Hamas auf den Spuren des IS? Terror als Ausdruck einer Strategie kontrollierter Eskalation

Israelische Sicherheitskreise besitzen bei Terroristen aufgefundene Unterlagen, die Auskunft zur Strategie der Hamas geben. Diese hatte bei ihrem Angriff vom 07.10. auf Israel eine Maximierung der Opferzahl angestrebt.
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Die Hamas könnte ihre Terrorstrategie nach Vorbild des IS auch international erweitern.Foto: MARTIN KEEP/AFP via Getty Images
Von 15. Oktober 2023

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Das Ausmaß an Brutalität, mit dem die terroristische Hamas ihren Angriff vom 07.10. gegen israelische Grenzstädte zu Gaza ausgeführt hatte, war kein Zufall. Vielmehr haben die Terroristen von vornherein angestrebt, die Anzahl der Todesopfer zu maximieren.

Einen massiven Gegenschlag Israels, bei dem sich zivile Opfer kaum vermeiden lassen würden, hat die Hamas bewusst in Kauf genommen. Das geht aus Unterlagen hervor, die israelische Sicherheitskräfte bei einem der beteiligten Terroristen gefunden haben.

Nur ein geringer Teil der beteiligten Hamas-Terroristen war eingeweiht

Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, hat es für die Beteiligten an dem Terrorakt einen schriftlichen Marschbefehl gegeben. Ein Dokument, das die Sicherheitskräfte Medien zugänglich gemacht haben, betraf dabei den Überfall auf den Kibbuz Sa’ad. Es trägt den Namen „Operationsplan 302“.

Darin erging ein Befehl an das „2. Reservegeschwader des 2. Reservebataillons“. Dieses solle den Kibbuz „am D-Day zum Startzeitpunkt der Operation angreifen“. Ziel sei es,

die Kontrolle über den Kibbuz zu übernehmen, so viele Individuen wie möglich zu töten und Geiseln zu nehmen, bis es weitere Anweisungen erhält“.

Hohe Offiziere der Hamas hatten nach dem Angriff erklärt, dieser sei zwei Jahre lang vorbereitet worden. Man habe jedoch nur eine sehr kleine Gruppe in die Details eingeweiht. Vieles spricht dafür, dass die einzelnen Untereinheiten erst kurz vor Beginn ihre Einsatzpläne erhalten hatten.

Weiteres Massaker in unmittelbarer Nähe

In den Dokumenten sind Alarmketten und Sicherheitsmaßnahmen aufgeführt, es gab detaillierte Ortsbeschreibungen, Angaben über Häuser, elektrische Zäune und die Bewohnerzahl. Vorgegeben war auch, welche Einheit welchen Teil des Anwesens angreifen soll.

So soll es erst zum Durchbruch eines Zaunes und zur Ausschaltung der Sicherheitsposten kommen. Anschließend sollen Büros und der Essenssaal unter Kontrolle gebracht werden. Geiseln wollte man dort konzentrieren und einige zum Abtransport nach Gaza vorbereiten. Am Ende wollte man auch die neue Schule unter Kontrolle bringen.

Auf der Straßenseite gegenüber dem Kibbuz befand sich Kfar Aza, wo die Terroristen ein Massaker mit mehr als 100 Toten verübten.

Gegenschlag Israels soll arabische Welt gegen Israel mobilisieren

Zum möglichen Zweck des Anschlags erklärte Terrorismusforscher Peter Neumann gegenüber „oe24“:

Mit dem Angriff wollte die Hamas einen Gegenschlag durch Israel provozieren, der die ganze arabische Welt für das Thema Palästina und gegen Juden mobilisiert.“

Derzeit sollen bis zu 40.000 Terroristen der seit 2007 den Gazastreifen kontrollierenden Hamas unter Waffen stehen. In den unterirdischen Arsenalen der Gruppe sollen sich etwa 30.000 Raketen befinden.

Ihre Köpfe sind der in Katar untergetauchte Ismail Haniyeh, der Chef der Kassam-Brigaden Mohammed Deif und der politische Führer Yayha Sinwar. Deif hat bereits mehrere gezielte Tötungsversuche israelischer Sicherheitsdienste überlebt. Sinwar profitierte im Jahr 2011 von einem Gefangenenaustausch.

Vorgehen der Hamas ähnelt zunehmend jenem des IS

Das Vorgehen der Hamas-Terroristen, das unter anderem Vergewaltigungen, Leichenschändungen und die Enthauptung von Säuglingen umfasste, erinnert vielfach an die Praktiken des „Islamischen Staates“ (IS). Dieser hatte neben Schockwirkung, Aufmerksamkeit und Einschüchterung auch massive Reaktionen seiner Feinde provozieren wollen.

Dass Gegenschläge nicht nur zivile Opfer fordern würden, sondern die in den Taten zum Ausdruck kommende Menschenverachtung auch die Propaganda islamfeindlicher Kräfte stützen könnte, kalkulierte der IS gezielt ein. Man hoffte sogar auf eine noch stärkere Diskriminierung und Stigmatisierung von Muslimen im Westen – um unter den Betroffenen neue Sympathisanten zu gewinnen.

