat sich der Europäische Rat bisher als machtlos gegenüber Orbáns Besuchen erwiesen, so „Politico“. EU-Beamte sagten, die rechtlichen Möglichkeiten seien begrenzt.

Der estnische Europaabgeordnete Riho Terras forderte die EU-Staats- und Regierungschefs unterdessen auf, Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Ungarn anzuwenden. Dabei handelt es sich um die härteste politische Sanktion, die gegen einen Mitgliedstaat verhängt werden kann. Sie würde zum Entzug des Stimmrechts bei EU-Entscheidungen führen. Aber das ist eine „nukleare“ Option, die die europäischen Hauptstädte bisher vermieden haben.

„Aber Orbán ist klug, er weiß genau, wie weit er gehen kann, ohne sofortige Vergeltungsmaßnahmen zu riskieren“, fügte Terras hinzu.



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