Neukaledonien: Einige Gebiete nicht mehr unter staatlicher Kontrolle – Frankreich entsendet Militär

Im französischen Überseegebiet Neukaledonien haben schwere Unruhen zu fünf Toten und hunderten Verletzten geführt. Die Bevölkerung hat sich in ihren Häusern verbarrikadiert. Präsident Macron verhängte den Ausnahmezustand, Premierminister Attal ordnete die Entsendung des Militärs an. Auslöser ist eine Verfassungsreform. 
Seit Tagen kommt es zu Krawallen im Südseeparadies Neukaledonien.
Seit Tagen kommt es zu Krawallen im Südseeparadies Neukaledonien.Foto: Delphine Mayeur/AFP/dpa
Von 17. Mai 2024

Geschäfte geplündert, Häuser niedergebrannt, Polizei gefeuert: In Neukaledonien im Südpazifik ist es zu dem schwersten Gewaltausbruch seit den 1980er-Jahren gekommen.

Die französische Epoch Times berichtet, dass in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai die Polizei auf der Inselgruppe im Südpazifik mehr als 206 Festnahmen vorgenommen hat. Zehn Mitglieder der Unabhängigkeitsgruppe CCAT seien unter Hausarrest gestellt, teilte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin mit. Er beschrieb diese als „Mafia-Anführer“.

Nach Angaben des Hochkommissars für die französischen Gebiete im Pazifik sind einige Teile Neukaledoniens nicht mehr unter staatlicher Kontrolle. Es werde Verstärkung eintreffen, um diese zurückzuerlangen, sagte Louis Le Franc am Freitag vor Reportern.

Er hat eine Ausgangssperre verhängt und die Verwendung von TikTok verboten. Eine Luftbrücke zwischen Frankreich und den Inseln soll den schnellen Transport von Sicherheitskräften, Ausrüstung und Lebensmitteln ermöglichen.

Rassismus gegen Weiße

„Sie greifen mich an, weil ich weiß bin“, erklärt Nicolas Metzdorf, Abgeordneter in Neukaledonien der Macron-Partei Renaissance auf dem Radiosender „RMC“.

Laut Metzdorf ist ein radikaler Zweig der Unabhängigkeitsbewegung seit einigen Monaten für die Unruhen verantwortlich. Diese vorwiegend alkoholisierten Jugendlichen würden alles angreifen, was französischen Ursprungs sei: „Ich gehöre zur siebten Generation in Neukaledonien und man greift mich an, weil ich weiß bin. Angesprochen sind alle, die sich in Neukaledonien niedergelassen haben und nicht vom Ursprungsvolk abstammen.“

Ähnlich sieht es Sonia Backès, die Präsidentin der Südprovinz und eine Aktivistin für den Verbleib bei Frankreich. Sie prangert auf „BFM-TV“ die „rassistischen Beleidigungen“ derjenigen an, die in der ersten Nacht der Unruhen das Haus ihres Vaters niederbrannten.

Dieser Generation mangele es an Verständnis für Menschen, die schon „seit achtzig Jahren hier sind, zum größten Teil hier geboren sind und kein ‚Anderswo‘ haben“, erklärt Backès die Situation. „Wenn wir den Separatisten zuhören, werden wir zu Fremden in unserem eigenen Land, und das ist besonders traurig“, fügt sie hinzu.

Aserbaidschans Unterstützung der „Antikolonialisten“

Einflussreiche ausländische Gruppen schüren den Konflikt, schreibt Epoch Times aus Paris. Innenminister Gérald Darmanin erklärte auf dem Fernsehsender „France 2“, was Aserbaidschan angehe, sei das keine Fantasie, es sei „eine Realität“.

Seit der Unterzeichnung eines Kooperationsmemorandums zwischen dem Kongress von Neukaledonien und der Nationalversammlung von Aserbaidschan im April steigt die Kontroverse über den Einfluss Aserbaidschans. Darmanin hatte am 29. April die „äußerst schädliche Einmischung“ Aserbaidschans angesprochen: „Es war mir nicht klar, dass Aserbaidschan ein wirtschaftliches, politisches, kulturelles oder sportliches Interesse am Südpazifik hat“, hatte der Minister vor der Nationalversammlung erklärt und darin eher eine „opportunistische“ Partnerschaft gesehen.

