Schweden und der NATO-Beitritt: „Können einige Forderungen der Türkei nicht erfüllen“

Schwedens Regierungschef Kristersson klagt über Bedingungen der Türkei für deren „Ja“ zum NATO-Beitritt des Landes. Einige davon seien „unerfüllbar“.
Finnlands Außenminister Pekka Haavisto (l), Schwedens Außenministerin Ann Linde und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nehmen an einer Pressekonferenz nach der Unterzeichnung der NATO-Beitrittsprotokolle für Finnland und Schweden teil.
Finnlands Außenminister Pekka Haavisto (l), Schwedens Außenministerin Ann Linde und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nehmen an einer Pressekonferenz nach der Unterzeichnung der NATO-Beitrittsprotokolle für Finnland und Schweden teil.Foto: Olivier Matthys/AP/dpa
Von 10. Januar 2023

Der Ministerpräsident von Schweden, Ulf Kristersson, hat auf einer Sicherheitskonferenz in Stockholm über türkische Vorbehalte gegen den NATO-Beitritt des Landes geklagt. Die Türkei, so Kristersson, stelle „Forderungen, die Schweden nicht akzeptieren kann“. Dies berichtete „Euronews“.

Schweden hatte ebenso wie Finnland im Frühjahr 2022 den Beitritt zum westlichen Militärbündnis beantragt. Anlass dafür war der Krieg in der Ukraine. Beide bis dato neutralen Länder wollen auf diese Weise einer von ihnen wahrgenommenen Bedrohung durch Russland entgegenwirken.

Türkei fordert Kampf gegen Terror und Ende eines Waffenembargos

Die Türkei macht ihre Zustimmung insbesondere zu einem schwedischen NATO-Beitritt von mehreren Bedingungen abhängig. Zum einen fordert Ankara ein konsequenteres Vorgehen Schwedens gegen terroristische Organisationen wie die PKK. Diese verfügt in mehreren EU-Ländern über ein breites Umfeld an Unterstützern.

Zum anderen verlangt Ankara das Ende eines Waffenembargos, das Schweden im Oktober 2019 gegen die Türkei erklärt hat. Die Regierung in Stockholm hat dieses mit einer türkisch geführten Militäroffensive im Norden Syriens erklärt. Die Region galt als Hochburg der sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG), die als syrische Ableger der PKK gelten.

Die PKK führt bereits seit den 1980er-Jahren einen blutigen Krieg gegen die türkische Regierung. Auch die EU und die USA stufen die „Arbeiterpartei Kurdistans“ als terroristische Vereinigung ein. Dennoch nutzen in Europa lebende Anhänger der Gruppierung ihre Aufenthaltsländer als Hinterland.

Die Gruppierung unterhält auch in EU-Ländern Strukturen, betreibt von dort aus Propaganda und finanziert ihre terroristischen Aktivitäten. Häufig geschieht dies durch grenzüberschreitenden Drogenhandel oder Schutzgelderpressung.

Schweden sagte im Dezember Erfüllung des Memorandums zu

Im Juli des Vorjahres hatten sich die Türkei und Schweden auf ein Memorandum geeinigt. Demzufolge sagten die Nordeuropäer der türkischen Regierung zu, ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus zu verstärken. Außerdem werde es ein Ende des Waffenembargos geben. Die Unterzeichnung der Vereinbarung fand am Rande des NATO-Gipfels statt.

Im Dezember hatten hochrangige Regierungsvertreter Schwedens betont, alle Punkte des Memorandums zu erfüllen. Außenminister Tobias Billström kündigte für das Jahr 2023 unter anderem strengere Anti-Terror-Gesetze in Schweden an.

Stockholm habe „inzwischen volles Verständnis für die Sicherheitsbedenken der Türkei“. Dies erklärte Billström im Anschluss an eine gemeinsame Pressekonferenz mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu in Ankara. Der Anschlag der PKK auf eine stark frequentierte Einkaufsstraße in Istanbul im November habe „die Schwere des Problems verdeutlicht“.

