Çavuşoğlu in den USA: Türkei pocht auf Wahrung ihrer Interessen

Der Außenminister der Türkei, Mevlüt Çavuşoğlu, besuchte am Mittwoch die USA. Dabei ging es auch um Differenzen zwischen beiden NATO-Partnern.
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu (3.v.l), schüttelt die Hände der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (r) neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (M) und dem finnischen Präsidenten Sauli Niinisto (2.v.r).
Der türkische Außenminister Mevlut Çavuşoğlu (3. v. l.), schüttelt die Hand der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (r) neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (m) und dem finnischen Präsidenten Sauli Niinisto (2. v. r.).Foto: Bernat Armangue/AP/dpa
Von 20. Januar 2023

Mit einer gemeinsamen Erklärung endete am Mittwoch (18. Januar) der Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu bei seinem Amtskollegen Antony Blinken in Washington. Die NATO-Partner Türkei und USA betonten darin ihr „langjähriges Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung als Verbündete“. Beide Seiten bezeichneten das Treffen zudem als „konstruktiv“. Dennoch ließ auch die gemeinsame Erklärung erkennen, dass die Minister bestehende Differenzen in mehreren Bereichen nicht ausräumen konnten.

Kongress blockiert nach wie vor F-16-Lieferungen

Bezüglich der von der Türkei erwarteten Lieferung einer Flotte in den USA gebauter F-16-Kampfflugzeuge ist weiter keine Einigung in Sicht. Die Erklärung blieb diesbezüglich wenig aussagekräftig. Blinken und Çavuşoğlu hätten „über die Stärkung der Verteidigungspartnerschaft, einschließlich der Modernisierung der türkischen F-16-Flotte, gesprochen“.

Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die seit 2021 andauernde Blockade des Kongresses gegen die Lieferungen zeitnah enden wird. Politiker wie der Senator Bob Menendez (D-N.J.), der auch Vorsitzender des Senatsausschusses für Außenbeziehungen ist, stellen sich nach wie vor gegen den Deal. Und das, obwohl die Regierung Biden mittlerweile bereit ist, das 20-Milliarden-Dollar-Geschäft über die Bühne gehen zu lassen.

Menendez und viele Demokraten, aber auch einige republikanische Abgeordnete, vor allem mit guten Beziehungen zur griechischen und armenischen Diaspora, verhindern dies. Sie werfen Präsident Recep Tayyip Erdoğan unter anderem vor, sich „destabilisierend in der Türkei und gegen benachbarte NATO-Verbündete“ zu verhalten.

Çavuşoğlu: USA sollten „wichtiges Abkommen zwischen Verbündeten nicht vergeuden“

Zuvor hatte die Regierung in Washington Sanktionen gegen die türkische Rüstungsindustrie verhängt. Dabei ließ man auch einen geplanten Ankauf von US-amerikanischen F-35-Kampfflugzeugen platzen. Anlass dafür war Ankaras Ankauf russischer S-400-Abwehrraketen im Jahr 2017.

Die Türkei hatte diesen unter anderem damit begründet, dass NATO-Partner sich zögerlich bei der Überlassung von Patriot-Systemen gezeigt hätten. Ankara hatte diese unter anderem mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien verlangt, nachdem mehrfach Mörsergranaten in türkischen Dörfern eingeschlagen hatten.

Çavuşoğlu mahnte die USA, „ein wichtiges Abkommen zwischen Verbündeten nicht zu vergeuden, nur weil eine Person oder ein paar Leute es blockieren“. Die Lieferung der F-15 gehört auch zu jenen Forderungen, die Ankara im Zusammenhang mit dem geplanten NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens erhebt.

Die Türkei verhindert diesen derzeit durch ihr Veto. Während der F-16-Deal das Verhältnis zwischen Ankara und Washington betrifft, ist der Kampf gegen den Terrorismus ein Thema, das auch Finnland und Schweden berührt. Die Türkei wirft beiden Ländern vor, der terroristischen PKK ein ruhiges Hinterland zu gewähren und diese nicht entschlossen zu bekämpfen.

Im Rahmen eines „trilateralen Memorandums“ sagten beide Länder der Türkei zu, ihren „berechtigten Sicherheitsbedenken Rechnung zu tragen“. Ankara bleibt jedoch skeptisch. Çavuşoğlu wies darauf hin, dass erst jüngst Anhänger der PKK unbehelligt durch Stockholm marschiert seien.

