China: Annexion Taiwans wegen Halbleiterindustrie?

Im Jahr 2019 importierte Peking Computerchips im Wert von 300 Milliarden Dollar, mehr als für Öl ausgegeben wurde. Das Regime ist selbst nicht in der Lage, die leistungsfähigsten Chips herzustellen. Die auf dem Weltmarkt führende taiwanische Halbleiterindustrie könnte daher als treibende Kraft hinter dem Wunsch stehen, sich Taiwan einzuverleiben.
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In einer Halbleiterproduktion in China.Foto: STR/AFP via Getty Images

Das Interesse des chinesischen Regimes an Taiwan ist schon aus ideologischer Sicht groß: Es gehört nach dessen Lesart zu China und soll mit diesem „wiedervereinigt“ werden. Wenn nötig auch mit Gewalt, wie in letzter Zeit die verstärkten militärischen Drohgebärden mit Kampfbombern vermuten lassen. Dennoch, so schreiben US-Forscher, könnte auch ein wirtschaftliches Interesse dahinterstecken, eines an der Halbleiterindustrie der Insel.

Denn: „Derzeit gibt es keinen wichtigeren Standort für IC- [Integrierte Schaltkreise] Kapazitäten und -Produktion als Taiwan“, erklärte das amerikanische Forschungsunternehmen „IC Insights“ (pdf). Auch die anhaltende pandemiebedingte weltweite Chip-Knappheit hat die wirtschaftliche und strategische Bedeutung Taiwans in der Chipherstellung deutlich gemacht.

China hat ein riesiges Problem, weil es nicht in der Lage ist, modernste IC-Bauteile für seinen zukünftigen Bedarf an elektronischen Systemen zu produzieren – ein Problem, „von dem es glaubt, dass es durch eine Wiedervereinigung mit Taiwan mit allen Mitteln gelöst werden kann“, so „IC Insights“.

Anfang Oktober noch beschwor der chinesische Staatschef Xi Jinping, die Wiedervereinigung mit der demokratischen Insel zu erreichen.

TSCM: Weltmarktführer aus Taiwan

Halbleiter, oder „Chips“, stehen im Zentrum der weltweiten technologischen Entwicklung. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil von Produkten wie Computern, Mobiltelefonen, Kühlschränken und Autos. Aber auch für militärische Zwecke sind sie von entscheidender Bedeutung und werden unter anderem in Raketenleit- und Navigationssystemen verwendet.

Sie bestehen im Allgemeinen aus Kristallen in Nanogröße (einem Hundertstel eines Mikrometers), sind dünner als ein einzelnes menschliches Haar und enthalten bis zu 40 Milliarden Komponenten. Die Miniaturisierung ist daher einer der wichtigsten Aspekte der Chip-Entwicklung und da liegt Taiwan an der Weltspitze: 63 Prozent aller Chips mit einer Größe kleiner als 10 Nanometer werden in dem Inselstaat gebaut. Die anderen 37 Prozent in Südkorea.

China hat zwar in den letzten 20 Jahren über 50 Milliarden Dollar an staatlichen Subventionen in einheimische Chiphersteller gepumpt (die unter der Aufsicht der Kommunistischen Partei stehen) und konnte die Halbleiterproduktion massiv ausbauen (Weltmarktanteil 15 Prozent). Dennoch wird das Regime nach Angaben des Center for Strategic and International Studies (CSIS) mindestens zehn Jahre brauchen, um mit der Weltspitze gleichzuziehen.

Der Unterschied wird an einem Beispiel deutlich: Der taiwanische Hersteller TSMC arbeitet derzeit an einem 3-Nanometer-Produktionsprozess. Das Unternehmen hofft, bis 2025 2-nm-Chips anbieten zu können. Chinas größter Chiphersteller SMIC hat dagegen erst Ende 2019 mit der Produktion von 14-nm-Chips begonnen, womit China zwei Generationen hinter den Branchenführern zurückliegt.

Zwar kann China einige Erfolge bei der Entwicklung eigener Halbleiter aufweisen. KI-Chips, die im Cloud-Computing eingesetzt werden, wurden vom chinesischen Konzern Alibaba entwickelt. Der Kirin-Chip von Huawei, der ursprünglich für 5G-Geräte und Smartphones verwendet werden sollte, soll genauso gut sein wie vergleichbare Chips von Samsung und Qualcomm. 

Allerdings liegt China bei der Herstellung von Chips immer noch hinter den Vereinigten Staaten zurück. Die Kirin-Chipsätze für Handys und Tablets von Huawei wurden unter anderem von TSMC hergestellt, das auf amerikanische Technologien setzt. TSMC ist der weltweit größte Auftragsfertiger von Chips und Wafern, den Grundplatten für elektronische Halbleiter. Auch Apple lässt bei TSMC produzieren.

