Die Kanzler-Reise: „Führer“ Xi macht Zugeständnisse – und Scholz auch

Viel Kritik vor der Reise und Erfolge danach. Was von den Errungenschaften aber in der Praxis ankommt, wird erst die Geschichte zeigen.
Xi und Scholz in Peking
Der „Führer“ und der Kanzler: Xi Jinping und Olaf Scholz in der Großen Halle des Volkes in Peking am 4. November 2022.Foto: Kay Nietfeld / POOL / AFP via Getty Images
Von 7. November 2022

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Die China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz am vergangenen Freitag wird heiß diskutiert. Im Vorfeld war bereits das Kanzlermachtwort zum Einstieg der Chinesen in den Hamburger Hafen breiter Kritik und Sicherheitswarnungen unterworfen. Deutschland befindet sich auf dem Weg, der russischen Energieabhängigkeit zu entkommen. Große Abhängigkeiten bestehen jedoch immer noch gegenüber China.

Doch während China einen wirtschaftlichen Doppelweg geht, begibt sich Deutschland aufgrund der Energiewende in noch größere Abhängigkeit von dem laut EU „systemischen Rivalen“. Derweil verkauft China aufbereitetes billiges russisches Gas teuer nach Europa.

Eine Frage des Timings

Auch der Zeitpunkt der Scholz-Reise lässt Bedenken aufkommen. Hatte doch Chinas „Oberster Führer“ erst beim KP-Parteitag das komplette Politbüro mit seinen Gefolgsleuten aufgefüllt und Widersacher abserviert. Die „Hinausbegleitung“ von Ex-Präsident Hu Jintao erfolgte sogar vor den Augen der Weltpresse, vielleicht auch zum Schutz von Xi vor Gegenreaktionen anderer KP-Führer. Experten sehen in der neuen Staatsführung um Xi herum Hinweise dafür, dass Chinas neuer Weg irrationaler und ideologischer werden könnte – mehr Linksextremismus also zulasten der Wirtschaft des Landes. Auch für den östlichen Nachbarn Taiwan scheint es immer gefährlicher zu werden, von China einverleibt zu werden.

Warum also gerade jetzt eine solche Reise? Das fragte sich auch Christoph Heusgen, der bis Juni 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen war und China immer wieder wegen seiner Menschenrechtsverbrechen angeprangert hatte. Heusgen war 2019 und 2020 Präsident des Sicherheitsrates der UNO und ist seit diesem Jahr Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Zur China-Reise von Scholz meinte Heusgen, dass Verhandlungen mit China zwar wichtig seien, sich aber die Frage stelle, warum Scholz gerade jetzt nach China gereist sei:

Wenn wir hier in New York mit vielen Kollegen sprechen, da wird man darauf angesprochen, warum zum jetzigen Zeitpunkt, warum zu einem Zeitpunkt, wo in China jetzt ganz klar ist: Da ist ein totalitäres Regime, wir sind zurück zu den Zeiten von Mao Tsetung. Warum geht man jetzt dahin? Warum macht man das mit einer Wirtschaftsdelegation – wo wir gerade ja versuchen, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu vermindern?“, zitiert die ARD den deutschen Spitzendiplomaten.

Die deutsche „Blase“ in Peking

Vor all diesen Hintergründen und geschichtlich ereignisreichen Wendungen war Olaf Scholz also nach Peking geflogen – eine Wirtschaftsdelegation im Dutzend im Gepäck. Wie in den merkelschen Weiter-so-Zeiten? Dabei hatte Scholz doch angekündigt, ein „Business as usual“ mit China sei nicht möglich, denn Peking sei konfrontativer geworden.

Aufgrund der restriktiven Corona-Regeln von „Führer“ Xi durfte sich Scholz und seine Delegation nur innerhalb einer nach außen hin abgeschotteten „Blase“ bewegen. Sogar die Kanzlermaschine musste nach dem Abladen von Scholz und seinen Begleitern wieder abheben und in Südkorea bis zur Abholung der Delegation zwischenparken. Alle Chinesen, die aufgrund des Kanzlerbesuchs mit den Deutschen in Kontakt kamen, müssen im Nachhinein eine siebentägige Hotel-Quarantäne durchlaufen. Außer Xi Jinping. Der „Führer“ ist von allen Regeln befreit. Er ist die Regel.

Doch was hat Olaf Scholz eigentlich bei den Gesprächen mit Xi in der Großen Halle des Volkes in China erreicht? Gibt es Zugeständnisse der Chinesen – und inwieweit kann man Zusagen der kommunistischen Parteiführer vertrauen?

Politische und wirtschaftliche Erfolge

Der US-China-Kommentator Wang He verwies in der chinesischen Epoch Times darauf, dass Scholz auf politischer Ebene etwas gewonnen habe: „Xi Jinping hat Putin davor gewarnt, Atomwaffen in der Ukraine einzusetzen“, sagte Wang He und verwies auf eine Meldung von „Xinhua“. Dort habe es geheißen, man habe sich gemeinsam gegen den „Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen“ ausgesprochen und deren Verzicht befürwortet, um eine Atomkrise in Asien und Europa zu verhindern. Was Scholz aber nicht erreicht habe, dass die KPC Druck auf Russland ausübe, den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden.