Çavuşoğlu und Blinken betonen „gemeinsamen Kampf gegen Terror“

Mit Blick auf die Terrorbekämpfung betonten Çavuşoğlu und Blinken den Wunsch zur Zusammenarbeit. Explizit nannte die Erklärung dabei die „Bemühungen im Kampf gegen terroristische Organisationen, insbesondere ISIS/Daesh und die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“.

Auffällig ist diesbezüglich, dass die YPG nicht genannt wird. Diese ist der bewaffnete Arm der Partei PYD. Im Westen wird die YPG zum einen als authentisches Sprachrohr der Kurden gesehen, die im Norden Syriens leben. Zum anderen betrachtete man sie als Verbündeten im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Die Türkei sieht beide Formationen gleichermaßen als terroristisch an und weist darauf hin, dass es sich bei PYD und YPG um syrische Ableger der PKK handelt. Die linksextremistische Terrororganisation bekämpft seit 1984 den türkischen Staat und Kurden, die ihren Kurs nicht mittragen. Als die türkische Armee begann, die PKK im Südosten der Türkei zu bekämpfen, zogen sich Teile von ihr in die Berge des Nordirak und nach Syrien zurück. PYD und YPG sind in ihre Kommandostruktur eingebunden.

Ob PYD und YPG, die einen eigenen Staat namens „Rojava“ anstreben, repräsentativ für die Interessen der Kurden im Norden Syriens sind, ist unklar. Die niederländische Politikanalystin Rena Natjes bestreitet dies beispielsweise. Sie äußerte jüngst im Interview mit „nex24“:

Die syrischen Kurden sähen sich in erster Linie als Syrer, als syrische Staatsbürger mit kurdischen Wurzeln. Sie seien auch nicht empfänglich für PKK-Propaganda und die zwangsweise angesetzte Wehrpflicht der YPG lehnten sie im Grunde ab.“

USA sorgen sich über türkisches Verhältnis zu Russland und Assad

Eine mögliche Wiederannäherung zwischen der Türkei und Syrien bereitet auch der Regierung in Washington Kopfzerbrechen. Dies nicht nur, weil auch die USA reichlich Geld und Ressourcen in den Sturz Assads investiert hatten. Eine Normalisierung der bereits in den 2000er-Jahren enger gewordenen Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien wäre auch mit einer stärkeren Hinwendung zu Russland verbunden.

In der gemeinsamen Erklärung betonten Çavuşoğlu und Blinken zwar ihre „unmissverständliche Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine“. Außerdem verurteilten sie den „inakzeptablen Krieg Russlands“. Die Türkei weigert sich jedoch, die westlichen Sanktionen gegen Russland zu unterstützen, und bemüht sich um ein diplomatisches Ende des Krieges.

Im Gegenzug hat Russland die Führung in Damaskus dazu gedrängt, sich ihrerseits um ein verbessertes Verhältnis zu Ankara zu bemühen. Ende letzten Jahres trafen sich die Verteidigungsminister der Türkei und Syriens zu einem wegweisenden Gespräch in Moskau. Nun ist ein zweites Treffen zwischen Çavuşoğlu und dem syrischen Außenminister in Moskau geplant. Dieses könnte endgültig den Weg für ein mögliches Treffen zwischen Erdoğan und Assad ebnen.

„Am Ende können Türken sich nur auf Türken verlassen“

Obwohl die Türkei eine der größten Militärmächte in der NATO ist, bleibt ihr Verhältnis zum Westen von tiefem Misstrauen geprägt. Ein Faktor dabei ist der vereitelte Putsch im Jahr 2016, als eine Gruppe von Militärs versucht hatte, einen gewaltsamen Machtwechsel herbeizuführen.

Offiziell macht die Türkei die Hizmet-Bewegung des seit 1998 in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Hinter vorgehaltener Hand ist jedoch aus informierten Kreisen der Türkei häufig zu hören, dass diese nicht ohne Hilfe in der Lage gewesen wäre, ein solches Vorhaben zu organisieren. Vielfach ist in Ankara von westlichen militärischen und nachrichtendienstlichen Kreisen die Rede, die ihre Hand mit im Spiel gehabt hätten.

Dies ist auch einer der wesentlichen Gründe für das belastete Verhältnis zu den USA. Allerdings behält die Türkei ihre bestehenden Bindungen zum Westen bewusst bei, da man sich nicht China ausliefern möchte. Zudem ist Russland ein traditioneller geopolitischer Rivale im zentralasiatischen Raum, was trotz derzeit verbesserter Beziehungen eine vollständige Hinwendung ausschließt. Am Ende des Tages, so hört man vielfach aus den Reihen türkischer Entscheidungsträger, könnten Türken sich nur auf sich selbst verlassen.



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