Fedir Shandor: Der neue Botschafter, der Orbáns Ukraine-Narrativ herausfordert

Er hat den Auftrag, die Ukraine-Politik Orbáns zu neutralisieren. Selenskyjs neuer Botschafter in Budapest ist ein Historiker mit ungarischen Wurzeln, der von vielen als Held gesehen wird.
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Fedir Shandor, Professor, ukrainischer Soldat und kürzlich zum Botschafter der Ukraine in Ungarn ernannt, während eines Interviews in Kiew am 21. August 2023. Shandor wurde berühmt, als er seine Studenten aus den Schützengräben heraus unterrichtete.Foto: Roman Pilipey/AFP via Getty Images
Von 5. September 2023

Der neue ukrainische Botschafter in Ungarn, Fedir Shandor, wird als eine Herausforderung für die ungarische Regierung betrachtet. In den Medien heißt es beispielsweise: „Die Zeit ist endlich gekommen: Der Botschafter, der Orbán einen Dämpfer erteilen kann.“ So schrieb die oppositionelle ungarische Zeitung „Ellenszél“ im August über ihn.

In einer Analyse des US-Medienunternehmens „Bloomberg“ heißt es, dass Fedir Shandor nun dazu beitragen könnte, „Orbáns Ukraine-Narrativ zu schwächen. Dies konzentriert sich auf die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand zum Schutz der in der Westukraine lebenden Ungarn.“

Staatschef Volodymyr Selenskyj glaubt, dass sein neuer Botschafter in Budapest dazu beitragen könne, die „ungarische Antipathie gegenüber der Ukraine abzubauen“. Diese sei durch die „pro-russischen Botschaften“ Orbàns noch verstärkt worden, meint er. Was liegt vor dem neuen Botschafter Fedir Shandor?

Ohne diplomatische Erfahrung unterwegs

Der ungarische Ministerpräsident beharrt auf einem Friedens-Deal zwischen dem Westen und dem russischen Staatschef. Das bereitet der ukrainischen Führung Sorgen – vor allem, weil Orbán sich eine Einigung wünscht, bei der Moskau die Krim behält und der Ukraine die NATO-Mitgliedschaft verweigert wird.

Ein Erfolg des neuen Botschafters könnte den Druck Ungarns innerhalb der EU verringern, analysiert „Bloomberg“. Es hätte Auswirkungen auf sämtliche Bereiche, von der Sanktionspolitik bis zur Entwicklungshilfe, sogar den EU-Beitritt des Landes.

Fedir Shandor (47) ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Zum einen hat er keinerlei diplomatische Erfahrung, er ist allerdings mit Ungarn verbunden und teilweise ungarischer Herkunft. Zum anderen hat er sich an der Front einen Namen gemacht, weil er sich freiwillig als Universitätsdozent gemeldet hat. Online unterrichtete er teilweise sogar direkt vom Ort seines Einsatzes.

Fedir Shandor unterrichtete online während Kampfpausen – keine Vorlesung fiel seit Kriegsbeginn aus. Er ist Historiker und lehrt in den Fächern Philosophie, Soziologie und Geschichte. Foto: Botschaft der Ukraine in Ungarn

Nicht mit offenen Armen empfangen

Eigenen Angaben zufolge plante Shandor keine diplomatische Karriere. Er wurde von Selenskyjs Mitarbeitern angesprochen, nachdem er zusammen mit zwei anderen Soldaten in einem kurzen Video zu sehen war, wie sie „nach der Befreiung der besetzten Stadt Ambarne“ ungarische und ukrainische Fahnen hielten.

Shandor kämpfte an der Ostfront bei den „Karpatischen Drachen“, einer Einheit der ukrainischen Armee, die teilweise aus Freiwilligen ungarischer Herkunft bestand.

