Orbáns „Friedensmission“ in Peking bewegt die geopolitische Landschaft

Ungarns Regierungschef meint, man könne China nicht aus dem Prozess der Friedenskonsolidierung auslassen. Nach Kiew und Moskau flog er im Geheimen nach Peking. Trotz aller Kritik bezeichnet er seine Reise als „Erfolg“.
Titelbild
Ministerpräsident Viktor Orbán und der chinesische Staatschef Xi Jinping trafen sich im Mai auch in Budapest.Foto: MTI /Pressebüro des Premierministers in Ungarn/Vivien Benko Cher
Von 8. Juli 2024

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In einem Facebook-Post von Montagmorgen erklärte Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, das Ende des Krieges zwischen Russland und der Ukraine hänge von der Entscheidung dreier Weltmächte neben den Kriegsparteien ab. Das seien die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und China. „Deshalb sind wir nach meinen Treffen mit den Kriegsparteien nach Peking gereist“, schrieb er.

Am frühen Morgen berichteten die ungarischen Medien über seine bereits erfolgten Gespräche mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. In der ersten Woche seiner EU-Ratspräsidentschaft hat Orbán das Tempo der diplomatischen Bemühungen stark erhöht. Seine Reisen werden im Geheimen vom Regierungspersonal im Sinne einer „Friedensmission“ organisiert. Auch sein Besuch in Peking wurde nicht im Voraus bekannt gegeben.

Ungarns Regierungschef ist nun auf dem Weg nach Washington, D.C., wo ab Dienstag der NATO-Gipfel stattfindet. Es wird spekuliert, dass er im Rahmen der Friedensmission in erster Linie den ehemaligen Präsidenten Donald Trump treffen will.Inzwischen erntet er Kritik für seine unangekündigten Reisen.

Gespräche in Peking

„Wir begrüßen Ihre Friedensinitiative in dem Konflikt in Ungarns Nachbarschaft“, sagte Orbán zu Xi in Peking. Im Mittelpunkt von Orbáns Reise nach China standen dieses Mal auch nicht die bilateralen Beziehungen, sondern vielmehr das Thema Frieden. Orbán lobte Chinas Friedensbemühungen und betonte, dass diese in der Weltpolitik von großer Bedeutung seien.

„Die Ungarn sind ein friedliebendes Volk. Es strebt nach Frieden, Gleichgewicht und Harmonie, und deshalb sind wir immer auf der Seite des Friedens und niemals auf der Seite des Krieges“, sagte er der chinesischen Führung.

Laut Orbán kann Peking ein wichtiger Verbündeter auf dem Weg zum Frieden sein. Auf jeden Fall dürfe die KP Chinas bei den Friedensverhandlungen nicht außen vor bleiben. Auch in Peking plädierte der Politiker für die Idee eines schnellen Waffenstillstands.

Ministerpräsident Viktor Orbán (Mitte links) und der chinesische Staatschef Xi Jinping (Mitte rechts) führen am 8. Juli 2024 Gespräche in Peking. Foto: MTI/Pressebüro des Premierministers in Ungarn/Vivien Benko Cher

Die Reaktionen folgen

Die ungarischen oppositionsnahen Medien liegen auf einer Linie mit den kritischen Stimmen aus der  EU zu Orbáns Reisen. Sie betonen, dass weder die Moskau- noch die Peking-Reise aus diplomatischer Sicht viel Sinn ergebe. Orbán habe die Möglichkeit des EU-Ratsvorsitzes genutzt, „die Rolle eines selbst ernannten Vermittlers im russisch-ukrainischen Krieg zu spielen“. Ein anderes Portal weist darauf hin, dass der ehemals (und angeblich jetzt auch) antikommunistische Orbán „den kommunistischen Staatschef [Xi Jinping] ununterbrochen grüßt, ihm dankt und ihm gratuliert“.

Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) meint, dass der Besuch des ungarischen Regierungschefs in Peking nicht als Friedensinitiative im Namen der EU fehlinterpretiert werden darf. Obwohl Ungarn seit Monatsbeginn die EU-Ratspräsidentschaft hält, reise Orbán „als ungarischer Regierungschef und nicht als Repräsentant Europas“, betonte Habeck am Montag gegenüber dem TV-Sender „Welt“. „Das kann er natürlich tun. Aber er spricht nicht für Europa an dieser Stelle.“ Habeck fürchte auch, dass Orbán dabei zu große Nähe zu „falschen“ politischen Führern suche.

Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit betont, dass der ungarische Ministerpräsident auf seiner selbst erklärten „Friedensmission“ nicht im Namen der EU unterwegs sei.

Die Bundesregierung wies Orbáns Initiative zurück und verwies auf den Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der einen vollständigen Rückzug der russischen Truppen aus seinem Land vorsieht. Ein Friedensplan hingegen, „der im Prinzip einer Kapitulation der Ukraine gleichkommt“ und Russland die Erreichung seiner Kriegsziele ermögliche, sei inakzeptabel, betonte Hebestreit.

Orbán begrüßt die Kritik

Seit seiner ersten Reise nach Kiew hat Orbán viel Kritik erfahren. Dazu gab er der „Welt“ ein Interview, in dem er sich zu den Reaktionen einiger EU-Politiker äußerte.

„Ich denke, wir sollten anfangen, etwas mehr und gründlicher darüber zu sprechen, was das strategische Interesse Europas ist, insbesondere für die Zeit nach den US-Wahlen. Ich will Alternativen zu den vorherrschenden Linien aufzeigen. Deshalb ist die Diskussion, die meine Reisen ausgelöst haben und die meine künftigen Reisen auslösen werden, nicht schlecht, sondern gut“, so Orbán.

Zu seiner eigenen Rolle sagte Orbán bereits vor seiner ersten Reise, dass er nicht im Namen der EU verhandle und er wisse, dass er kein Mandat dafür habe. Er fördere lediglich den Dialog und erstelle Berichte – aus erster Hand.

Kreml zeigt sich optimistisch

Russland schätzt die Bemühungen des ungarischen Ministerpräsidenten um eine Lösung der Situation in der Ukraine sehr, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern am Montag.

Der Kreml-Sprecher merkte an, dass es derzeit „eine ganze Reihe von ernsthaften Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Parteien“ gebe. „Herr Orbán versucht jedoch zumindest, das Wesen dieser Meinungsverschiedenheiten zu verstehen, was sehr lobenswert ist“, sagte er.

Der russische Präsident Wladimir Putin meint nach Aussagen Peskows, dass die Initiativen Orbáns wirklich ernst zu nehmen seien. Orbán wolle sich auf die Originalquellen stützen, um die Positionen der Parteien zu vergleichen, erklärte Peskow auf eine Frage von TASS.

Pekings Rolle

Peking hat sich Anfang letzten Jahres als Vermittler zwischen Moskau und Kiew angeboten. Dabei betonte es, dass es kein Fürsprecher der russischen Interessen sei. Xi hat die Handlungen Russlands zu keiner Zeit verurteilt.

China präsentiert sich als neutrale Partei in diesem Krieg. Die strategischen Beziehungen zu Russland haben sich jedoch während des Kriegs erheblich verstärkt. Peking kauft auch regelmäßig große Mengen an russischem Gas zu reduzierten Preisen. Auch zu Ungarn vertieft China seine wirtschaftlichen Beziehungen.

Zugleich verurteilen weder Russland noch Ungarn die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen Chinas, die die EU mit Sorge beobachtet.



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