Auch der schwedische Unterhändler für die NATO-Mitgliedschaft, Oscar Stenström, kündigte mehr Entschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus an. Die PKK zu finanzieren, bedrohe nicht nur die Türkei, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur „Anadolu“, es schade auch der schwedischen Gesellschaft. Çavuşoğlu würdigte die bis dahin gegebenen Zusagen, kritisierte jedoch, Schweden habe bislang wenig „konkrete“ Schritte unternommen, um sie umzusetzen.

Unsicherheit in Schweden über Zeitpunkt des Beitritts

Kristersson erklärte nun im Rahmen der Konferenz in Stockholm, er könne kein exaktes Datum für einen Beitritt seines Landes zur NATO nennen. Grund dafür sei die Unsicherheit über das Veto aus Ankara. Er deutete an, dass der Wahlkampf in der Türkei den Prozess verzögern könne:

Ich sage schon seit Langem, dass wir davon überzeugt sind, dass die Türkei eine Entscheidung über die Ratifizierung treffen wird, wir wissen nur nicht, wann. Und wie in vielen Ländern spielen hier viele Faktoren eine Rolle; auch innenpolitische Angelegenheiten spielen eine Rolle.“

Er gehe jedoch nicht davon aus, dass sich in diesem Punkt etwas zwischen Schweden und der Türkei verändert habe:

Die Türkei bestätigt, dass wir getan haben, was wir gesagt haben. Sie sagt aber auch, dass sie Dinge will, die wir ihr nicht geben wollen. Und jetzt liegt die Entscheidung bei der Türkei.“

Direkte Gespräche der Türkei mit Syriens Regierung in Moskau

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte unterdessen, er sei „zuversichtlich“, dass es am Ende zu einer Genehmigung des Beitritts beider Länder kommen werde. Auch er wolle sich bezüglich eines Datums jedoch nicht festlegen. Ende Dezember äußerte Stoltenberg:

Ich kann jedoch kein genaues Datum garantieren, da dies letztendlich eine souveräne Entscheidung des türkischen und des ungarischen Parlaments sein muss, da zwei Parlamente noch nicht ratifiziert haben. Aber ich hoffe und werde mich auch weiterhin für die Ratifizierung in diesen beiden Parlamenten einsetzen.“

Unterdessen hatten sich Ende des Jahres 2022 die Verteidigungsminister Russlands, der Türkei und Syriens zu Gesprächen in Moskau getroffen. Wie das russische Verteidigungsministerium gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte, sei es dabei um Möglichkeiten zur Beendigung der syrischen Krise gegangen.

Erdoğan zur Anerkennung der Regierung Assad bereit?

Russland und die syrische Regierung wollen eine weitere türkische Offensive im Norden des Landes verhindern. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad hat nach Jahren des Bürgerkriegs jedoch nicht mehr die faktische Kontrolle über alle Landesteile. Die Türkei rechtfertigt ihre Militärinterventionen auf syrischem Territorium mit ihrem Recht auf Selbstverteidigung. Der PKK-Ableger YPG an ihren Grenzen stelle eine akute sicherheitspolitische Bedrohung dar.

Der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags äußerte hingegen 2018 in einem Gutachten „massive Zweifel an der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ des Vorgehens.
Die „Moscow Times“ deutet unterdessen an, das trilaterale Treffen in Moskau könnte den Weg zu einer Einigung zwischen Ankara und Damaskus ebnen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan soll in Aussicht gestellt haben, die Regierung Assad anzuerkennen. Bedingung dafür sei eine Unterstützung der syrischen Armee und Russlands bei der Vertreibung der YPG.

Zu Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 hatte die Türkei einen Rücktritt Assads gefordert und die bewaffnete Opposition unterstützt. Die Regierung Assad erklärte Ankara im Einklang mit dem Westen für nicht mehr legitim. Die Intervention Russlands im Jahr 2015 half Assad jedoch, wesentliche Teile des Landes zurückzuerobern. Eine Friedenslösung in Syrien würde auch eine Rückkehr Millionen syrischer Flüchtlinge ermöglichen. Allein vier Millionen davon befinden sich in der Türkei.



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