Volodymyr Chubirko, Vorsitzender des Regionalrates von Transkarpatien, sagte, Fedir Shandor sei derzeit die am besten geeignete Person für den Botschafterposten. Grund dafür sei sein „ausgezeichnetes Verständnis für die Beziehungen der Ungarn im Ausland und für die Probleme, die in den heutigen russisch-ukrainischen Beziehungen am wichtigsten sind.“

Es war jedoch nicht einfach, sein Mandat von der ungarischen Staatsführung genehmigen zu lassen. Der Antrag auf Zustimmung war seit März anhängig. Er wurde erst fünf Monate später von der ungarischen Staatspräsidentin Katalin Novák unterzeichnet. Über die Gründe der Verzögerung wurde Stillschweigen vereinbart.

Der Botschafter, der Orbán „auf die Füße treten“ könnte

In den Zeitungen der ungarischen Opposition wurde in den vergangenen Monaten immer wieder gemutmaßt, warum sich die Ernennung des Botschafters verzögert hat. Das politische ungarisch-ukrainische Problem stecke sicher dahinter, hieß es. Denn der Historiker Fedir Shandor folgt eindeutig dem Selenskyj-Narrativ.

Zugleich kritisierte die ungarische Regierung in jüngster Zeit die ukrainische Führung in mehreren Punkten. Orbán bemängelt vor allem die Art und Weise, wie die ukrainische Führung die Rechte der auf ihrem Territorium lebenden Minderheiten, insbesondere der ungarischen Minderheit, beschneidet. Außerdem ist die ungarische Regierung entschieden gegen Sanktionsmaßnahmen. Ungarns Regierungschef hat auch nicht vergessen, dass die ukrainische Führung in der jüngsten Vergangenheit die Energiesicherheit des Landes bedrohte.

Eine der wichtigen Oppositionszeitungen ist die „Amerikai Népszava“. Diese ging so weit, dass sie Orbán und den ungarischen Außenminister als russische „Geheimdienstagenten“ bezeichnete. Weiter heißt es in einem Artikel, dass Orbán von Shandor „einen Tiefschlag“ versetzt bekäme.

Fedir Shandor sehe die ungarische Minderheit in der Ukraine „nicht nur als ein Werkzeug auf der Seite der irredentistischen und nationalistischen ungarischen Politik“. [Unter Irredentismus wird eine Zusammenführung möglichst aller Vertreter einer bestimmten Ethnie in einen Staat mit festen Territorialgrenzen verstanden.]

Laut der Opposition nutze Orbán die schlechte Lage der ungarischen Minderheit in der Ukraine als Vorwand. Auf diese Weise könne er die Unterstützung für die Ukraine verweigern. Zudem wolle er den Beitritt des Landes zur EU und zur NATO bremsen. Selenskyjs neuer Gesandter könnte in dieser Situation eine Herausforderung für Orbáns Partei darstellen, da er selbst Angehöriger der ungarischen Minderheit in der Ukraine sei.

Außenminister: Ungarn gibt keinen Millimeter nach

Das aktuelle diplomatische Amtsjahr in Ungarn begann Anfang September, es birgt demnach einige Konflikte. Die Eröffnungszeremonie für die Botschafter hielt Außenminister Péter Szijjártó.

In seiner Rede auf der Veranstaltung betonte er, dass „eine Menge Druck“ auf Ungarn zu erwarten sei. Das Entscheidende sei, dass die Position zur Ukraine nicht aufgeweicht werden dürfe. Ungarn versteht den aktuellen Konflikt in der Ukraine nicht als einen eigenen Konflikt: „Wir müssen uns um jeden Preis heraushalten“, erklärte Szijjártó.

Die Sanktionspolitik sei gescheitert, weshalb die Regierung eine neue Strategie für die EU für notwendig halte. Neben der Anerkennung der territorialen Ansprüche der Ukraine hält es die ungarische Regierung auch für wichtig, den Dialog mit Russland aufrechtzuerhalten. Und sie wird dies auch weiterhin tun. Vor allem, wenn es um die Energiesicherheit des Landes geht.



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