Machtkampf in China: Die Ex-Präsidenten-Affäre überrascht die Welt

Am letzten Tag des KP-Nationalkongresses platzte die „Bombe“. Ein Machtkampf, ruhig an der Oberfläche und dennoch brandgefährlich. Ex-Präsident Hu Jintao wurde aus dem Saal „begleitet“ – vor aller Augen und den Kameras der hereingelassenen internationalen Medien. Was war passiert?
Hu Jintao wird aus der Abschluss-Zeremonie der KPC entfernt.
Während der Abschlusszeremonie des 20. Parteitags der KP Chinas am 22. Oktober wird der ehemalige Staats- und Parteichef Hu Jintao (M) aus der Konferenzhalle geführt. Im Vordergrund: Chinas Premierminister Li Keqiang (L) und Chinas „Führer“ Xi Jinping (R).Foto: Lintao Zhang/Getty Images
Von 24. Oktober 2022

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Gegen Ende des Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas kam es zu einem aufsehenerregenden Vorfall: Ein Machtkampf vor aller Augen? Die Hauptperson: Chinas ehemaliger Partei- und Staatschef Hu Jintao, der Amtsvorgänger von Xi Jinping.

Grundsätzlich findet der KP-Nationalkongress unter Ausschluss der Öffentlichkeit im abgeschotteten Militärhotel Jingxi im Westen von Peking statt. Die Eröffnungszeremonie, die Vollversammlungen und die Abschlusszeremonie sind jedoch in der Großen Halle des Volkes. Dort lässt man dann bei Bedarf kurzzeitig auch internationale Journalisten herein. Sie sollen dann bestimmte Informationen verbreiten, wie beispielsweise Xi Jinpings „Führer“-Rede bei der Eröffnungszeremonie am 16. Oktober.

Am 22. Oktober war die Abschlusszeremonie. Zuvor hatte es noch eine interne Abschlusssitzung gegeben. Was dort möglicherweise vorgefallen sein könnte, lässt sich nur spekulieren. Allerdings wurden anschließend die internationalen Medien in die Große Halle des Volkes gelassen, um bei der einstimmigen „Abstimmung“ zu Xi’s dritter Wiederwahl als Parteichef dabei zu sein.

Und dann passierte es – vor den Augen aller und der Medien.

Hu Jintao musste gehen. Warum?

Es kam Bewegung in die erste Reihe der KP-Führer des Ständigen Ausschusses des Parteitagspräsidiums. Man erkennt sie daran, dass sie die Einzigen im Saal sind, die keine Corona-Maske tragen müssen.

Plötzlich wurde der links von Xi sitzende Hu Jintao von Ordnern aus dem Saal gebracht. Ein Video des Vorfalls zeigt den 79-jährigen Hu, wie er – offensichtlich gegen seinen Willen – weggeführt wurde.

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Nach Ansicht der britischen BBC jedoch nicht zufällig. Normalerweise wasche die Partei ihre schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit. Die Massenversammlungen der Kommunistischen Partei seien in der Regel hochgradig geplante Veranstaltungen. BBC-Peking-Korrespondent Stephen McDonell sprach von Spekulationen, dass der Zeitpunkt des Ausscheidens von Hu Jintao kein Zufall gewesen sein könnte.

Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur „Xinhua“ wird hinter vorgehaltener Hand auch als „Hund der Partei“ bezeichnet. Kurz nach dem Ereignis meldete das staatliche Sprachrohr einen vermeintlichen Grund für den Vorfall: Es sei Hu Jintao nicht gut gegangen. Er sei in einen Nebenraum gebracht worden.

Die Twitter-Meldung endet mit der Aussage: „Jetzt geht es ihm viel besser.“ Die „Xinhua“-Meldung wurde in Englisch veröffentlicht und erschien nach Angaben der chinesischsprachigen Epoch Times nicht auf chinesischen Websites und Social-Media-Plattformen. Auch das Video des Vorfalls und die Diskussionen darüber wurde aus dem chinesischen Internet entfernt. Der Name von Hu Jintao verschwand am Samstag aus der Hot-Search-Liste von WeChat, berichtet das China Media Project, ein Hongkonger Forschungsinstitut.