USA sind führend im Halbleiterdesign

Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor weltweit führend im Halbleiterdesign sowie in der Forschung und Entwicklung. Amerikanische Unternehmen kontrollieren fast die Hälfte des weltweiten Marktanteils beim Verkauf von Mikrochips. Im Laufe der Jahre hat sich jedoch ein großer Teil der Produktion nach Asien verlagert.

Heute sind rund 80 Prozent der Halbleiter-Fertigungsstätten sowie der Montage- und Testbetriebe in Asien konzentriert, wobei Taiwan im High-End-Chip-Segment marktführend ist.

China hingegen befindet sich am unteren Ende der Halbleiter-Wertschöpfungskette. Das Land hat nur einen Anteil von fünf Prozent am Weltmarkt, und seine Unternehmen produzieren überwiegend Low-End-Chips. Daher ist China stark auf die Technologien anderer Länder angewiesen. Allein im Jahr 2020 gab China mehr als 300 Milliarden Dollar für Halbleiterimporte aus und wurde damit zum größten Chipimporteur der Welt.

US-Handelssanktionen gegen China

Die Handelssanktionen Donald Trumps, die mit Sicherheitsbedenken und Spionagevorwürfen begründet wurden, machten Huawei im vergangenen Jahr einen Strich durch die Rechnung. TSMC musste seine Auftragsfertigung für Huawei einstellen. Von 15 Millionen bestellten Mobiltelefon-Chips wurden nur knapp 9 Millionen ausgeliefert. Im neuen Huawei-Handy Nova 9 steckt jetzt zwar ein Chip der US-Firma Qualcomm, der aber ohne den neuen 5G-Mobilfunkstandard auskommt und nur mit 4G ausgeliefert wird. Auch gegenüber dem größten einheimischen IC-Hersteller SMIC wurden Ausfuhrbeschränkungen verhängt.

Sowohl die Trump-Administration als auch die der Regierung Biden sind von der Einsicht geleitet, China nicht nur als Konkurrenten, sondern als Gefahr zu betrachten. Die Vereinigten Staaten haben daher eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die amerikanische Halbleitertechnologie zu schützen und Chinas Vormarsch zu bremsen.

Die Sicherheitskommission NSCAI empfahl, die US-Gesetzgebung zu verschärfen, um China daran zu hindern, sich Halbleitertechnologie anzueignen. Ins gleiche Horn stößt auch das CSIS. Nach dessen Einschätzung könnten die Vereinigten Staaten den Vorsprung vor China bewahren, indem sie den Zugang zur Finanzierung versperren. Es empfiehlt, die Ausfuhr von Halbleitern und Halbleiterherstellungsanlagen zu blockieren und China daran zu hindern, mit US-Anlagen hergestellte Chips zu kaufen und US-Chiphersteller zu übernehmen.

Im Inland hält es das CSIS für verteidigungspolitisch wichtig, dass die US-Regierung in Chiphersteller investiert. Und genau das tun die Vereinigten Staaten jetzt mit dem „CHIPS“-Gesetzentwurf. Er wurde in den Kongress eingebracht, um die Führungsrolle der USA in der Halbleiterherstellung wiederherzustellen. Das Ziel soll durch langfristige wirtschaftliche Anreize für Forschung und Entwicklung erreicht werden. Neben weiteren Finanzierungsmaßnahmen sieht dieser Gesetzentwurf die Einrichtung eines 10-Milliarden-Dollar-Fonds zur Förderung von Investitionen in Halbleiterfertigungsanlagen vor.

TSMC ist unterdessen dabei, seine Produktion auf das Ausland auszuweiten. Die Firma investiert 12 Milliarden Dollar in sein neues Werk im US-Bundesstaat Arizona. Es wird voraussichtlich 2024 die Produktion aufnehmen. Der Bau seiner ersten Chipfabrik in Japan hat TSMC kürzlich bestätigt. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom Juli dieses Jahres prüft der Chiphersteller auch Deutschland als Standort. Es wäre die erste Chipfabrik des Konzerns in Europa.

Krieg als Option

Während die freie Welt versucht, sich gegen einen Aufstieg des chinesischen Regimes zu stemmen, könnte es für Peking ein gangbarer Weg sein, einen gewaltsamen Zusammenschluss mit Taiwan zu suchen, glaubt IC Insights. „Zusammengenommen würden China und Taiwan etwa 37 Prozent der weltweiten IC-Kapazitäten halten, fast dreimal so viel wie Nordamerika“, so die Forscher.

Dennoch gäbe es einen Haken an der Sache bei einem Krieg beider Länder: „Während die taiwanische Wirtschaft zusammenbrechen würde, (…) würde auch Chinas Wirtschaft stark leiden“, so IC Insights. „Die Frage ist, ob China bereit ist, relativ kurzfristige wirtschaftliche Schmerzen in Kauf zu nehmen, um langfristig den größten Teil der weltweit führenden IC-Produktionskapazitäten für viele Jahre unter seiner Kontrolle zu haben.“



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