Belgien und Österreich wollen Ungarn Stimmrechte in der EU entziehen
Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib erklärte am 3. Juni, die EU dürfe angesichts des ungarischen Vorgehens, das gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoße, nicht vor harten Maßnahmen zurückschrecken. Sie schlug vor, Budapest die Möglichkeit zu entziehen, ein Veto bei Entscheidungen in Brüssel einzulegen. „Politico“ berichtete einen Tag später, dass Österreich sich dem belgischen Vorschlag angeschlossen habe, Ungarns Stimmrechte in der EU pausieren zu lassen.
In weniger als vier Wochen wird Belgien die EU-Ratspräsidentschaft an Ungarn übergeben. Belgiens Vorstoß macht die Frustration mit Budapest vor Beginn des sechsmonatigen EU-Vorsitzes im Juli deutlich.
Konkret hat Lahbib die EU aufgefordert, das Verfahren nach Artikel 7 gegen Ungarn weiterzuführen. „Wir müssen den Mut haben, Entscheidungen zu treffen: bis zum Ende von Artikel 7 gehen, Artikel 7 vollständig anzuwenden, was auch die Aufhebung des Vetos bedeutet“, so die Ministerin gegenüber „Politico“.
Das Europäische Parlament hatte 2018 gegen Ungarn ein sogenanntes Rechtsstaatlichkeitsverfahren nach Artikel 7 eingeleitet. Während des Verfahrens wurden dem Land Mittel in Höhe von Milliarden Euro vorenthalten, da Brüssel Verstöße gegen die Grundwerte der EU befürchtete. Das Verfahren hat jedoch bisher nicht die kritische zweite Phase erreicht.
Eine „nukleare Option“
Diese zweite Phase, die nun von Belgien und Österreich vorangetrieben wird, wird oft als „nukleare Option“ bezeichnet. Durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit könnte dann der Rat einem Mitglied bestimmte Mitgliedsrechte, inklusive Stimmrechte, aussetzen.
Gerade die Abstimmungen, die Einstimmigkeit erfordern, sind die kritischsten Punkte in der Zusammenarbeit mit der ungarischen Regierung. Ministerpräsident Viktor Orbán wird oft beschuldigt, dass er die Entscheidungsfindung der EU in wichtigen Fragen blockiert. Dazu gehören schwerwiegende Entscheidungen zur Militärhilfe für die Ukraine, Sanktionen gegen Russland und Sanktionen gegen China.
Jetzt, im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft, scheinen sich die Ereignisse zu beschleunigen. Die belgische Außenministerin betont, dass die Präsidentschaft der ungarischen Führung erlauben wird, sechs Monate lang mehr Einfluss in der EU zu haben. Mit anderen Worten, eine größere Rolle „bei der Festlegung der Agenda und der Prioritäten der EU“ zu spielen. Der Zeitpunkt ist daher auch für Ungarn besonders kritisch.
Orbán: „Dies ist eine politische Frage“
Die ungarische Regierung glaubt jedoch nicht, dass Brüssel wirklich ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn habe.
Viktor Orbán, der ungarische Ministerpräsident, sagte diese Woche in einem Interview mit der italienischen Zeitung „Il Giornale“, dass „die Europäische Union Erpressungsinstrumente gegen Ungarn einsetzt“ und bezog sich dabei auf das Verfahren nach Artikel 7.
Nach Ansicht des Ministerpräsidenten geht es nicht um Grundwerte der EU. „Dies ist eine politische Frage, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit hat damit nichts zu tun“, sagte er.
Ungarische Regierungsminister haben im vergangenen Jahr wiederholt erklärt, dass das Land bereits alle Aufforderungen Brüssels zu den Einwänden im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit nachgekommen sei, auch wenn das Land die Vorwürfe nicht für begründet hielt.
Doch jetzt, angesichts des Krieges in der Ukraine, könnte noch mehr auf dem Spiel stehen. Orbán deutete im Interview an, dass nun die Gefahr bestehe, dass Brüssel einen dritten Weltkrieg provoziere. Die ungarische Regierung ist überzeugt, dass die Ukraine-Strategien der EU und der NATO zu einer Eskalation des Konflikts führen würden und dass dies verhindert werden müsse.
Eine Aussetzung des ungarischen Stimmrechts würde es jedoch in gewisser Weise unmöglich machen, bei kriegsrelevanten Entscheidungen die Notbremse zu ziehen. Orbán sagte bei einer Friedensdemonstration in Budapest am 1. Juni: „Europa rast mit einem Zug mit kaputter Bremse und einem verrückten Lokführer auf einen Krieg und seine Zerstörung zu“, und das müsse verhindert werden.
Ängste vor ungarischen Vetos
Während die ungarische Regierung von Souveränität und Maßnahmen zur Verhinderung eines dritten Weltkriegs spricht, werden ihre EU-Politik und ihre Vetos auch im eigenen Land kritisiert. Die ungarische Opposition meint, es gehe nicht nur um den Ukraine-Krieg.
Vergangene Woche hat Klára Dobrev, Abgeordnete im Europäischen Parlament und Chefin der größten ungarischen linksgerichteten Partei, in einer politischen Diskussionssendung des ungarischen Staatsfernsehens Viktor Orbán als ein trojanisches Pferd bezeichnet – ein trojanisches Pferd, das auf einer chinesischen Produktionsanlage gefertigt wurde und mit einem russischen Abhörgerät ausgestattet ist.
Orbáns Regierung sagte, sie folge dem Grundsatz des „gegenseitigen Respekts“ in den Beziehungen zu Russland und China und hofft auf „ideologiefreie Geschäftsbeziehungen“. Zugleich hat die Orbán-Regierung wenig zu sagen zu Fragen wie die schweren Menschenrechtsverletzungen in China, die bis heute andauern.
Ungarn hatte im Jahr 2022 ein Veto gegen einen EU-Vorschlag eingelegt, in dem eine UN-Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Russland gefordert wurde, wie „Politico“ berichtete. In Folge hat der russische Kreml-Sprecher der ungarischen Regierung seinen Dank bekundet.
Die Frage des Vetorechts wird in Brüssel gerade wegen der Missbrauchsmöglichkeiten kritisch gesehen. Vor allem in Bezug auf wirtschaftlich schwächere Länder. Denn es wird die Gefahr gesehen, dass diese von Großmächten (wie China und Russland) erpresst oder unter Druck gesetzt werden könnten.
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