Warum ließ Habeck mitten in der Energiekrise die letzten Atomkraftwerke abschalten?

Berliner Verwaltungsgericht zwingt Habecks Anwälte zur teilweisen Freigabe von bisher geheim gehaltenen Dokumenten. Über den strittigen Rest will das Gericht innerhalb von zwei Wochen entscheiden.
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim.
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim war das letzte deutsche Atomkraftwerk, das im März 2023 vom Netz ging. Ob der Ausstieg aus der Atomenergie möglicherweise ideologisch begründet war, könnte die Veröffentlichung bisher vom Bundeswirtschaftsministerium geheim gehaltener Dokumente klären.Foto: Marijan Murat/dpa
Von 24. Januar 2024

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Kommt demnächst ans Licht, warum Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mitten in der deutschen Energiekrise die letzten Atomkraftwerke abschalten ließ? Gegenwärtig sieht es zumindest danach aus, als ob es einige Antworten auf diesbezügliche Fragen geben würde.

Das Verwaltungsgericht Berlin-Moabit lehnte mehrere Begründungen ab, mit denen Habecks Anwälte versuchten, einen Großteil der Dokumente weiterhin vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Die Juristen sicherten laut „Berliner Zeitung“ nunmehr zu, drei Viertel der Unterlagen freizugeben.

Über den strittigen Rest soll innerhalb der kommenden zwei Wochen ein Urteil fallen. Auf Herausgabe geklagt hatte im Herbst 2022 der Redakteur Daniel Gräber, seines Zeichens Ressortleiter Kapital beim Magazin „Cicero“.

Umweltministerium lieferte Informationen, Wirtschaftsministerium nicht

Gräber hatte geklagt, weil Habecks Ministerium die Akten unter Verschluss hielt, obwohl ein gesetzlicher Anspruch auf Einsicht besteht. Dieser Pflicht sei das von Habecks Parteifreundin Steffi Lemke geführte Umweltministerium nachgekommen und habe mehr als 100 interne E-Mails, Vermerke, Entwürfe und Stellungnahmen zur Verfügung gestellt. Aus Habecks Wirtschaftsministerium habe es hingegen nur „vertröstende Worte“ gegeben, schrieb Gräber Anfang November 2022.

Hintergrund für diese Verweigerung könnte ein gezieltes Ausbremsen der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sein. „Cicero“ sowie die „Welt am Sonntag“ sind nach Gräbers Worten im Besitz regierungsinterner Dokumente, die das belegten. Und weil es bei der Auskunftsverweigerung blieb, hatte „Cicero“ die Klage auf den Weg gebracht.

Habeck-Anwälte drohen mit Horrorszenario

Zurück zum Verwaltungsgericht im Berliner Stadtteil Moabit: Dort, so die „Berliner Zeitung“ weiter, rangen Habecks Beamte um Argumente, die eine weitere Geheimhaltung der Dokumente rechtfertigen. Engpässe bei der Energieversorgung, wie sie kurz nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs im Februar 2022 aufgetreten waren, könnten auch künftig nicht ausgeschlossen werden.

Daher dürften die Akten nicht freigegeben werden, argumentierte ein Ministeriums-Jurist. Und er drohte mit einem Horrorszenario. So könnte Deutschland erneut im Energie-Chaos versinken, weil die Atomkraftwerke nicht mehr am Netz sind. Daher sei die damalige Notlage auf künftige Krisensituationen im Hinblick auf die Energiesicherheit übertragbar, so der Beamte weiter.

Auf diese Weise will er vor Gericht erreichen, dass die Akten weiterhin geheim bleiben. Gleichzeitig, so die „Berliner Zeitung“, will der Jurist die Regel umgehen, nach der die Öffentlichkeit Anspruch darauf hat zu erfahren, wie es zu bestimmten Entscheidungen ihrer Regierung in der Vergangenheit gekommen ist.

Opposition und kritische Medien laut Habeck-Anwälten eine Gefahr

Doch bleibe es nicht bei dieser Ausrede. Habecks Beamter gibt außerdem zu bedenken, dass die Veröffentlichung der bislang geheimen Dokumente vertrauliche Beratungen zur Atomkraft oder zur Versorgungssicherheit zwischen Deutschland und anderen Staaten gefährden könnten.

In dem Zusammenhang spricht er von einem eigenen Weg, den Deutschland mit dem Ausstieg aus der Atomkraft beschritten habe. Diesen müsse es gegenüber Medien sowie anderen europäischen Staaten verteidigen. Auf diese Weise wolle das Wirtschaftsministerium offenbar verhindern, dass Unterlagen ans Licht kommen, die dessen Entscheidung zum AKW-Aus in Misskredit bringen könnten, mutmaßt die „Berliner Zeitung“.

Ein weiterer Rechtsvertreter des Ministeriums versucht sich mit Beschwichtigung. So drohe nicht gleich der nächste Engpass bei der Energieversorgung. Dennoch sei es nicht ausgeschlossen, dass eine Krise wie vor nunmehr fast zwei Jahren ausbrechen könnte.

Zusätzlich sieht er aber noch eine weitere Gefahr aus einer anderen Richtung lauern – und die heißt „Oppositionsparteien und kritische Medien“. Auch gäbe es weitere Probleme.