Versteinerte Gesichter

Hu hatte von 2002 bis 2012 das Amt des Generalsekretärs der KPC und des Chefs der Zentralen Militärkommission sowie von 2003 bis 2013 das Amt des Staatschefs inne. In der Partei gilt er als einer der Gegenspieler von Xi Jinping und wird dem Lager der KP-Jugendliga zugeordnet.

Hu wurde von zwei Personen aus dem Konferenzraum geführt, einem Saalordner und einem Mitarbeiter, der auf seinem Partei-Schild „Kong Shaoxun“ stehen hatte. Dieses Detail veröffentlichte der Pekinger AP-Journalist Dake Kang auf Twitter: „Der Mann, der Hu auf die Beine hilft, ist Kong Shaoxun (孔绍逊), der stellvertretende Direktor des Generalbüros des Zentralkomitees der KPC. Sein Chef ist Ding Xuexiang, von dem allgemein erwartet wird, dass er dem nächsten Ständigen Ausschuss angehört.“

Kang schrieb, dass dies um 11:19 Uhr Pekingzeit gewesen sei. Nach der Hinausbegleitung von Hu Jintao berichtete Kong gegen 11:53 Uhr mutmaßlich Xi Jinping und holte sich vermutlich Anweisungen ab. Ein Folgevideo zeigt die Szene.e


Im chinesischen Internet fragte man sich, wie man die Reaktionen der anderen KP-Führer in der ersten Reihe einzuschätzen hatte. Wie die Epoch Times erklärte, hätten einige gemeint, dass, wenn Hu Jintao wirklich wegen schlechter Gesundheit hinausgebracht worden wäre, die Mitglieder des Ständigen Ausschusses sich umgedreht hätten, um Hallo zu sagen – oder aus Höflichkeit aufgestanden wären. Doch keiner habe sich auch nur einmal umgesehen. Nur versteinerte Gesichter.

Zaghafter Versuch der Intervention

Ein weiteres interessantes Detail, das sich während dieser Situation zwischen Li Zhanshu und Wang Huing, zwei der sieben obersten KP-Führer und linke Sitznachbarn zu Hu Jintao zutrug: Als Hu Jintao gerade herausgeführt wird, scheint Li kurz zu überlegen. Dann wischt sich der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses mit einem Taschentuch den Schweiß ab, knöpft sein Sakko zu und erhebt sich zaghaft – vielleicht, um zu intervenieren. Sekundenbruchteile später zieht ihn Wang Huning, Sekretär des Zentralkomitees und Chefideologe von Xi Jinping, zurück. Alles geht seinen Gang.

Beim Hinausgehen spricht Hu Jintao Xi Jinping noch an. Vielleicht verabschiedet er sich. Dieser wirkt etwas genervt, nickt, sagt etwas, Hu geht weiter und klopft Premierminister Li Keqiang auf die Schulter. Dieser wirkt erschrocken und unsicher, überspielt dies jedoch mit einem Kopfnicken. Alle anderen scheinen die Situation zu ignorieren.

Xi überwindet Parteivorschriften

Hu Jintao war es gewesen, der 2006 als Staats- und Parteichef die Amtszeitbegrenzung eingeführt hatte, dass „führende Partei- und Regierungskader, die zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten in derselben Position verbracht haben“, nicht mehr für dieselbe Stelle nominiert werden können, so die Regelung, die auch für den Generalsekretär der KPC seither gegolten hatte.

Professor Feng Chongyi von der University of Technology Sydney, Australien, sagte gegenüber der chinesischsprachigen Epoch Times am 22. Oktober: „Hu Jintao, der relativ ehrlich ist, wird dieses Dokument genommen und Xi Jinping damit konfrontiert haben. ‚Das ist eine Parteivorschrift, warum befolgst du nicht die Parteivorschrift?‘“ Professor Feng glaubt, dass die Situation mit Hu Jintao die Folge eines Streites zwischen Hu und Xi darüber gewesen sein könnte.

Doch Xi Jinping hat diese Regel aufgehoben, sowohl per Verfassungsänderung beim Präsidentenamt (2018) als auch jetzt beim Posten des KP-Generalsekretärs. Damit hat Xi Jinping den Weg für seine lebenslange Herrschaft freigeräumt.



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