Wirtschaftlich habe Scholz zwei große Erfolge errungen: „Erstens kaufte die staatliche China Aviation Supplies Holding Corporation (CASC) 140 Flugzeuge bei Airbus im Gesamtwert von rund 17 Milliarden US-Dollar.“ Wang He verwies in diesem Zusammenhang jedoch darauf, dass dies eine Wiederholung des alten Tricks sei, dem im Juli Aufträge im Wert von über 37 Milliarden US-Dollar vorausgegangen seien – von Air China, China Eastern Airlines und China Southern Airlines. „Zweitens stimmte die KPC zu, den BioNTech-Impfstoff für in China lebende Ausländer zuzulassen“, was allerdings nur ein kleines Zugeständnis sei, weil die chinesischen Bürger davon ausgeschlossen seien.

Scholz brachte demnach auch zwei Positionen Deutschlands gegenüber der KPC zum Ausdruck: Um gleiche Wettbewerbsbedingungen anzustreben, „sollten deutsche Unternehmen in China nicht auf größere Schwierigkeiten stoßen als chinesische Unternehmen in Europa“. Scholz habe gesagt, dass dies in naher Zukunft zu Fortschritten in vielen konkreten Fällen führen werde, nicht nur bei deutschen, sondern auch bei europäischen Unternehmen.

Taiwan: Scholz bekennt sich zu Ein-China-Politik

Im Fall Taiwan habe Scholz sich zur Ein-China-Politik bekannt und deutlich gemacht, dass jede Änderung des Status quo in Taiwan friedlich oder einvernehmlich erfolgen müsse. Wang He: „Aber ob die Kommunistische Partei Chinas auf Deutschland hört und es ernst nimmt, ist eine andere Frage.“

Hierzu hatte kürzlich der Repräsentant der Republik China (Taiwan) in Berlin, Prof. Jhy-Wey Shieh, gegenüber der Epoch Times im Vorfeld der Kanzler-Reise gesagt, dass es bei Taiwan für den Westen um die „Gretchenfrage“ gehe: „Hochrangige Regierungsvertreter vom Westen werden langsam aber sicher vor der Wahl stehen: das von China belegte Tabu zu brechen oder ihr eigenes Herz mit gutem Gewissen.“ Man müsse nur den ersten Schritt wagen, so Shieh. Er sei zuversichtlich, dass dies komme. Dabei müsse man aber über seinen eigenen Schatten springen.

Offenbar war der Schatten von Olaf Scholz in der untergehenden Sonne von Peking doch zu lang, um darüber springen zu können. Zumindest diesmal.

Laut Wang He dürfte es dennoch einige Auswirkungen nach dem Scholz-Besuch in China geben. Das Treffen sei eher ausgewogen als aggressiv gewesen. Allerdings: „Anstatt den vielfältigen Druck der westlichen Gemeinschaft wirksam an die Kommunistische Partei Chinas weiterzugeben, um eine günstige Verhandlungsposition für sich zu erreichen, hat Scholz am Ende den ganzen Druck selbst getragen.“

Scholz habe aber deutlich gemacht, dass Berlin sich nicht von Peking abkoppeln, sich aber auch nicht zu sehr abhängig machen wolle, so der Bundeskanzler.

Alles für die „nächste Phase“

Chinas staatliche Nachrichtenagentur „Xinhua“ berichtete, dass Xi Jinping davon ausgehe, dass der Besuch das gegenseitige Verständnis und Vertrauen stärken, die praktische Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen vertiefen und gute Pläne für die Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen in der nächsten Phase machen werde. Laut Xi sei die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und Deutschland auf dem heutigen hohen Niveau untrennbar mit der Weitsicht und dem politischen Mut von Generationen von Führern Chinas und Deutschlands verbunden, so der „Führer“ Chinas.

Auf die internationale Situation eingehend meinte Xi, dass diese derzeit komplex und volatil sei. China und Deutschland sollten als „einflussreiche Mächte“ zusammenarbeiten, um in Zeiten des Wandels und des Chaos mehr Beiträge zum Weltfrieden und zur Entwicklung zu leisten. China sei bereit, mit Deutschland eine „strategische Partnerschaft“ aufzubauen, für eine Neuentwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ländern sowie zwischen China und der EU.

Derzeit versucht sich die Europäische Union nicht nur von der russischen Energieabhängigkeit zu befreien, sondern auch von der chinesischen. Das Europäische Parlament hatte zudem erst Mitte September eine Resolution verabschiedet, die die militärische Aggression Chinas in der Straße von Taiwan anprangerte. Auch Chinas Menschenrechtsverbrechen in der Uiguren-Provinz oder gegen die spirituelle Falun-Gong-Bewegung, sowie die staatliche Unterdrückung der christlichen Hauskirchen und die Lage der Tibeter werden immer wieder angesprochen und kritisiert. Europa beginnt gegenüber den chinesischen Versprechungen aufzuwachen und bemisst das KP-Regime mehr und mehr an seinem Tun als an seinen Worten.



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