So müsse sich die Bundesregierung jeden Tag zu ihrer umstrittenen Atom-Entscheidung abstimmen und positionieren – etwa gegenüber der Unionsfraktion im Bundestag, sagt der Beamte. Diese habe mehr als zehn Kleine Anfragen zum Atom-Aus gestellt. Es hätten sich zudem „medienwirksam“ mehrere Staaten während der Klimakonferenz COP 28 in Dubai zusammengeschlossen, die für mehr Atomkraft plädierten.

Öffentlichkeit hat Anspruch auf Auskunft

Zwar hätten die meisten Staaten weltweit noch keine Kernkraftwerke, dennoch müsse sich die Bundesregierung für ihre Ausstiegsentscheidung verteidigen. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass einzelne in den Streckbetrieb aufgenommene Meiler wieder in die Diskussion Eingang fänden. Für die Bundesregierung offenbar ein Bedrohungsszenario, das den Richter aber nicht überzeugte.

Den Argumenten steht nämlich das Umweltinformationsgesetz (UIG) sowie das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gegenüber. Demnach hat die Öffentlichkeit Anspruch auf umweltrelevante Informationen vonseiten aller dafür zuständigen Stellen.

Daher hatte der Richter den Antrag von Habecks Beamten zum sogenannten Drittbeteiligungsverfahren abgewiesen. Dieses besagt, dass vor der Freigabe von Ministeriumsdokumenten zuerst relevante Dritte, die mit dem Ministerium im Austausch waren – in dem Fall die Betreiber der Atomkraftwerke – befragt werden müssen.

Nach Ansicht des Richters hätten die Beamten nicht überzeugend dargelegt, inwiefern Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen von der Freigabe der Akten betroffen sein könnten. Auf seine Nachfrage hatte einer von Habecks Beamten eingeräumt, dass Geheimnisse der Unternehmen von der Veröffentlichung eher nicht betroffen seien.

Richter bricht in Lachen aus

Dann wird es laut „Berliner Zeitung“, die bei der Verhandlung eigenen Angaben zufolge dabei war, kurios: Während der mündlichen Verhandlung konnte Habecks Jurist nicht einmal sagen, ob der AKW-Rückbau in Deutschland umkehrbar ist oder nicht.

Dann, während der Richter alle bislang der Öffentlichkeit unzugänglichen Dokumente aufzählt, der nächste „Hammer“: Der Richter nennt einen Vermerk, fragt die Ministeriumsvertreter nach der Art des Dokuments. Ihnen zufolge handelt es sich um die Übungsaufgabe eines Rechtsreferendars, die weder der Leitungsebene vorgelegen habe noch Einfluss auf die Gesetzgebung gehabt habe. Trotzdem sei der Vermerk nach ihrer Kenntnis geheimhaltungsbedürftig. Dann passiert etwas, was man in deutschen Gerichten eher selten sieht: Der Richter bricht in Lachen aus.

So dürften noch einige brisante Dokumente ans Licht kommen, die der Öffentlichkeit bislang verborgen blieben. Mit ihnen könnte nachvollzogen werden, wie das Ende der Atomkraft in Deutschland beschlossen wurde.

So ist von einem Anschreiben im Zusammenhang mit einem Gesetzesentwurf die Rede, von Briefwechseln mit dem Kanzleramt, von Sprechzetteln für den Regierungssprecher Steffen Hebestreit sowie von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Ministerien zum Streckbetrieb der Atomkraftwerke.

Während der Verhandlung fällt auch der Name des ehemaligen Staatssekretärs Patrick Graichen mehrfach. Ihn musste Habeck entlassen, nachdem herausgekommen war, dass Graichens Trauzeuge Michael Schäfer auf seine Empfehlung hin zum Chef der staatlichen Deutschen Energie-Agentur ausgewählt worden war.

Graichen, der im Umfeld der Grünen-nahen Lobbyorganisation Agora Energiewende aktiv ist, galt als der Architekt der Flüssiggasimporte nach Deutschland sowie des inzwischen gekippten Heizungsgesetzes, so die „Berliner Zeitung“ weiter.

War der Atomausstieg ideologisch motiviert?

Nach der mündlichen Verhandlung am Montag, 22. Januar 2024, sicherten Habecks Beamte zu, drei Viertel der noch strittigen Dokumente freizugeben. Viele dieser Dokumente stammen aus einem Verzeichnis, das sie dem Gericht und dem Kläger Daniel Gräber (vertreten durch den Rechtsanwalt Christoph Partsch) erst am Donnerstag zuvor hatten zukommen lassen. Bei dem vorhergehenden Gerichtstermin im September 2023 hielt das Gericht die vom Habeck-Ministerium angeführten Akten noch für unvollständig.

Strittig bleibt aber ein Viertel der Dokumente. Ihre Freigabe dürfte Gegenstand des richterlichen Urteils werden, das innerhalb der kommenden zwei Wochen gefällt und beiden Parteien schriftlich zugestellt werden soll.

Sollte „Cicero“ in der Verwaltungsstreitsache gewinnen und Kopien der noch verschlossenen Dokumente erhalten, dann könnte das nicht nur eine Blamage für Robert Habeck werden, schlussfolgert die „Berliner Zeitung“. Die Akten könnten auch die Debatte darüber erneut aufkochen lassen, inwiefern der Atomausstieg ideologisch motiviert war – und warum ihn das Wirtschaftsministerium trotz aller Warnungen durchgezogen hat.



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