Aserbaidschan wirft Paris seine Unterstützung für Armenien vor. Armenien hatte seine militärische Zusammenarbeit mit Frankreich aufgrund des Rückzugs Russlands verstärkt. Diese Annäherung führte zur Unterzeichnung mehrerer Waffenverträge sowie zur Entsendung französischer Soldaten zur Ausbildung von Truppen nach Eriwan.

Im Juli 2023 hat Aserbaidschan Unabhängigkeitsbefürworter aus Martinique, Guyana, Neukaledonien und Französisch-Polynesien nach Baku eingeladen. Aus dieser Konferenz war die „Baku-Initiativgruppe“ hervorgegangen, die „die französischen Befreiungsbewegungen und Antikolonialisten“ unterstützen soll.

Der Ursprung des Konflikts

Die Urbevölkerung der Inselgruppe Neukaledonien nennt sich „Kanaken“. Laut Wikipedia stammt das Wort von „kanaka maoli, einer hawaiischen Bezeichnung für ‚Mensch‘ (kanaka), welche in der Vergangenheit von europäischen Kolonialherren, Händlern und Missionaren Ozeaniens oft für sämtliche nicht-europäische Insulaner benutzt wurde“.

Der Ursprung des aktuellen Konflikts ist in der Kolonialgeschichte der Inseln zu finden. Das zu Frankreich gehörende Territorium verfügt seit 2003 über einen Sonderstatus. Es gehört deshalb nicht zur Europäischen Union und dem Schengen-Raum.

Die Befürworter einer Unabhängigkeit von Frankreich befürchten, dass durch eine Verfassungsreform der Einfluss der ursprünglichen Bevölkerung schwinden könnte. Die Reform wurde am Dienstag (14.5) in Paris vom französischen Parlament beschlossen, 17.000 Kilometer entfernt von der neukaledonischen Hauptstadt Nouméa.

Sie ändert einen Kompromiss zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und Neukaledonierfranzosen aus den 1980er-Jahren, denen blutige Unruhen vorangegangen waren. Seitdem bevorzugt das Wahlrecht bei Provinzwahlen die Ursprungsbevölkerung.

Innenminister Darmien hat seinen Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung folgendermaßen erklärt, wie „Le Point“ schreibt:

„Es gibt also Kaledonier, Franzosen, die in Neukaledonien als Kinder kaledonischer Eltern geboren werden und die nicht wählen können, um ihre lokalen Vertreter zu bestimmen. Wenn Sie zwanzig Jahre lang in Neukaledonien leben, arbeiten, Kinder zeugen und Steuern zahlen, können Sie nicht über Ihre Vertreter in der Provinz abstimmen.“

Das Kollektiv „Solidarität Kanaky“ kritisiert hingegen den Gesetzesentwurf in einer Pressemitteilung, die „Le Point“ zitiert. Dieser knüpfe „an die bewährten Praktiken der Unterdrückung des kanakischen Volkes in seinem eigenen Land“ an: „Der Staat verpflichtet sich zu einer brutalen Veränderung der gesamten Organisation des demokratischen Lebens in Neukaledonien. Dies ist eine Möglichkeit, die Rekolonialisierung des Territoriums und die Unsichtbarmachung des Kanak-Volkes zu fördern! Dieser Gesetzentwurf muss zurückgezogen werden.“

Der nationale Rat des Volkes der Kanak, Inaat Ne Kanaky, hat „den ungerechtfertigten Vandalismus und die Gewalt mit Schusswaffengebrauch auf öffentlichen Straßen“ verurteilt. Er forderte die Festnahme der Verantwortlichen. Gleichzeitig bedauert der Rat, dass die umstrittene Verfassungsreform von der französischen Nationalversammlung abgesegnet wurde, schreibt die „Berliner Zeitung“.

Mit Material der AFP und der französischen Epoch Times.



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