Todeskulte mit bislang unterschiedlichen Schwerpunkten

Zwar stellt sowohl die Hamas als auch der IS einen Todeskult dar, der das „Märtyrertum“ beschwört und „Sieg oder Tod“ als einzige Alternativen zulässt. Dennoch gab es bislang strategisch deutliche Unterschiede. So hatte der IS sein „Kalifat“ als globales Anliegen betrachtet und damit die ganze Welt als Schauplatz von Terrorakten zur Unterstützung dieses Ziels gesehen.

Die Hamas konzentrierte sich bislang hingegen auf das Ziel der Vernichtung des Staates Israel. Am Ende soll auf dem Gebiet des sogenannten Palästina ein theokratisches Gemeinwesen entstehen. Entsprechend war Israel auch bislang das primäre Ziel terroristischer Angriffe.

Explizit der Hamas zuzuordnende Terrorattacken in Drittstaaten waren bislang jedoch kaum zu verzeichnen. Dies unterscheidet deren Strategie bislang nicht nur vom IS, sondern auch von anderen palästinensischen Terrorgruppen sowie vom Iran als einem der wichtigsten Förderer der Hamas.

Sympathisantenumfeld in Europa deutlich größer als jenes für den IS

Dass die Hamas für den vergangenen Freitag, 13. Oktober, für die gesamte arabische und islamische Welt zur „Mobilisierung“ aufgerufen hat, könnte hier eine Trendwende einleiten. Inwieweit beispielsweise ein mutmaßlich dschihadistischer Angriff eines radikalisierten 20-Jährigen auf einen Lehrer in Frankreich einen Bezug dazu aufweist, ist noch unklar. In Peking ereignete sich – ebenfalls am Freitag – ein Angriff auf einen Mitarbeiter der israelischen Botschaft.

Die Gefahr erscheint als durchaus real, dass die Hamas ihren Terrorkrieg ähnlich wie der IS perspektivisch zu einem weltweiten Franchise-Unternehmen ausbauen könnte. Die Finanzierung der Gruppierung und der Zugang zu Waffen scheinen nicht zuletzt durch die Unterstützung vonseiten des Iran gesichert zu sein. Auch Katar steht seit Jahr und Tag im Verdacht, die Hamas zu finanzieren.

Verglichen mit dem IS verfügt die Hamas zudem über ein deutlich größeres internationales Sympathisantenumfeld, das bereitwillig ihre Propaganda reproduziert. Der „Palästina“-Mythos und zum Teil seit Jahrhunderten verwurzelte antisemitische Ressentiments erleichtern der Organisation dabei die Arbeit. Es ist in vielen Ländern Europas mit geringem Risiko verbunden, in Politik und Medien „antizionistische“ Themen zu verbreiten, die der Hamas in die Hände spielen.

Ressentiments gegen muslimische Bürger in Europa von der Hamas in Kauf genommen

Neben vorhandenen Ressentiments gegen Israel in der Mehrheitsgesellschaft könnten der Hamas auch noch andere Faktoren in Europa zupasskommen. So gibt es in weiten Teilen der muslimischen Einwanderercommunitys eine Wahrnehmung des Nahostkonflikts, die den palästinensischen Opfermythos stützt.

Gleichzeitig eignen sich europäische Staaten auch für eine abgemilderte Form einer „Strategie der Spannung“, wie sie der IS verfolgt hat. Auch im Fall des jüngsten Massakers der Hamas dürfte die Brutalität, mit der dieses ausgeführt wurde, Abscheu und Wut erzeugen.

Darauf bauen jedoch auch islamfeindliche Bestrebungen, die unterschiedliche Konfliktwahrnehmungen und ausbleibende Verurteilungen der Hamas durch Islamverbände für ihre Zwecke nutzen. Gelingt es ihnen, antimuslimische Stimmungen in der Bevölkerung und Diskriminierungen zu verstärken, kann die Hamas wiederum ihre Propaganda noch wirksamer setzen.

Eine Terrorbotschaft richtete sich an arabische Länder

Ein weiterer Aspekt, der eine „Internationalisierung“ der Terrorstrategie der Hamas befürchten lässt, ist, dass sich die Botschaft des Terrors schon jetzt an Drittstaaten richtet. Jonathan Spyer, Forschungsdirektor des Middle East Forums, zufolge wollen die Terroristen ein Signal an Staaten wie Saudi-Arabien setzen. Diese haben sich jüngst um eine Normalisierung der Beziehungen zum jüdischen Staat bemüht.

Irans oberster Führer Ali Khamenei brachte dies gegenüber iranischen Staatsmedien zum Ausdruck. Erst kürzlich erklärte er, dass Länder, die sich auf eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel einlassen, „auf ein verlierendes Pferd“ setzten. Die „palästinensische Bewegung“, so Khamenei, sei „heute aktiver als je zuvor“.



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