Minderheiten in der Ukraine – in hohem Maße bedroht
Die Präsidenten der nationalen Parlamente der EU haben sich Anfang der Woche in Prag getroffen. Dabei stand wieder einmal ein für Ungarn und Rumänen besonders dringliches Thema auf der Tagesordnung: Die rapide Verschlechterung der Situation der Minderheiten in der vom Krieg erschütterten Ukraine.
In seiner Rede in Prag wies István Jakab, Vizepräsident der ungarischen Parlamentarischen Versammlung, auf Widersprüche in der Situation hin:
Wann wird die Europäische Union das Existenzrecht der ukrainischen nationalen Minderheiten genauso anerkennen und schützen, wie sie das Existenzrecht der ukrainischen Nation anerkennt und schützt?“
Außenminister Péter Szijjártó machte zudem in Brüssel deutlich, dass Ungarn weder einer EU-Mitgliedschaft noch einem NATO-Beitritt der Ukraine zustimmen werde, solange das Schicksal der unterdrückten Minderheiten nicht geklärt sei.
Die Frage der Minderheiten in der Ukraine ist eine zentrale Frage. Historisch gesehen bedeutet das Wort Ukraine „Grenzland“. Der Staat, der erst 1991 unabhängig wurde, hat eine vielfältige Bevölkerung. Einst stand die Ukraine unter polnischer, habsburgischer und russischer Herrschaft. Die Grenzen, die durch die Unabhängigkeit anerkannt wurden, dehnten sich dann auf Gebiete aus, die zuvor zu Polen, Ungarn oder Rumänien gehört hatten. Heute ist das Land ein riesiges Gebiet mit einer Vielzahl von Volksgruppen und einem sehr großen russischen Bevölkerungsanteil.
Terror gegen Muttersprachen
Der ungarische Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó bezeichnete den neuesten ukrainischen Vorschlag zur Abschaffung nationaler Minderheitsschulen mehrmals als frustrierend, empörend und skandalös, wie das ungarische Portal „Index“ berichtete. Diese Initiative würde auch einen Teil jener Milliarden Euro verwenden, die die Europäische Union für das Funktionieren des Staates bereitstelle. Konkret würde es für Maßnahmen zur Verdrängung nationaler Minderheiten verwendet werden.
Minister Szijjártó bezog sich dabei auf einen aktuellen Vorschlag aus Kiew, der vorsieht, dass Familien, die ihre Kinder in einer ukrainischsprachigen Schule statt in einer nationalsprachigen Schule anmeldeten, rund 1.000 Euro erhalten könnten. „Das ist ein ernsthafter Schritt in Richtung der Auslöschung einer Minderheit“, sagte Szijjártó.
Jakab: „Anti-ungarische Kampagne“
Im vergangenen Jahr hatte die ungarische Minderheit eine Reihe von Übergriffen gemeldet. So wies Präsident István Jakab auf die ungerechtfertigte Entlassung ungarischer Lehrkräfte und die Entfernung ungarischer Symbole hin. Zudem können Bildungseinrichtungen für nationale Minderheiten ab September nicht mehr in ihrer jetzigen Form betrieben werden. Landessprachliche Schulabschlussprüfungen, Aufnahmeprüfungen und Berufsausbildungen würden abgeschafft.
Insgesamt gebe es „klare Anzeichen für eine ernsthafte anti-ungarische Kampagne“ in der Ukraine, erklärte Jakab nach Angaben von MTI, der nationalen Nachrichtenagentur Ungarns.
Diese Ereignisse können jedoch nicht unbedingt mit dem Krieg in Verbindung gebracht werden. Auch zuvor gab es Berichte über die Unterdrückung von Minderheiten in der Ukraine. Doch ihre Situation verschlechterte sich seit 2015 besonders. Es ist die Rede von einer ständigen und direkten Ukrainisierung. Zu den betroffenen Minderheiten gehören neben Ungarn und den Russen auch Bulgaren, Polen, Rumänen und andere.
Neue Regeln ohne Fortschritt?
Im Dezember 2022 hatte das ukrainische Parlament ein altes Gesetz über nationale Minderheiten aufgehoben und ein neues Gesetz verabschiedet. Das war eine der Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt der Ukraine zur EU.
Sowohl die ungarische als auch die rumänische Regierung kritisieren jedoch die neuen Vorschriften. Ungarn vertritt den Standpunkt, dass diese die Rechte der auf ukrainischem Territorium lebenden nationalen Gemeinschaften, einschließlich der Ungarn, weiter eingeschränkt hätten.
Die ungarische Europaabgeordnete Andrea Bocskor fügte nach einem Bericht des Minderheitenportals „Felvidek.ma“ hinzu, dass das Gesetz „die bisherige Situation nur noch verschärft, indem es die durch das Bildungsgesetz von 2017 und das Sprachengesetz von 2019 verursachten Einschränkungen festigt“. Schon diese früheren Gesetze hätten Minderheitenrechte deutlich geschadet.
Elena Nandris, eine prominente Anführerin der rumänischen Gemeinschaft in der Ukraine, ergriff ebenfalls das Wort. Sie betonte, dass das neue Bildungsgesetz die Schulen der Minderheitensprachen weiterhin dazu verpflichte, schrittweise ukrainischsprachigen Unterricht einzuführen.
„Wir sind seit 551 Jahren Rumänen und jetzt wird in ein paar Jahren alles zerstört: Das tut uns sehr weh. Es tut weh, wenn du deine Sprache verlierst. Wir haben keine Macht, etwas dagegen zu tun: Das [Bildungs-]Gesetz ist in Kraft, kein einziger Buchstabe davon wurde zurückgezogen“, zitierte die rumänische Nachrichtenagentur „Agerpres“ Nandris am 25. April.
Die Prüfung des neuen Nationalitätengesetzes im Zusammenhang mit dem Beitritt zur EU ist noch nicht abgeschlossen. Die ukrainische Regierung hätte bereits in der Vorbereitungsphase des Gesetzes mit der Venedig-Kommission, einer Einrichtung des Europarates, zusammenarbeiten können, die auch an der Überprüfung des Gesetzes beteiligt ist. Das unterließ sie aber. Das Ergebnis scheint daher fraglich.
Im Geiste des gegenseitigen Respekts
Auf der Konferenz der Präsidenten in Prag wies der ungarische Parlamentspräsident auf die Verantwortung der Ukraine hin. „Die russische Aggression gegen die Ukraine begann nicht mit dem ersten russischen Gewehrschuss, liebe Konferenz, sondern mit der russischen Politik, die die Existenz der ukrainischen Nation, der ukrainischen Sprache und der ukrainischen Nationalkultur infrage stellt“, sagte István Jakab.
Die Tatsache, dass alle EU-Mitgliedstaaten der Ukraine in dieser Frage zur Seite stünden, zeige, wie wichtig es sei, für nationale Werte einzutreten.
Der ungarische Politiker erklärte, dass die EU denselben Respekt von der Ukraine erwarten sollte. Nach Meinung von Jakab verstoße das Land jedoch mit seinen diskriminierenden Gesetzen und seiner staatlichen Politik gegen seine internationalen Verpflichtungen:
Es stellt die Existenz der gefährdeten nationalen Gemeinschaften, die auf seinem Territorium leben, die Sprache und Kultur der ethnischen Minderheiten in der Ukraine und damit auch ihre Existenz selbst infrage.“
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