Estland und Lettland treten aus China-Wirtschaftsforum aus

Nach Litauen beenden zwei weitere Staaten ihre Zusammenarbeit mit Peking im europäisch-chinesischen Kooperationsforum 16+1. Es gilt als Teil der „Neuen Seidenstraße“.
Estland und Lettland treten aus China-Wirtschaftsforum aus
(L-R) Der litauische Präsident Gitanas Nauseda, der polnische Präsident Andrzej Duda, der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky, der lettische Präsident Egils Levits und der estnische Präsident Alar Karis nach ihren Gesprächen in Kiew am 13. April 2022. Die Führer Polens, Estlands, Lettlands und Litauens reisten zusammen mit dem Zug nach Kiew, um ihre Unterstützung für die Ukrainer inmitten der russischen Militärinvasion in der Ukraine zu demonstrieren.Foto: SERGEI SUPINSKY/AFP via Getty Images
Von 6. September 2022

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Am 11. August kündigten Estland und Lettland – fast zeitgleich – auf ihren Regierungsseiten ihren Austritt aus dem 16+1-Wirtschaftsforum an. Peking hatte das Forum zusammen mit verschiedenen Regierungen der mittel- und osteuropäischen Länder 2012 eingerichtet. Als Ziel wurde die Förderung der Wirtschaftsbeziehungen genannt. Es gilt als Teil von Pekings „Neuer Seidenstraße“ (One Belt, One Road), Chinas umstrittenem weltweitem Expansionsprojekt.

Aus dem lettischen Außenministerium in Riga hieß es zur Begründung: „In Anbetracht der aktuellen Prioritäten der lettischen Außen- und Handelspolitik hat Lettland beschlossen, seine Teilnahme am Kooperationsrahmen der mittel- und osteuropäischen Länder und China zu beenden.“

Zudem erklärte das Ministerium: „Lettland wird sich weiterhin um konstruktive und pragmatische Beziehungen zu China bemühen, sowohl auf bilateraler Ebene als auch im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der EU und China, die auf gegenseitigem Nutzen, der Achtung des Völkerrechts, der Menschenrechte und der internationalen, auf Regeln basierenden Ordnung beruht.“

Fast gleichlautend hieß es aus Tallinn vom estnischen Außenministerium: „Estland wird weiterhin auf konstruktive und pragmatische Beziehungen zu China hinarbeiten“. Dazu gehöre auch die „Förderung der Beziehungen zwischen der EU und China im Einklang mit der regelbasierten internationalen Ordnung und Werten wie den Menschenrechten.“

Estlands Außenminister: China hat Ukrainekrieg nicht klar verurteilt

In einem Interview in der ETV-Nachrichtensendung „Aktuaalne kaamera“ wurde Außenminister Urmas Reinsalu (Isamaa) gefragt, warum sich Estland gerade jetzt aus dem Format zurückzieht, berichtet das Estnische Fernsehen EER.

„Aus dem einfachen Grund, dass es Sinn ergibt und dass ich es vorher mit dem Außenminister von Lettland besprochen habe“, antwortete Reinsalu. „Estland und Lettland haben heute ihre Entscheidung bekannt gegeben. Wir bevorzugen die Zusammenarbeit in der EU. Und da spielt sicherlich auch eine Rolle, dass China den Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine nicht klar verurteilt hat.“

Die Ankündigung zum Austritt der beiden baltischen Staaten erfolgte, kurz nachdem China seine militärischen Aktivitäten rund um Taiwan infolge des Besuchs der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi am 2. August verstärkt hatte. Taiwan wird von Peking als Teil des eigenen Territoriums betrachtet.

Bereits im Frühjahr 2021 beendete Litauen seine Beziehungen mit diesem Forum. Damit änderte sich der inoffizielle Name von 17+1 in 16+1.

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis bezeichnete die Plattform nach der Ankündigung Estlands und Lettlands erneut als spalterisch, da Peking seiner Meinung nach mit der EU und nicht mit einzelnen Ländern verhandeln sollte:

„Chinas 17+1-Format war schon lange vor dem Ausstieg Litauens überflüssig und spaltend. Jetzt schließen auch Lettland und Estland die Tür. 14+1 sollte durch EU27+1 ersetzt werden“. Die drei baltischen Länder waren seit 2012 Teil dieses Kooperationsformats.

Litauen fordert EU-Mitglieder auf, Forum zu verlassen

Litauen forderte nach seinem Austritt aus dem europäisch-chinesischen Kooperationsforum andere EU-Mitglieder auf, das Forum angesichts der Verschlechterung der Beziehungen zu China wegen der uigurischen Zwangsarbeit und der Sanktionierung von EU-Beamten durch die KP Chinas zu verlassen.

Am 20. Mai erkannte das litauische Parlament Chinas Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit als solche an. Das baltische Land forderte eine Untersuchung der uigurischen Konzentrationslager in der chinesischen Region Xinjiang durch die Vereinten Nationen.

Litauen, so heißt es in der Resolution, „verurteilt Chinas massive, systematische und schwere Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufs Schärfste.“

China solle „die illegale Praxis der Organentnahme bei Gewissensgefangenen sofort beenden, alle Gewissensgefangenen in China, einschließlich der Mitglieder der spirituellen Bewegung Falun Gong, freilassen, den Völkermord an den Uiguren beenden und Umerziehungslager schließen sowie alle Häftlinge und Gefangenen in Internierungs- und Zwangsarbeitslagern freilassen.“

Analystin: Skepsis gegenüber Peking im Baltikum wächst

Francesca Ghiretti, Analystin beim Berliner Think Tank Mercator Institute for China Studies (MERICS), sagte der „DW“, dass Chinas Nähe zu Russland und die Untätigkeit nach dem Einmarsch in der Ukraine die bereits vorhandene Skepsis gegenüber Peking im Baltikum noch verstärke.

„Es gibt eine laufende Transformation in Europa“, sagte sie, „die viele dazu bringt, ihre Beziehung zu China zu überdenken.“

Aus ihrer Sicht ist es unwahrscheinlich, dass die koordinierte Entscheidung Estlands und Lettlands, die Teilnahme an der China-CEE-Kooperationsplattform einzustellen, aufgrund des milderen Tons die gleiche Feindseligkeit Pekings hervorruft. Aufgrund ihres taiwanbezogenen Timings sendet sie dennoch eine starke Botschaft an China.

Peking versucht Forum wiederzubeleben

Im April dieses Jahres reiste Huo Yuzhen, Pekings Sonderbeauftragte des Außenministeriums für die Zusammenarbeit zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Ländern, in acht Länder der Region, um zu versuchen, das Forum wiederzubeleben. Ziel war es, die Beziehungen trotz der anhaltenden Unterstützung Putins durch Xi zu den Forumsmitgliedern zu verbessern, berichtet China Digital Times.

Der Kooperationsplattform gehören EU- als auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten an. Dazu zählen die fünf Balkanstaaten Albanien, Bosnien/Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die zehn EU-Mitgliedsstaaten Bulgarien, Estland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn.

Die Erklärungen der nördlichsten Mitglieder der 16+1-Gruppierung sind formal gesehen kein Rücktritt, da die Länder nicht durch verbindliche Vereinbarungen an dem Format festgehalten wurden. Dennoch werden sie Auswirkungen auf die Stellung Chinas in der Region haben, erklären Analysten.

Es wird gemutmaßt, dass die Tschechische Republik die nächste sein könnte, die das Format verlässt.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 60, vom 03. September 2022.



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